Die Hünen-Gräber im Sachsen-Wald

Über diese Denkmäler der Vorzeit in Nord-Deutschland, deren es viele gibt, und die in der Volkssprache mit der allgemeinen Benennung — Hünen-Gräber — bezeichnet werden, möge hier etwas Näheres bemerkt werden.

Die bei weitem zahlreichste Art derselben besteht aus Hügeln, welche auf Anhöhen, freien Räumen, Flächen, abgelegenen Heiden, Bergen und in Tälern zerstreut liegen, und alle eine konische Form haben; sie sind nach Verhältnis ihrer Größe sehr symmetrisch aufgeworfen, und aus der Ferne gesehen, macht gerade dies ihre malerische Schönheit aus. Sie ragen 10 bis 20 Fuß über die Erdfläche hervor, und ihr Umfang stimmt immer genau mit ihrer Höhe überein. Ihre innere Beschaffenheit ist immer dieselbe: — in ihrer Mitte ganz unten ruht ein ungeheurer Granit-Fels auf fünf andern, die so im Kreise gesetzt sind, dass sie einen fünfeckigen Raum bilden, in welchem man immer Urnen oder Töpfe mit Asche und gebrannten Knochen angefüllt, und Gerätschaften und Waffen aller Art, von Metall und Feuerstein verfertigt, findet.


Auf dieser Heidefläche, unweit der zwei Riesenbetten oder Ehrengänge, stehen noch drei solcher Erdhügel, die geöffnet, ihres Inhalts und ihrer symmetrischen Schönheit beraubt worden sind. Hünen-Gräber dieser Art liegen im Sachsen-Walde fast in zahlloser Menge zerstreut, und viele davon sind jetzt mit herrlichen Eichen und Buchen gekrönt. Ein geheimnisvolles Dunkel umschleiert übrigens noch immer ihren eigentlichen Ursprung. Sie sind beinahe in allen Teilen der Welt, mit dem nämlichen Inhalt gefunden worden, — in Sibirien sowohl als in Irland und Wallis, — in Deutschland, Norwegen, Schweden und Dänemark, und an den Ufern des Ohio und anderer Flüsse in den Vereinigten Staaten — und in England und Schottland so gut als in der Nähe des Himalaya in Ost-Indien, und der Felsen-Gebirge Kolumbiens.

Die zweite Art dieser Hünen-Gräber ist in allen ihren Bestandteilen der ersten ganz gleich, nur dass sie ungemein viel größer sind, und viel seltener angetroffen werden. Das, bei Albersdorf unweit des Braut-Kamps in Holstein, vom Volke Heiden-Berg genannt, ist ungefähr 185 Schritte unten im Umfang, und 35 Schritte hoch.

Die dritte Art derselben, öfter ohne hinlänglichen Grund Opfer-Altäre — Opfer-Herde genannt, besteht nur aus einem Ungeheuern, rauen Granit-Block, der gewöhnlich auf fünf (denn bald sind es mehr bald weniger) anderen ruht, die so im Kreise liegen, dass ein eckiger Raum unter dem Deckel gebildet wird. Das ganze steht meistens frei und offen, zuweilen aber auch auf einer kleinen Anhöhe. Das vollständigste dieser Art in unserer Gegend ist ebenfalls bei Albersdorf auf dem sogenannten Braut-Kamp noch anzutreffen. — Ein anderer sogenannter Opfer-Herd lag noch vor einigen Jahren am Hertha-See, auf der Insel Rügen ganz unversehrt, den man, einer Volks-Sage nach, noch immer den Pfennings-Kasten nennt, weil für den Eingang in den Tempel der Hertha daraus bezahlt wurde. Von diesem ist aber der Deckel in späteren Jahren abgenommen, und der Inhalt der Toten-Kammer unter demselben, mit dem in anderen gefundenen übereinstimmend, nach Berlin geschafft. Man hat leider den Deckel nicht wieder aufsetzen lassen, weil dieses wahrscheinlich eine zu große Kraftanstrengung erfordert hatte. Um so mehr ist diese Spolierung zu bedauern, da man von dem Platze, wo dies Denkmal des Altertums liegt, den sogenannten Hertha-See überschaut, und der merkwürdige Opfer-Stein nicht fern davon liegt.

Darauf nahmen wir noch eine vierte Art von Hünen-Gräbern im Sachsen-Walde in Augenschein.

Die Riesen-Betten dieser Art halten gemeiniglich gut 50 Schritt in der Länge, und 12 Schritt in der Breite. Sie sind an beiden Enden durch raue Granit-Blocke geschlossen, und bilden mit zwei Reihen ungeheurer Felsen derselben Steinart ein längliches Viereck. Betrachtet man sie recht, so zeigt es sich, dass bei der ersten Anlegung derselben, eine schöne Ordnung beobachtet wurde; denn die großen Steine sind sorgfältig und künstlich in schnurgerader Linie hingesetzt. Der Raum zwischen den beiden Reihen von Felsmassen ist einige Fuß höher als die Erdfläche außerhalb derselben. Nahe dem östlichen Ende desselben ruht in der Mitte auf fünf anderen der große schwere Opfer-Stein. Jene ragen etwas über die Oberfläche des Raums hervor, und bilden eine Toten-Kammer, ähnlich denen der einfachen Opfer-Altare oder Hünen-Gräber. Sie sind alle ihres Inhalts schon in früherer Zeit beraubt worden, und nur die Annalisten liefern uns die Nachricht, dass derselbe mit dem der Andern überein gestimmt habe.

Das Eine dieser Riesen-Betten ist ziemlich gut erhalten, und in dieser Rücksicht merkwürdig, und höchst interessant für den Altertumsforscher, indem alle anderen Hünen-Gräber dieser Art, die man in Holstein, und auf der Insel Rügen kennt, mehr oder weniger in einer höchst traurigen Beschaffenheit sind; und, wird die Zerstörungswuth, verbunden mit Habsucht, nicht durch einen Machtspruch gehemmt, so werden in einigen Jahren alle Spuren von den Grabstätten unserer Urväter, oder der Urbewohner unseres Vaterlandes gänzlich verschwinden. Vorzüglich viele dieser zuletzt beschriebenen Grabstätten findet man bei dem Dorfe Tarbeck im Angesicht des Schlachtfeldes Bornhöved in Holstein, wo mehr als zwanzig solcher ehrwürdigen Überreste des Altertums beisammen stehen; ferner auf der Insel Rügen, unweit der sogenannten Seegen-Steine, oder der Trümmer des runden, heidnischen Tempels bei Klein-Stresow nahe dem Tannen-Walde, die von riesenhafter Größe sind.

Schließlich mag noch bemerkt werden, dass Ossians Gedichte voll von Hindeutungen auf diese steinernen Grabstätten und Hünen-Gräber sind. Ein paar Auszüge aus denselben können hier zum Beweise dienen, und werden dem Leser nicht unwillkommen sein.

Aus Colna-Dona.

„Auf das Wort des Königs gingen wir hin zum Lauf
„Des rauschenden *) Krona, — Toskar von Lutha's Flur,
„Und Ossian, junge Krieger; begleitend auch
„Mit Gesang drei Barden, man trug vor uns einher
„Gebuckelter Schilde drei, wir sollten empor
„Zum Denkmal voriger Zeit erheben den Stein.“ —
„Es hatte Fingal den Feind, beim bemoosten Rand
„Des Krona zerstreut, die Fremdlinge vor sich her,
„Wie die trübe Woge des Meers, gewälzt“. „Es sank
„Von Bergen herab die Nacht, da zum Ort des Rums
,,Wir kamen: — dem Hügel entriss ich eine Eiche,
„Und erweckte lodernde Glut; ich bat die Väter
„Herab zu schauen aus den Hallen der Wolke; hell
„Erschimmern sie gern im Wind, bei der Enkel Ruhm!“
„Ich hub aus dem Strom den Stein, umtönt von Gesang
„Der Barden, geronnen war, an dem Schlamm des Steins,
„Das Blut von den Feinden Fingals; ich legte darunter
„Drei Buckeln von Schilden des Feinds, indem der Schall
„Von Ullins nächtlichem Sang sich erhub, dann sank. —
„Es legt den Dolch in die Erde, Toskar, zugleich
„Des Panzers rasselnden Stahl; wir erhuben dann
„Den Wall um den Stein, und hießen ihn zeugen einst: —
„Du beschlammter Sohn des Stroms, der du hoch anjetzt
„Erhoben stehest, o Stein! du sollt reden einst
„Zu den Schwachen, wann das Geschlecht von Selma wird
„Erloschen seyn.“ — „Es legt sich in stürmender Nacht
„Ein Wandrer neben dich hin, es ersäusle dann
„In seinen Träumen dein Moos, und es kehr' ihm dann
„Die Zeit der Jahre zurück, die entflohen längst.“ —
„Dann steigen Schlachten empor vor ihm! und es tritt
„Ins Gefild der blaugeschildeten Fürsten Fuß.“
„Erdunkelnd schaut von dem Himmel herab der Mond
„Auf des Feldes Gewirre — der Mann fahrt auf im Licht
„Des Morgens, und sieht die Gräber der Krieger rings;
,,Er forscht nach Kunde des Mals, und ein Greis erzahlt: —“
„Von Ossian ward erhoben der graue Stein,
„So der Häupter einer war in vergangner Zeit.“

*) Krona ist der Name eines Bachs, welcher in den Carron fällt. Carron, Karum oder Karaon, (schlängelnder Strom) behält seinen Namen noch jetzt. Er ergießt sich in einen Arm des Meers, einige Meilen nordwärts von Falkirk.

Nachdem wir über eine Stunde bei diesen Überresten vaterländischer Altertümer verweilt waren, teils auszuruhen, teils die reizende Lage der Hünen-Gräber recht zu betrachten, verließen wir sie dennoch ungern, und setzten unsere Fußreise fort, um Bergedorf und die romantische Umgegend von Reinbeck und der Ober-Bille zu sehen. Zu diesem Zwecke kehrten wir auf demselben Wege aus dem Walde zurück, bis wir den vorher erwähnten Kreuzweg wieder erreichten, und gingen dann gerade bei der Aumühle und dem Dorfe vorbei, bis an die Brücke über die Bille. Diese ließen wir zur rechten Hand liegen, und verfolgten den Weg gleich links, bis wir bald eines Fußsteiges rechts gewahr wurden, der uns längs dem Saume eines abschüssigen Gehölzes, mit der Bille zur Seite, dann zwischen dichten, schönen Hecken, dann durch beschattete Haine führte, wo manche herrliche Aussicht den Wanderer überraschte. Eine natürliche Quelle, welche gleich im Anfange von der Anhöhe herunter, der Bille ihr kristallklares Wasser zuschickt, erhöht die Annehmlichkeit des Weges.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Holsteinische Tourist