Abschnitt 5 - In dem Genusse derselben haben sie dann fast ein ganzes Jahrhundert verharrt, -- jenes wunderbare Jahrhundert,...

In dem Genusse derselben haben sie dann fast ein ganzes Jahrhundert verharrt, -- jenes wunderbare Jahrhundert, in welchem die Menschheit die Auffindung eines großen Continents und die Reformation der Kirche erlebt hat. Vor der Entdeckung Amerikas durch Columbus, an die sich bald die Colonien der Spanier und Portugisen im Süden, der Engländer und Franzosen im Norden anreihen, sind in Kurzem der Glanz Venedigs und Genuas und die Machtansprüche der nordischen Hanse in den Schatten getreten. In dem kühnen Trachten Jürgen Wullenwevers, von Lübeck aus noch einmal über Nordeuropa zu gebieten, haben sich auf eine kurze Frist die noch nicht geläuterten Strömungen des kirchenverbessernden Geistes mit der mercantilen Politik gekreuzt; noch einmal flackerte der Gedanke an eine hanseatische Weltmacht auf, aber rasch sank die taube Flamme in sich zusammen. Inzwischen waren dem Welthandel und dem Unternehmungsgeiste der europäischen Nationen ganz andere Wege eröffnet worden, bisher gänzlich unbekannte Produkte wurden zu den nothwendigsten Lebensbedürfnissen der Menschheit, an die Stelle der gebrechlichen Fahrzeuge, mit denen man bisher im Mittelmeere, in der Ostsee und an den atlantischen Gestaden Handel getrieben, waren ganz andere gewaltige Schiffe getreten. Die Hanse hatte sich überlebt; auch die Größe ihrer Schiffe war gewachsen; sie konnten nicht mehr wie bisher durch die Londoner Brücke hindurch segeln und ruhig vor ihrem Stahlhofe vor Anker legen. Dennoch steiften sie sich bei den gänzlich veränderten Zeitumständen auf den Buchstaben ihrer alten Vorrechte, keinem Engländer gewährten sie in der Heimath was sie selber in der Fremde genossen. Als daher einmal, besonders auf kaiserliches Gebot, englische Unterthanen aus Elbing und Stade ausgetrieben waren, verstand die große Königin Elisabeth keinen Spaß. Sie ließ von ihren Admiralen Drake und Norris, vor denen die stolzen Spanier an den Küsten der alten und neuen Welt zu zittern gelernt, in kurzer Frist einige 60 hanseatische Schiffe aufbringen und vertrieb durch königliches Decret vom Januar 1598 die deutschen Gildegenossen aus dem Stahlhofe. Die Gebäude und Werften desselben sind dann eine Weile als Admiralitätsmagazin verwendet worden, bis man sich zu Hamburg und Lübeck dazu verstand die Merchant-Adventurers unter denselben Bedingungen bei sich aufzunehmen, die den Hansen in London gewährt wurden. Von da an haben sie sich ihr altes Besitzthum so gut es ging wieder zu Nutz gemacht bis zu der großen Feuersbrunst, die im Jahre 1666 den bedeutendsten Stadttheil Londons in Asche legte. Allein ehe ich von dem Ausgange des Stahlhofs rede, ist es Zeit, so weit dies möglich ist, die Baulichkeiten und das Leben und Treiben derer, die einst darin gehaust, zu schildern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.