Abschnitt 12 - Doch genug der Züge aus einem Leben, das, so lange es den Zeitumständen angemessen war, ...

Doch genug der Züge aus einem Leben, das, so lange es den Zeitumständen angemessen war, gewiß von Vortheil und Segen begleitet gewesen ist. Noch ist des Endes zu gedenken, das der Stahlhof gefunden. Wir haben gesehen, wie sich die Hanse und ihre Faktorei in England bereits im 16. Jahrhunderte überlebt hatten. Das Geschick der letzteren erhielt eine bedeutende Wendung durch den großen Brand von London im September 1666, der gleich den besten Theil der Stadt, auch den Stahlhof in Asche legte. Als darauf die englische Regierung zögerte die Privilegien der Gesellschaft zu erneuern, bestanden die Genossen abermals hartnäckig auf ihr gutes altes Recht und erhielten in der That nach einigem Prozessiren von Karl II. eine Bestätigung ihres uralten Freibriefs. Der Neubau, den sie nun aufführten, ist viel anspruchsloser als die alten festen Mauern, Hallen und Gewölbe gewesen; nur für den Stahlhofsmeister wurde ein Wohnhaus errichtet, der ganze übrige Raum zu Packhäusern und Werften verwandt, nicht viel anders, wie sie auf beiden Ufern der Themse genug vorhanden sind. Die Hansa bestand nur noch in der Erinnerung, ihrer ausländischen Comptoire bedurfte sie nicht mehr, die Stellung der fremden Kaufleute in England war namentlich seit Cromwells großen handelspolitischen Maßregeln eine ganz andere geworden. Die Stahlhofsgenossen konnten daher ihr Eigenthum in London selber nur zum kleinsten Theile nutzen und haben es seitdem stückweise zu verschiedenen Waarenlagern an Londoner Kaufleute vermiethet. Obwohl der Werth des Grundstücks und der Miethzins die Kosten der Verwaltung reichlich deckte, so ist das Eigenthum den freien Städten Lübeck, Hamburg und Bremen, den Erben des einst so mächtigen Hansebundes, doch bisweilen zur Last geworden; nach längeren Unterhandlungen zwischen den betreffenden Regierungen und ausführlicher Erforschung der historischen und rechtlichen Verhältnisse ist der Stahlhof endlich im Jahre 1853 für 72,500 Pfd. Sterl. an einige englische Spekulanten verkauft worden.

Doch bis auf diesen Tag und hoffentlich noch auf lange Zeiten hin verdanken die in London lebenden Deutschen, deren es gegenwärtig über 50,000 geben mag, dem alten Korporationsgeiste der Stahlhofsgenossen nicht hoch genug zu schätzende Güter. Als nach dem Brande auch der Stahlhof noch einmal aus der Asche erstand, kamen die damaligen Vorsteher und Meister beim Könige Karl II. um die Gnade ein, ihnen, da mehrere der kleinen Stadtkirchen nicht wieder aufgeführt werden sollten, eine derselben zu überlassen. Ein königlicher Freibrief trat ihnen im Jahre 1673 die kleine Dreifaltigkeitskirche nahe bei ihrem Hofe ab, sie bauten sie auf und konnten von nun an den protestantischen Gottesdienst in ihrer Muttersprache halten. Die Kirche zur Dreifaltigkeit ist mit Ausnahme der deutschen Hofkapelle die Mutter der übrigen drei oder vier protestantisch deutschen Kirchen in London.


Der deutsche Kaufmann lebt nun dort nach wie vor, freilich nicht mehr auf dem Stahlhofe; oft steht er in der Blüthe seines Geschäfts ganz dem Einheimischen, in einzelnen Beispielen sogar den höchsten glänzendsten Erscheinungen gleich. Aller mittelalterliche Zwang ist dahin, freie Concurrenz steht auch dem Fremdlinge offen. Es ist ein schönes Zeichen, daß darum auch der Gemeinsinn und die Erinnerung an die gemeinsame Heimath nicht verschwunden sind, wenn wir seit einigen Jahren, hauptsächlich auch durch freiwillige Beiträge der deutschen Kaufleute in London, dort ein vortrefflich geleitetes deutsches Hospital aufblühn und die ungetheilte Aufmerksamkeit der Engländer erregen sehen, wo bei der Aufnahme eines Kranken nur eins von ihm gefordert wird, nämlich daß er unsre Muttersprache rede.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.