Abschnitt 4 - Der Anfang des 15. Jahrhunderts ist überhaupt der Höhepunkt hansischer Macht und also auch der Blüthe des Stahlhofs zu London. ...

Der Anfang des 15. Jahrhunderts ist überhaupt der Höhepunkt hansischer Macht und also auch der Blüthe des Stahlhofs zu London. Bald sollte das Emporkommen der skandinavischen Reiche und die Consolidirung des Herzogthums Burgund in den Niederlanden dem abgeschlossenen, stark egoistischen Handelssysteme des großen Städtebundes gefährlich werden. Auch die Beziehungen zu England wurden in Kurzem unfreundlicher Art. Hier hatte sich trotz der bösen Zeiten, die damals im Kampfe der rothen und weißen Rose über die Insel hereinbrachen, ein einheimischer tüchtiger Kaufmannsstand nach italiänischen und deutschen Vorbildern zu großem Reichthum entwickelt. Damals regt sich zuerst bei ihm jener mercantile Unternehmungsgeist, den man gegenwärtig unter allen Zonen des Erdballs zu bewundern Gelegenheit hat. Eine große Gilde ins Ausland handelnder Kaufleute suchte auch in den deutschen Städten der Ostsee, in Preußen und Livland zugelassen zu werden. Aber die Hansen in ihrer exclusiven Gesinnung wollten ihnen nicht die Vorrechte gewähren, welche sie selbst seit Jahrhunderten in Rußland, Skandinavien und England genossen. Mancher Merchant-Adventurer, wie man die Mitglieder jener Handelscompagnie nannte, wurde an seinem Eigenthume oder gar körperlich verletzt. Darüber kam es zu Processen, zu Repressalien und endlich gar zu Feindseligkeiten. Mehrere Jahre lang wüthete ein erbitterter Seekrieg, von dem wir uns bei dem gegenwärtigen Verhältnisse der hanseatischen zur großbritannischen Schifffahrt nur schwer eine Vorstellung machen können. Einmal wurde eine Flotte von 108 Segeln, die sämmtlich in Lübeck und Riga zu Hause waren, auf der Heimkehr aus Spanien, schwer beladen mit Salz und Südfrüchten, im Kanal von den Engländern aufgebracht. Dafür nahmen denn die großen Bergenfahrer Lübecks wieder Rache, verwegen kreuzten sie lange in der Nordsee umher und brachten manche treffliche englische Prise auf, mit Tuch und anderer werthvollen Waare geladen. Darunter litt natürlich der Handel in ganz Nordeuropa ungemein; umsonst seufzten die Länder nach Frieden und verhandelten die Regierungen durch ihre Gesandten. Hartnäckig bestanden die Hansen und der mit ihnen verbündete Hochmeister von Preußen auf ihre alten Privilegien, während die Engländer, da man ihnen nicht Gleiches mit Gleichem vergelten wollte, von ihnen forderten, daß sie nunmehr in England dieselbe Abgabe auf Wein und Wolle entrichten sollten, welche von allen andern die englischen Märkte besuchenden Fremdlingen erhoben wurde. Sie sträubten sich mit Händen und Füßen und wurden endlich im Jahre 1469 von den königlichen Gerichtshöfen zu einer Buße von 13,520 Pfd. Sterl. verurtheilt. Viele Mitglieder des Stahlhofs saßen in Haft, die alte Genossenschaft lief Gefahr ihre Corporationsrechte und den Grundbesitz auf immer zu verlieren. Zu gleicher Zeit war im Schooße des Hansebundes selbst Zwist ausgebrochen: Köln und der Westen zankten mit Lübeck und dem baltischen Osten. Ein jäher Sturz vor der Zeit war nicht unmöglich, hätte nicht das Parlament zu Westminster zuerst die Hand zum Frieden geboten. Das Haus der Gemeinen ließ sich in seinen Bemühungen zur gütlichen Ausgleichung des Streits selbst dann nicht beirren, als bewaffnete Schiffe von Bremen, Hamburg und Danzig, unter der Flagge Karls des Kühnen von Burgund einhersegelnd, mehrere Stellen der englischen Küsten angefallen hatten. Eduard IV. endlich gebührt das gerechte Lob im Jahre 1474 den Frieden von Utrecht zu Stande gebracht zu haben, in welchem allen Theilen Genugthuung geschehen, den Hansen aber, so weit es die veränderten räumlichen und zeitlichen Verhältnisse gestatteten, Recht und Besitz ungeschmälert zurückgegeben sind.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.