Friedrichs-Ruh im Sachsen-Wald

Friedrichs-Ruh ist ein großes wohleingerichtetes Wirtshaus, mit einem geräumigen Garten, und wird im Sommer von Gesellschaften aller Art aus Hamburg häufig besucht. Mit diesem bilden eine Mühle — eine Tuch-Fabrik — und verschiedene Wohnungen den Ort, der eine höchst pittoreske Lage, mitten in einer großartigen waldigen Landschaft hat. Hohe Waldanhöhen ziehen sich in einem Halbkreise um denselben herum, und gegen Westen breitet sich ein reizendes Tälchen vor demselben aus, an dessen Abhang er liegt. Die Ansicht von dem Garten aus aber über dasselbe übertrifft jene noch, und ist zugleich romantisch und erquickend. Ein verborgen liegendes Plätzchen, der lieblichste Wohnsitz der Einsamkeit und der Betrachtung; — einige verschränkte Baumstämme — ein Bächlein, das, zwischen dem Gebüsche hervorschimmernd, sanft in einer Vertiefung sich hinschlängelt, eben groß genug, dem herüberhängenden Gehölze zum Spiegel zu dienen, — das Alles bildet, von dort aus gesehen, eine so anmutsvolle Szene, dass eine solche es sicher war, nach der der Dichter sich sehnte, als ein schwüler Sommertag seiner Brust den sehnsüchtigen Ausruf auspresste:

„O quis me gelidis in vallibus Haemi
„Sistat, et ingenti ramorum protegat umbra!“
*)


*) O könnte ich weilen im kühlen Tal des Haemus,
Beschützt vom Schatten weitausgebreiteter Zweige!


Berge im Hintergrunde würden den Reiz bis zum Unbeschreiblichen erhöhen. Indes einigen Ersatz dafür liefert der Mühlenteich, über welchen die Rieseneiche, fast selbst ein Wald, ihre malerischen Äste ausbreitet, und die ihren ehrwürdigen Stamm mit seinen Wipfeln unten im Spiegel beschauend, das Gemälde vollendet.

In der Umgegend von Friedrichs-Ruh kann der Fußgänger nach allen Richtungen Spatziergänge in den Sachsen-Wald machen. Vorzüglich angenehm und als Waldgegend anziehend ist der Weg nach dem kleinen Dorfe Rotenbek, auf dem der Wanderer an allen Seiten großartige und pittoreske Wald-Szenen antrifft, und von da nach Grande, wo eine zweite Brücke über die Bille ist. Ein zweiter Weg, dem es auch an Natur-Schönheiten, besonders hübschen Baumgruppen nicht fehlt, führt nach Escheburg. Einen dritten Weg schlugen wir den andern Morgen ein, da wir die Absicht hatten, die sogenannten Riesen- Betten, oder Hünen-Gräber, die im Sachsen-Walde liegen, zu besehen. Wir verließen Friederichs-Ruh in der Frühstunde, und gingen rechts bergan, eine Tannen-Allee hinauf, bis wir an einen Kreuz-Weg kamen. Der Weg rechts führt nach der Aumühle — gerade aus nach Escheburg — und der links, welchen wir nahmen, nach dem Wald-Dorfe Bosdorf.

Alles umher verkündigte uns das Erhabene eines Waldes; — die einzeln stehenden majestätischen Buchen — das verschiedenartige Laub der Bäume — die weite Aussicht zwischen den hohen Stämmen — kleine Herden von muntern Rehen in der Ferne. — Alles bildete ein überraschendes, ausnehmend freundliches Ganze.

Bei solchen Gelegenheiten gewährt es eine angenehme Unterhaltung, zu beobachten, wie die Morgensonne durch eine Masse von Nebelschatten zuerst nur ein mattes, abgleitendes Licht auf die Gipfel der beholzten Anhöhen wirft — wie in wenig Minuten alle diese Verwirrung verschwindet — wie nun Licht und Schatten sich zu brechen und zu trennen, und eine bestimmte Form anzunehmen beginnen, bis zuletzt die Sonne, im Osten flammend, einen neuen Strahlenglanz über den ganzen Wald ausgießt, und anstatt des sanften Lichts und Schattens, alle Farben der Natur in einem hellen, bald verschwindenden Schimmer über ihn verbreitet.

Indes nicht minder unterhaltend ist es auch, die mannigfaltigen Gestalten zu beobachten, welche die Bäume bei dieser abwechselnden Beleuchtung annehmen.

Darauf eilten wir mit frohem Mute den Weg fort, um tiefer in den Sachsen-Wald zu kommen. Derselbe unserer Begleiter, dem wir die geschichtliche Anmerkung über Reinbeck verdankten, bemerkte auch jetzt, dass die Benennung Sachsen-Wald, oder Wald der Sachsen, ein treffender Beweis von dem uralten Dasein eines sächsischen Volkes sei, — Ferner, dass „der älteste Schriftsteller, bei dem man den Namen der Sachsen findet, Ptolemäus sei, welcher später als Strabo — Mela — Plinius und Tocitus, nämlich im zweiten Jahrhunderte gelebt habe, und bei welchem es heiße, dass die kleineren Chancen bis an die Elbe, darauf aber die Sachsen auf dem Nacken der cimbrischen Halbinsel wohneten, und am Ausflusse der Elbe drei Sachsen-Inseln belegen wären.“

„Im vierten und in den folgenden Jahrhunderten aber,“ fuhr er fort „war der Name der Sachsen unter den alten Schriftstellern ganz gebräuchlich; und nicht nur Flavius Eutropius — tut der Sachsen, und zwar in Verbindung mit den Franken, Erwähnung, (lib. 9. Cap. 21.) sondern auch Ammianus Marcellinus, „(lib. 27. cap. 8. § 5.) — Hieronymus — Zosimus — und andere, nennen sie als Nachbarn der Franken, so dass also schon damals unter dem Namen — Sachsen, — der ganze sächsische, Völkerstamm begriffen worden ist.“

Der Weg führt fast eine Stunde lang südöstlich und östlich durch den Wald; indem man zugleich im Rücken und vorn, und auf beiden Seiten, jedoch mit Unterbrechung, die schönste Aussicht neben sich hat. Dabei im Walde selbst die mannigfachste Abwechslung; bald geht man durch dichte Schatten säulenartiger Birken — Ellern — und Eichen, an die sich jüngere Waldung schließt, bald schlängelt sich der Fußsteig unter einzelnen 200jährigen Buchen von herrlichem Wuchs, bis man endlich auf eine Heidefläche des Waldes, malerisch umschlossen von beholzten Anhöhen, gelangt. Am Eingange in diesen Raum sieht man zuerst den zersplitterten Stamm einer alten Eiche, die vom Blitz getroffen ist, und ferner zur rechten Hand erblickt man mit ihren Totenkammern die Reihen ungeheurer, grauer Blöcke von Granitstein, aus welchem diese Art der Denkmaler der Vorzeit immer bestehen. Diejenigen unter uns, die sie nie gesehen hatten, waren voll Verwunderung über ihre riesenmäßige Größe, und über die regelmäßige Stellung, in der sie sich befinden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Holsteinische Tourist