Abschnitt 7 - Die Baulichkeiten, die von diesen Mauern burgartig umschlossen wurden, waren mancherlei Art. ...

Die Baulichkeiten, die von diesen Mauern burgartig umschlossen wurden, waren mancherlei Art. Hoch über den übrigen ragte besonders die große Halle empor; sie diente bei den allgemeinen Versammlungen als Rathsstube; bei den althergebrachten, häufig wiederkehrenden Festlichkeiten fanden hier die Schmausereien und Gelage statt. Ueber den hohen Kaminen und dem künstlich verzierten Gesimms waren in dichter Reihe die glänzend geputzten silbernen und zinnernen Geschirre, das Prachtgeräth der Corporation, aufgestellt; darunter mag sich, wie wir es heute noch in hanseatischen Zunfthäusern antreffen, manch seltsamer Zierrath aus der Fremde befunden haben. Von besonderem Werthe aber müssen zwei Gemälde gewesen sein, welche sich die auch in der Heimath die Kunst gern fördernden Deutschen von einem Landsmanne, dem berühmten Meister Hans Holbein, hatten anfertigen lassen. Sie stellten als Gegenstücke in allegorischem Gewande den Triumph des Reichthums und den Triumph der Armuth dar. Auf der einen Seite der Halle erhob sich ein Thurm, die Threse oder Schatzkammer, in welcher man die pergamentenen Urkunden und besonders werthvollen Kleinodien und Kunstwerke aufbewahrte; auf der anderen lag eine steinerne geräumige Küche, wo in reichlichem Maße für den Mittagstisch an Alt- und Festtagen gesorgt wurde. Zwischen der Halle und der Mauer auf der Westseite befand sich ein Garten, in welchem die Deutschen nach ihrer Weise und Bedürfniß sich einige aus der Heimath herübergeführte Weinstöcke und feine Obstbäume angepflanzt hatten. An Sommerabenden pflegten sie dort nach der Arbeit auszuruhen, während die jüngeren Leute sich beim Ballspiel und ähnlichen Vergnügungen ergötzten. In langen Reihen aber erstreckten sich die Speicher, die Verkaufsbuden und die Geschäftslokale bis an den Fluß und nahmen bei Weitem den größten Raum des Grundstückes ein. Hier hatten die einzelnen Kaufmannschaften der deutschen Hanse ihre Comptoire, hier stapelten sie in regelmäßig vorgeschriebenen Abtheilungen ihre Waaren auf. Daran grenzten dann breite Werften mit einem hohen Krahnen, wo bei der Fluth die Wellen der Themse hinaufschlugen und die Schiffe mit ihren Frachten bequem anlegen konnten. Das war recht eigentlich eine Stätte des Weltmarkts, wo, ehe man nur von den amerikanischen Produkten etwas ahnte, die Hauptbedürfnisse der Menschen aus- und eingeladen wurden. Aus Norwegen, Rußland, Polen und den Gebieten des Hochmeisters in Preußen wurde Eisen, Holz, Hanf, Talg, Wachs und Pelzwerk eingeführt; die Ostsee selber lieferte in großen Massen ihre Fische, vor allen den Häring, der damals noch nicht in andere Gewässer ausgewandert war, den als besonderen Leckerbissen betrachteten Stör und viele Schiffsladungen voll Stockfisch, mit dem die Engländer wohl auf Feldzügen ihre Truppen zu füttern pflegten. Auch befanden sich unter den Waaren bisweilen lebendige Wesen, besonders seltene Edelfalken aus Norwegen oder Livland, wofür der englische die Jagd mit aller Leidenschaft betreibende Adel hohe Summen bezahlte. Aus den vom Rheine her kommenden Schiffen sah man manch gehaltvolles Stückfaß edlen Weins auswinden; Tücher und Leinwand, fein und grob, kamen besonders aus Flandern herüber. Der Verkehr mit Spanien und Portugal schloß sich unmittelbar an die den orientalischen Handel betreibenden Nationen Südeuropas an und vermittelte die Zufuhr von allerhand Leckereien wie Feigen, Datteln, Mandeln, Zimmt, von Farben, edlen Specereien, Medicamenten, Metallen und selbst Goldstaub und Juwelen. Von solchen Dingen verkauften die Hansen wohl weniger an ihre englischen Geschäftsfreunde, sie beförderten sie weiter nach Hamburg und Lübeck, nach Bergen und Riga. Dem Engländer aber kauften sie die Erzeugnisse seiner Viehzucht und seines Ackerbaus, Wolle und starke Rindshäute, Korn, Bier und Käse ab. Auf dem Stahlhofe sind in der That alle Handelsartikel der damals bekannten Welt umgesetzt und verladen worden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.