Abschnitt 10 - Das wären also die Gebäude des Kaufhofes; es bleibt nur noch übrig von dem Leben der Genossenschaft und ihrer Mitglieder ...

Das wären also die Gebäude des Kaufhofes; es bleibt nur noch übrig von dem Leben der Genossenschaft und ihrer Mitglieder so viel mitzutheilen, als uns interessiren kann. Dieser kleine Staat im Staate hatte natürlich auch seine Verfassung, die in ihren Formen der Zeit ihrer Entstehung und den mittelalterlichen Zuständen entsprach. Die sämmtlichen wirklichen Mitglieder der Korporation, die Meister, hatten bei den Versammlungen, in denen man alle seine Interessen wahrte, volles Stimmrecht. Alljährlich wählten sie aus sich selbst einen Aeltermann, der mit zwei Amtsgehülfen und einem Ausschusse von neun Mitgliedern die Verwaltung in Händen hatte. Bei der Wahl jedoch wurde ängstlich darauf gesehen, daß die Vertreter aller einzelnen Hansestädte der Reihe nach in den Ausschuß kamen. Unter dieser Leitung wurden in der sogenannten Morgensprache die Angelegenheiten der kleinen Welt verhandelt und die darauf bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen getroffen. Fast klösterlich war die Zucht des Orts: alle im Stahlhofe selbst lebenden Meister und Gesellen, sogar der Hauswart mußten unverheirathet sein. Scharfe Vorschriften bezweckten dauernde Ordnung und Ruhe. Schimpfworte, Schläge und andere thätliche Verletzungen waren mit hohen Geldbußen belegt; harte Strafen standen auf Trunkenheit, Würfelspiel und unsittliche Aufführung. Um neun Uhr des Abends wurden die Pforten geschlossen und keinem während der Nacht aufgethan. Ein jeder Meister war verpflichtet auf seiner Kammer Helm und Harnisch und alle zur vollen Rüstung gehörigen Waffen in gutem Stande zu erhalten. Diese Vorschriften bezweckten aber sämmtlich eine strenge Wahrung der rechtlichen Beziehungen zu dem Lande, in welchem man die Gastfreundschaft genoß. Es kam darauf an, niemals selber den Anstoß zu einem Zwiste zu geben. Als Vermittler bei allen Streitigkeiten oder civilrechtlichen Fällen mit den Einheimischen wählte man sich daher auch immer einen der 12 Aeltermänner der City von London oder gar den Lordmayor selbst zum Schiedsrichter. Bei Criminalsachen wurden die Geschworenen, wie das ja auch noch heute bei der gemischten Jury in England der Fall ist, zur Hälfte aus Engländern, zur andern aus den Deutschen gewählt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.