Der Herrgott als Pathe

Autor: Wilhelm Busch (1832-1908), Erscheinungsjahr: 1910
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sagen und Märchen, Volksüberlieferungen, Aberglauben, Religion,
Inhaltsverzeichnis
  1. Fortsetzung
Es war einmal ein armer, armer Mann, dem wurde ein Knabe geboren. Da nun die Zeit kam, dass das Kind sollte getauft werden, ging der Vater aus, einen Paten zu suchen, der es über die Taufe hielte; weil aber der Mann so ganz arm war und keinen Schmaus geben konnte, so wollte ihm niemand zu Willen sein. Darüber wurde der arme Mann ganz traurig und kam in große Sorge, wie er es anstellen sollte, dass sein Kind die Taufe erhielte. Einst, da er auch in derselben Sache war über Feld gewesen und wieder ohne etwas ausgerichtet zu haben den Heimweg ging, begegnete ihm ein alter Mann, der einen grauen Kittel trug; derselbe, als er den Armen so traurig sah, redete er ihn an und fragte, was ihm denn fehlte, dass er so in Sorgen seines Weges ginge? „Ach Gott“, sprach der Arme, „mir ist ein Sohn geboren und die Zeit ist da, dass er muss getauft werden, aber niemand will des Kindes Pate sein; da bin ich nun in großer Verlegenheit.“ „Sei nur wieder guten Mutes“, sprach der graue Mann, „so es dir recht ist, will ich dein Kind wohl aus der Taufe heben.“ Das nahm der arme Mann mit Freuden an. Zur bestimmten Stunde stellte sich auch der Pate ein, und als die Taufe nun zu Ende war, nahm er von dem Armen Abschied und sprach: „Nun trage Sorge, dass der Knabe gut erzogen wird; wenn er vierzehn Jahre alt ist, so will ich wiederkommen und bringen ihm sein Patengeschenk.“ Damit ging er fort. Es war aber unser Herrgott selber gewesen, der dem armen Vater aus seiner Verlegenheit geholfen hatte.

Der Knabe wuchs nun heran und wurde so klug und lernbegierig, dass sich ein jeder darüber verwunderte.

Er wurde vierzehn Jahre alt, und sein Vater hatte schon gar nicht mehr an den grauen Mann gedacht, denn der, meinte er, würde doch wohl niemals wiederkommen und zu der Zeit schon längst gestorben sein. An dem Tage aber, da gerade die vierzehn Jahre herum waren, kam der Mann, der des Knaben Pate war, in seinem grauen Kittel auf einem wunderschönen Schimmel vor des armen Mannes Haus geritten, stieg ab und trat in das Haus hinein. „Die vierzehn Jahre sind nun herum“, sprach er zu dem armen Manne, „und ich bin gekommen, mein Wort zu lösen und deinem Sohn das Patengeschenk zu bringen, das soll mein schöner Schimmel sein; wenn der Junge den wohl achtet und pflegt und ihn um Rat fragt, wenn er etwas vorzunehmen gedenkt und immer tut, was das kluge Tier ihm sagt, so wird er niemals in Verlegenheit geraten.“ Damit ging er fort und ließ den Schimmel zurück.

Da sprach der Junge zu seinem Vater: „Nun ich den schönen Schimmel habe, will ich auch nicht mehr hier zu Hause bleiben, sondern will wegreiten in die weite Welt hinein und will sehen, dass ich mein Glück mache.“ Er nahm Abschied von Vater und Mutter, setzte sich zu Pferde und ritt fort. Nicht lange war er geritten, so sah er dicht am Wege eine Feder liegen, die glänzte wie lauter Gold und Silber. „Ei, ei! die schöne Feder will ich mir nehmen! Was meinst du Schimmel?“ sprach der Junge und stieg ab sie aufzuheben. „Lass doch die Feder,“ sagte der Schimmel, „das sind ja deine Sachen nicht!“ Sprach der Junge: „Lieber Schimmel, die Feder hätt’ ich doch gar zu gern; da kann ich schön mit schreiben und dann ist sie gewiss auch viel an Gelde wert; nicht wahr, ich nehm' sie nur mit?“ „Wenn du meinst, so tu’s!“ sagte der Schimmel, „aber das sage ich dir vorher, du tätest besser, wenn du sie liegen ließest.“ Aber der Junge kehrte sich nicht an die Warnung seines Schimmels, nahm die Feder mit und ritt weiter. – Zu Nacht kam er an den Hof des Königs, da gab er sich für einen Schreiber aus, und der König, der gerade darum benötigt war, nahm ihn in seinen Dienst. Nun schnitt er sich die schöne Feder und schrieb damit. Sie war aber so glänzend und gab so hellen Schein, dass er gar kein Licht anzuzünden brauchte, wenn er des Abends beim Schreiben saß. Das sah einer von der Dienerschaft, ging stracks zum Könige und erzählte es ihm, und der König, den es Wunder nahm, ließ den Schreiber sogleich vor sich kommen, und der musste ihm nun die Feder zeigen. Nicht sobald aber hatte der König die wunderbare Feder gesehen, als ihn auch ein heftiges Verlangen erfasste nach dem Vogel, der die Feder getragen hatte. „Die Feder ist erstaunlich schön und Goldes wert“, sprach der König, „aber schöner noch und unbezahlbar muss der Vogel sein, der die Feder getragen hat.“ „Ja!“ sagte der Junge; „wenn man nur wüsste, wo er zu finden ist.“ „Du mühest dich vergeblich mich zu täuschen“, entgegnete der König; „wo die Feder gewesen, wird auch der Vogel sein; darum so gebiete ich dir bei Leib und Leben, dass du mir den Vogel zur Stelle schaffst.“ Der Junge erschrak und machte Einwendungen, das half ihm aber alles nichts, denn der König verharrte fest auf seinem Sinn. Da ging er unmutvoll zu seinem Schimmel in den Stall und klagte ihm sein Leid und sprach: „Ach lieber Schimmel, wie will das mit mir noch werden! Nun der König die schöne Feder gesehen hat, nun will er auch den Vogel haben, der sie trug; den soll ich ihm schaffen bei Todesstrafe und weiß doch nicht, wo er zu finden ist. Was soll ich nun beginnen, das sage mir.“ „Da haben wir's!“ entgegnete der Schimmel; „hättest du damals, wie ich dir riet, die Feder liegen lassen, so wärest du jetzt nicht in Verlegenheit. Es lässt sich aber wohl noch Rat schaffen. Eine gute Strecke von hier weiß ich ein verwünschtes Schloss, darin hängt in einem goldenen Käfige der Vogel an der Wand; darum so wollen wir uns aufmachen und sehen, ob wir ihn nicht erlangen können.“ Da der Junge das vernahm, schwang er sich alsbald in den Sattel und jagte davon, den Vogel aufzusuchen. Ehe er aber zu dem verwünschten Schlosse gelangen konnte, musste er erst einen großen Strom passieren, darüber eine Brücke geschlagen war. Da er eben hinüber reiten wollte, sah er unten einen Fisch, der war mit einer Kette an das Ufer festgeschlossen und zappelte und mühte sich vergebens, loszukommen. „Wo! Schimmel!“ sprach der Junge, als er den armen Fisch so zappeln sah, stieg ab und setzte ihn in Freiheit. „Das will ich dir gedenken,“ rief der Fisch; „wenn du meiner einmal bedürfen solltest, so rufe nur: König der Fische! dann will ich dir, soviel in meinen Kräften steht, behilflich sein.“ Als der Fisch das gesprochen hatte, senkte er sich munter in die Tiefe des Wassers hinab. Der Junge aber ritt über die Brücke hinüber nach dem Schlosse hinzu, band seinen Schimmel vor die Tür und ging hinein. Er fand auch richtig das Zimmer, wo der Vogel in dem goldenen Käfig an der Wand hing, nahm ihn herab und wollte eben wieder umkehren, als er da auch eine Jungfer sitzen sah, die hielt in der Hand ein Bund Schlüssel und lag in festem Schlafe, wie wenn sie tot gewesen wäre. Sie war aber so wunderschön, dass der Junge in seinem Leben nichts schöneres gesehen hatte. Eilig lief er nun zu seinem Schimmel zurück und sprach: „Ach liebster Schimmel, den Vogel habe ich nun, aber da im Schlosse sitzt auch eine Jungfer, die ist so wunderschön, dass ich sie für mein Leben gerne mitnehmen möchte; was meinst du? Tu ich's wohl?“ „Ich sage dir,“ entgegnete der Schimmel, „lass du die Jungfer, wo sie ist; du hast immer Dinge im Kopfe, die dich nichts angehen.“ „Ach lieber, bester Herzensschimmel,“ sprach der Junge, „du glaubst gar nicht, wie schön sie ist; ich muss und muss sie haben, es mag nun kommen, wie es will“ „No ja!“ entgegnete der Schimmel; „wenn du es denn durchaus willst, so tu, was du nicht lassen kannst; aber das sage ich dir vorher, du wirst dadurch in große Ungelegenheiten kommen.“ Aber der Junge kehrte sich nicht an die Warnung seines Schimmels, trug die Jungfer, die noch immer in festem Schlafe lag, auf seinen Armen aus dem Schlosse, nahm sie vor sich aufs Pferd, band den Käfig, worin der wunderbare Vogel saß, an den Sattel und ritt in Eile dem Strome zu. Kaum war er aber in der Mitte der Brücke angekommen, so entstand hinter ihm in der Gegend des Schlosses ein schrecklich Gekrach und Gepolter, wie wenn die Erde bärste, denn das Schloss war nun erlöst, die Jungfer schrak zusammen und erwachte aus ihrem Zauberschlafe, ließ aber in demselben Augenblicke das Bund Schlüssel, das sie bis dahin in der Hand hielt, unversehens über den Brückenrand in den Strom fallen. Der Junge ritt nun, ohne sich an etwas zu kehren, an des Königs Hof zurück und brachte ihm den schönen Vogel in dem goldenen Käfig. Da aber der König die wunderschöne Jungfer sah, entbrannte er in so heftiger Liebe zu ihr, dass er von Stund an darauf bedacht war, wie er den Jungen möchte aus dem Wege schaffen. Weil er ihm nun sonst nichts anhaben konnte, so machte er allerlei falsche Vorwände und befahl ihm zuletzt bei Todesstrafe den Hof zu meiden, den Schimmel, den Vogel und die Jungfer aber zurückzulassen. Der Junge erschrak und machte Einwendungen, das half ihm aber alles nichts, denn der König verharrte fest bei seinem Worte. Da ging er unmutvoll zu seinem Schimmel in den Stall und klagte ihm sein Leid und sprach: „Ach lieber Schimmel, wie will das mit mir noch werden! Nun der König die schöne Jungfer gesehen hat, nun will er mich hier nicht länger leiden; ich soll den Hof verlassen und nichts mit mir nehmen, das hat er mir geboten bei Todesstrafe. Was fange ich nun an? Das sage mir!“ „Da haben wir's!“ entgegnete der Schimmel; „hättest du damals, wie ich dir riet, die Jungfer gelassen, wo sie war, so wärest du jetzt nicht in Verlegenheit. Nun heißt es, Schimmel, schaff Rat!“ „Ach, lieber Schimmel!“ sprach der Junge, „ich will auch von jetzt an immer folgsam sein, wenn du mir nur diesmal noch aus der Not hilfst.“ Sprach der Schimmel: „So gehe nur, wie der König befohlen, von hier fort, dann will ich mich krank stellen, und der Vogel und die Jungfer werden auch wohl traurig werden; du aber verkleide dich als alter Arzt und komm zurück und biete dem König deine Dienste an. Da unter der Schwelle liegt eine Rute vergraben, damit streiche mir, wenn du wiederkommst, über den Rücken, dem Vogel über die Federn und der Jungfer hebe damit den Schleier auf, so wird wohl alles wieder gut werden. Dann reite mich auf dem Hofe spazieren, den Vogel lass vor die Tür in die frische Luft hängen, und wenn dann die Jungfer vor die Türe kommt, so sieh zu, dass du den rechten Augenblick wahrnimmst, zieh die Jungfer zu dir aufs Pferd, nimm schnell den Vogel von der Wand und jage fort, so schnell du kannst“.

Arabisches Pferd

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