Fortsetzung

Der Junge tat, wie ihn der Schimmel geheißen hatte, nahm die Rute unter der Schwelle hervor und ging fort. Nicht lange war er weg, so lag der Schimmel im Stalle und war krank, der Vogel plusterte die Federn und ließ den Kopf hängen, die Jungfer aber saß und weinte. Da kam der Junge, nachdem er sich in einen alten Arzt verkleidet hatte, unerkannt wieder an des Königs Hof und bot seine Dienste an. „Ich habe da“, sprach der König, „einen Schimmel, einen Vogel und eine Jungfer, die sind alle drei nicht recht munter, wenn du mir die kurieren könntest, so wollte ich dir viel Geld geben.“ Der Junge sagte, er wollte einmal seine Kunst versuchen, ließ sich zu der Jungfer bringen, die den Schleier über das Gesicht gezogen hatte und weinte, hob ihr mit seiner Rute den Schleier auf, und da erkannte sie ihn und ließ ihr Weinen sein. „Damit es aber gänzlich besser mit ihr wird,“ sprach der Junge, „muss sie jeden Tag auf dem Hofe die frische Luft genießen; sonst möchte sie einen Rückfall bekommen.“ Jetzt ging es zu dem Vogel. Sobald ihm der Junge mit seiner Rute über die Federn strich, hob er den Kopf, putzte sich und sprang munter in seinem Käfig umher. „Er muss aber vor die Tür in die frische Luft gehängt werden,“ sprach der Junge, „sonst möchte er einen Rückfall bekommen.“ Nachdem der Vogel kuriert war, ging's an den Schimmel. Sobald ihm der Junge nur mit der Rute über den Rücken strich, war er so munter wie vorher. „Er muss aber täglich Bewegung in frischer Luft haben,“ sprach der Junge, „sonst möchte er einen Rückfall bekommen.“ Nun ritt der Junge täglich mit dem Schimmel auf dem Hofe herum, der Vogel ward vor die Tür gehängt und die Jungfer spazierte zu ihrer Erholung in der frischen Luft herum.

Einstmals, da der Junge wieder den Schimmel ritt und die Jungfer auf dem Hofe spazierte, nahm er den günstigen Augenblick wahr, wo ihn keiner beachtete, hob die Jungfer vor sich aufs Pferd, riss den Käfig mit dem Vogel von der Wand und jagte davon, so schnell er nur immer konnte. Der König, dem das gemeldet ward, hieß sogleich seine Diener zu Pferde steigen, dass sie den Jungen verfolgen sollten; aber der Schimmel lief wie der Wind über Hagen und Zäune, so dass die, welche ihn verfolgten, bald wieder umkehrten, weil sie wohl einsahen, wie vergeblich es war, den Flüchtigen noch weiter nachzusetzen.


Der Schimmel rannte nun in vollem Galopp immer weiter und weiter über den Strom und die Brücke bis vor das Schloss, welches war verwünscht gewesen; da stand er still, als wenn er nun zu Hause wäre; als sie aber hineingingen, waren alle Zimmer fest verschlossen und war zu keinem der Schlüssel zu finden. Nun wohnten da um das Schloss herum Leute, die fragte der Junge, ob sie nicht die Schlüssel zu dem schönen Schlosse wüssten. „Nein!“ sagten die Leute, „die sind verloren gegangen; wer sie aber findet, der ist Herr des Schlosses und König über das ganze Land.“ Da ging der Junge betrübt zu seinem Schimmel und sprach: „Lieber Schimmel, wir müssen wohl weiter reisen, denn was hilft uns nun das schöne Schloss, da wir doch nicht wissen, wo dazu die Schlüssel sind.“ „Nur nicht verzagt“, entgegnete der Schimmel; „es lässt sich wohl noch Rat schaffen; als du damals mit der Jungfer über die Brücke rittest, ließ sie die Schlüssel in den Strom fallen; vielleicht kann dir der König der Fische sie wieder suchen.“ Da erinnerte sich der Junge daran, was der Fisch ihm versprochen hatte, als er ihm die Freiheit wiedergab, lief schnell an den Strom und rief: „König der Fische, König der Fische!“ Kaum hatte er das gesagt, so kam der Fisch ans Ufer geschwommen und fragte: „Was steht zu Diensten?“ Sprach der Junge: „Es ist schon eine gute Zeit her, da hat eine Jungfer ein Bund Schlüssel hier von der Brücke ins Wasser fallen lassen; wenn du mir das wieder schaffen könntest, so geschähe mir ein großer Gefallen.“ „Was in meinen Kräften steht, will ich tun!“ entgegnete der König der Fische; und alsbald rief er sein Volk zusammen und machte bekannt, so und so, zu der und der Zeit, an der und der Stelle wäre ein Bund Schlüssel von der Brücke ins Wasser gefallen und verloren gegangen, und wer das wieder fände, der sollte eine gute Belohnung haben. Sieh da! da entstand ein Gewühl und Gewimmel unter den Fischen; der eine schwamm hierhin, der andere schwamm dahin, denn jeder wollte gern die Belohnung empfangen; es dauerte auch nicht lange, so kam einer von den Fischen eilig wieder angeschwommen und meldete dem Könige: „Das Bund Schlüssel wäre da, aber es läge ein großer, allmächtiger Wallfisch darauf, der wolle nicht von der Stelle rücken.“ „Da wollen wir bald zukommen!“ sprach der König; „dazu haben wir den Sägefisch mit seiner langen Säge. Rufe mir doch mal gleich Einer den Sägefisch her!“ Der Sägefisch wurde gerufen und kam und sprach: „Was gibt’s?“ Sprach der König zu ihm: „Hör mal! So und so! Es liegt ein Wallfisch auf einem Bunde Schlüssel und will nicht von der Stelle; du kannst ihm wohl mit deiner langen Säge ein wenig in den Bauch schneiden, dann wollen wir doch mal sehen, ob der Flegel nicht rücken kann.“ Der Sägefisch schwamm fort und hin und sägte dem Wallfisch in den dicken Bauch. „Au!“ schrie der Wallfisch; „ich sage dir, du lässt das?“ Aber das half ihm nichts, er musste doch zuletzt ein wenig auflichten; da zogen die Fische das Bund Schlüssel hervor und brachten es ihrem Könige; der König gab es dem Jungen, der Junge bedankte sich und lief damit nach dem Schlosse und öffnete all die prächtigen Zimmer, und war nun Herr des Schlosses und König über das ganze Land und heiratete die schöne Jungfer; und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch bis heute und auf diesen Tag.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Herrgott als Pathe