Hinschendorf, Reinbek

Unser Gespräch war hiermit geendigt; wir hatten den beschwerlichen tiefen Sandweg zurückgelegt, und kamen jetzt bei der sogenannten Ziegelei, und dem anmutig gelegenen Meierhofe Hinschendorf vorbei. Bald darauf bemerkten wir auch die ersten Spuren von Waldung in der Gegend, durch die Reinbek, wie auch seine Umgebung, so ausnehmend verschönert wird.— Majestätische, hohe Eichen zieren von nun an den Weg an beiden Seiten; unter ihrem Schatten schreitet der muntere Fußgänger im behaglichen Wohlbefinden fröhlich weiter; denn schön und großartig ist die Eiche, und kein Baum entspricht allen Anlagen des Malers beim Entwerfen einer Landschaft so vollkommen als sie. Sie ist die edelste Zierde des Vordergrunds eines Bildes, da sie ihre gewundenen Äste, und ihr mit den Farben des Herbstes prangendes Laub nach allen Seiten ausbreitet. Eine eben so gute Wirkung bringt sie auch in der Ferne hervor, indem die Mannigfaltigkeit ihrer Form und ihrer Farbe vor jedem andern Baume ihr unwidersprechlich einen großen Vorzug gibt.

Von Hinschendorf an läuft der Weg beständig zwischen beholzten Hügeln, welche angenehme Waldpartien bilden, und nach allen Seiten hin hat man eine, oft höchst überraschende, romantische Aussicht. Je mehr wir uns Reinbeck näherten, desto mehr drang das Auge durch, bis sich unfern Blicken auch das Bill-Tal mit dem Schlosse zeigte.


Darauf kehrten wir in dem Gasthofe zur linken Hand in

Reinbek

ein, um einige Erfrischungen zu nehmen. Wir brachen aber bald wieder auf, und eilten rechts über die Bill-Brücke auf die Landstraße nach Wendorf, um die Natur-Schönheiten dieser Gegend recht genießen zu können. Und gleich links von der ersten Anhöhe herab, fanden wir unsern Wunsch erfüllt. Diese Stelle ist unstreitig der richtige Gesichtspunkt, um die ganze Schönheit dieser herrlichen Landschaft aufzufassen.

Ihre Eigentümlichkeit besteht vorzüglich in der anmutigen Mischung der dem Auge sich darbietenden Gegenstande: — Gehölz und Ackerland — Wasser und Gebäude — das Schloss und die Mühle — die Spuren des Grabscheits, des Pflugs, und des Fleißes jeder Art — ein Reichtum der verschiedenartigsten Gestalten — sind in der Ferne so in einander verschmolzen, dass sie der Szene einen unaussprechlichen Reiz verleihen.*)

*) Siehe die Ansicht Nr. 2. von Reinbek.

Wir setzten uns hier nieder, um von der überaus schönen Aussicht ein recht lebendiges Bild in unsere Seele aufzunehmen, und einer unserer Reisegefährten, der in der älteren Geschichte dieser Gegend bewandert war, erbot sich, uns etwas aus derselben von dem Orte selbst zu erzählen.
„Reinbek, begann er, etwa im dreizehnten Jahrhunderte von dem gefeierten Grafen Adolph dem Vierten, als ein Kloster für Barfüßer-Mönche gestiftet, ward später in ein Jungfern-Kloster verwandelt, und blieb es bis 1530, wo, wie die Annalisten melden, die Nonnen unzufrieden mit ihrer Lage, den Entschluss fassten, während der Abwesenheit ihres Probstes, D. D. Reventlow, Kanzlers bei dem Könige Friederich, das Kloster und dessen Gebiet zu verfassen. Vor ihrem Abzuge aber hielten sie zusammen einen Abschieds-Schmaus, tanzten und jubelten mit den dazu gekommenen Gästen, und zum Lebewohl zerschlugen sie Fenster, Tische und Bänke, begingen mehrerlei Unfug, und gingen dann in Freuden davon. Als nun der Probst von seiner Reise zurück kehrte, und das ganze Kloster leer fand, weigerte er sich nichts destoweniger, sein Amt niederzulegen; denn, meinte er, obgleich die abtrünnigen Nonnen das Kloster verwirkt, hätte er darum doch nicht die Probstei verwirkt. Er behielt also lebenslänglich sein Einkommen, ward später noch Bischof zu Lübeck, und starb im Jahre 1535.“ Dieses ehemalige Kloster oder Schloss ist jetzt das Amthaus zum Amte Reinbek, und der Herr Konferenz-Rat von Scholz bewohnt es gegenwärtig als Amtmann.

Reinbek liegt zwei Meilen östlich von Hamburg — eine Viertel-Meile von Bergedorf, an dem obern Bill-Fluss, im Amte gleiches Namens. Der von Wald umgebene Ort besteht aus mehreren herrschaftlichen Wohnungen, die zum Teil sehr romantisch liegen; — einigen Erbpachtstellen — einer Menge Kathen — einer Wassermühle — und einer Ziegelei — Bei der Schlosskapelle ist ein Katechet angestellt, der zugleich die Schule unter seiner Aufsicht hat. Auch halt der Ort jährlich zwei Krammärkte, am 11ten Juni und am 15ten Oktober, wovon ersterer bei günstiger Witterung sehr stark von Hamburg und Bergedorf aus besucht wird.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Holsteinische Tourist