Abschnitt 3 - Hinfort wohnten die Kaufleute vom Rhein und die von der Nord- und Ostsee harmlos bei einander und genossen gemeinsam ...

Hinfort wohnten die Kaufleute vom Rhein und die von der Nord- und Ostsee harmlos bei einander und genossen gemeinsam die bedeutenden an ihre Gildhalle geknüpften Vorrechte. In ihrer emsigen Thätigkeit kamen ihnen die Engländer noch nicht gleich; reicher als sie waren allein die italiänischen Wechsler, welche damals die bis auf diesen Tag noch von Banquierhäusern angefüllte Lombardstreet bewohnten. Dem Wuchergeschäfte abhold, betrieben die Deutschen dagegen fast ausschließlich die Spedition; auf ihren eigenen Schiffen führten sie die rohen Produkte Norwegens und Rußlands, so wie aus Spanien und Portugal die Früchte des Südens ein. Ein bedeutender Aufschwung ihres Handels geschah zu Anfang der glänzenden Regierung des mächtigen Königs Eduard III. Der große langjährige Kampf, den dieser Fürst um die Krone von Frankreich führte, erforderte auch ganz außerordentliche Mittel. Seine engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem deutschen Kaiser Ludwig IV. und den niederländischen Fürstenhäusern richteten seine Blicke wegen Anknüpfung politischer und commerzieller Verbindungen bald ausschließlich nach dem Reiche. Im Sommer 1338 reiste Eduard selbst an den Rhein, verweilte in Köln, wo er den eben vollendeten Chor des herrlichen Doms anstaunte und reich beschenkte, und verhandelte mit seinem Schwager dem Kaiser in Koblenz. Aber nach wenigen Jahren überstiegen die seinem eigenen Lande abverlangten Kriegssteuern die zugänglichen Kräfte desselben, eine gewaltige Noth ergriff den Geldmarkt in England, Flandern und Italien; der Mittelpunkt der italiänischen Wechselgeschäfte, die berühmte Handelssocietät der Barden zu Florenz, fallirte, in ihrem Conto stand der König von England mit einer Million Goldgulden angeschrieben. Diesen Moment haben die Hansen klug zu nutzen gewußt, immer wieder sind sie dem Könige in seiner Noth beigesprungen. Wolle und Leder bildeten damals bekanntlich die einträglichsten Erzeugnisse des in so vielen Stücken gesegneten Englands; nach der auf feste Schutzzölle gegründeten Handelspolitik des Königs durfte vor allen die Wolle während des Kriegs mit Frankreich nur nach einer Richtung, nach Flandern hin ausgeführt werden. Niemand anders war geeigneter als die Hansen sie nach den reichen flämischen Städten zu verschiffen; die fertigen Zeuge und Tücher gingen dann vor allen über Köln weiter ins Inland. Für solche Vergünstigung streckten die Mitglieder der deutschen Gildhalle immer wieder neue Summen vor. Die reichen Häuser des Tidemann von Limborg, der Gebrüder Kaula, der Clippings u. A. hatten damals eine Bedeutung in London wie gegenwärtig Rothschild und Baring. Als Pfand war sogar die Verwaltung der Ausgangszölle in den Hafenstädten in ihren Händen; jener Tidemann von Limborg erhielt auf eine Reihe von Jahren die kostbaren Zinngruben in der Grafschaft Cornwall, die zu dem Regal des Prinzen von Wales gehörten, überwiesen. Die Krone Eduards und das Krönungsgeschmeide seiner Gemahlin waren längere Zeit in der Stadt Köln versetzt; nach einer noch im Staatsarchive des Towers zu London vorhandenen Correspondenz war der König, als diese kostbaren Pfänder fällig geworden, nicht im Stande sie zu lösen; da streckten jene Stahlhofsgenossen abermals neue Summen darauf vor, ließen die Juwelen nach England kommen und stellten sie dem Könige zurück. Immer von neuem konnte er 20 oder 30,000 Pfd. Sterl. bei jenen Häusern aufnehmen, Summen, deren damaligen, vollen Werth wir heute nur durch eine Multiplikation mit 15 erkennen können. Es sind daher die großen Schlachten des Schwarzen Prinzen, die Siege von Cressy und Poitiers in nicht geringem Maße mit der Hülfe deutschen Fleißes und deutschen Kapitals gewonnen worden; unsere Landsleute sind nicht schüchtern gewesen, sich so große Dienste durch neue bedeutende Privilegien ihrer Faktorei belohnen zu lassen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.