Abschnitt 11 - Die Pflichten gegenüber der Obrigkeit der Stadt und des Landes waren durch alten Gebrauch scharf vorgezeichnet ...

Die Pflichten gegenüber der Obrigkeit der Stadt und des Landes waren durch alten Gebrauch scharf vorgezeichnet und wurden ängstlich beobachtet. So war z.B. das Instandhalten der Waffen keineswegs unnütz: die Deutschen waren gebunden an der Vertheidigung der Stadt Theil zu nehmen, alten Verträgen zufolge mußten sie das nach Norden führende Thor Bishopsgate in dauerhafter Wehr erhalten, und, sobald es die Umstände verlangten, bewachen und vertheidigen. Das alte Bischofsthor war daher, wie es uns beschrieben wird, ein Werk deutscher Baukunst, dessen von oben herab schauende Statuen: ein Bischof segnend in der Mitte, rechts König Aelfred und links sein Eidam der Earl Aethelred von Mercia, wieder an die graue sächsische Vorzeit gemahnten. Noch bis in die protestantischen Zeiten hinein, als die Stadt London von keinem Feinde mehr bedroht wurde, haben die Hansen an Erfüllung dieser alten Pflicht festgehalten.

Noch wichtiger waren im Laufe der Zeit die freiwilligen Lasten geworden, die sie sich auferlegten, um ihre bedeutenden Vorrechte, die hauptsächlich in der Geringfügigkeit der von ihnen entrichteten Zölle bestanden, zu wahren. Da kam es sehr auf Geschenke in Geld und Materialien an. Dem Lordmayor wurden jedesmal zu Neujahr 15 Goldnobel überreicht, in ein Paar neue Handschuh eingewickelt, die uns unwillkürlich an die bereits mitgetheilte seltsame Abgabe zur Sachsenzeit erinnern. Besonders beliebte Lordmayors erhielten außerdem ein Fäßchen vom besten Caviar zum Geschenk, oder einige Tonnen mit Häringen oder einen Centner polnischen Wachs. Auch die Rechtsconsulenten, welche die Genossenschaft meist aus der Anzahl der Kronadvokaten, der Serjeants at law wählte, empfingen außer ihrem Gehalte ähnliche annehmbare Geschenke. Aus einem aus der Zeit der Königin Elisabeth herrührenden Rechnungsbuche ersieht man, wie sehr diese Präsente an die Behörden der Stadt und sogar an die Minister der Krone stehend geworden waren. Die Beamten der Post, der Admiralität, der Staatskanzlei, des auswärtigen Amts sind alle mit ihren Neujahrsgaben angeschrieben; den Zollinspektoren auf dem Hauptzollamte flossen einige 20 Pfd. Sterl. zu, um sie vermuthlich bei der gelinden und nachsichtigen Ausübung ihrer oft verfänglichen Pflicht zu erhalten. Eine nicht unbeträchtliche Summe ist für die Trinkgelder, kleinen Gaben von Leckerbissen und Wein und für die Handschuhe festgesetzt, in welche man stets zartfühlend die Goldstücke einwickelte.


Dadurch wurden denn vielfache freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Die Osterlingen (Easterlings), wie der Engländer die deutschen Hansen nannte, galten ihm bei öffentlichen Gelegenheiten oft geradezu für seine Mitbürger. Bei großen prunkvollen Festen, wie sie die Stadt London ja bis auf diesen Tag in abenteuerlichen Aufzügen zu begehen pflegt, fehlten daher auch die ehrbaren, angesehenen Hanseaten nicht. Schon als der junge Heinrich VI. im Februar 1431 aus Paris kam um zu Westminster gekrönt zu werden, und der Lordmayor, die Sheriffs und Aelterleute zu Pferde und in Scharlach und Hermelin auszogen ihn einzuholen, ritten, wie der Dichter Lydgate in einem Festliede schildert, die Osterlingen unmittelbar hinter den Beamten der Stadt, auf zierlichen Pferden, geführt von ihren Vorständen und Meistern.

An bestimmten Tagen des Jahrs feierten sie dann auch Feste bei sich zu Hause. Es war besonders der 4. December, der Tag der heiligen Barbara, an welchem, nachdem man vorher in Allerheiligen dem Gottesdienste beigewohnt, die feierliche Jahresmahlzeit in der großen Halle gehalten wurde. Doppelt blank waren dann die Schaugefäße geputzt, die Wände mit Teppichen geschmückt. Die Meister saßen an der Hochtafel, die Gesellen etwas niedriger an langen Tischen; unter den Gerichten durfte von Alters her der Kabeljau nicht fehlen. Vor allen andern Gästen wurden jährlich der Pfarrer von Allerheiligen und der Pförtner des königlichen Gerichtshofs der Sternkammer eingeladen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.