Abschnitt 1 - Sie müssen mir erlauben, die Hauptmomente desselben aus der Geschichte des Stahlhofs hervorzuheben. ...

Sie müssen mir erlauben, die Hauptmomente desselben aus der Geschichte des Stahlhofs hervorzuheben. Lange ehe noch die deutschen Städte zu dem weltberühmten Bunde der Hanse zusammentraten, und ehe der Grund zu ihren fernen Handelsfaktoreien in Rußland, Skandinavien, Flandern und Portugal, zu Nowgorod, Wisby, Bergen, Antwerpen und Lissabon gelegt war, muß es eine Korporation deutscher Kaufleute an der Themse gegeben haben. Eine Urkunde des Sachsenkönigs Aethelreds II., der von 978 bis 1016 herrschte, sichert den Leuten aus den Landen des Kaisers, welche mit ihren Schiffen nach England fahren, dieselben Handelsrechte zu wie sie die Einheimischen besitzen, wofür sie zu Weihnachten und zu Ostern je zwei Stück graues und ein Stück braunes Tuch, zehn Pfund Pfeffer, fünf Paar Mannshandschuh und zwei Fäßchen Essig als Abgabe zu entrichten haben. Daß kein Geld verlangt wird, sieht ganz wie die althergebrachte Leistung einer Gilde aus, von deren Mitgliedern außerdem angenommen wird, daß sie auch in England überwintern. Dann hören wir erst wieder in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, wie Heinrich II. der erste Plantagenet, die Leute von Köln nebst dem von ihnen in London besessenen Hause und allen darin befindlichen Waaren in seinen besonderen Schutz nimmt und ihnen gestattet ihren Rheinwein, den sie damals schon in London zu Markte brachten, für denselben Preis zu verkaufen, zu dem man dort den französischen Wein ausbot. Als späterhin Richard Löwenherz aus der Gefangenschaft Kaiser Heinrichs VI. entlassen wurde und froh gleich einem wilden Vogel, der dem Käfige entkommen, in die Heimath eilte, rastete er einen Tag in Köln, ließ sich im Dome ein Hochamt feiern und dankte den Bürgern für den ihm bereiteten Empfang, indem er ihnen die Jahresrente von zwei englischen Schillingen, die sie für ihre Gildhalle in London zu entrichten hatten, auf immer erließ. Es sind also die Leute des Kaisers, vor allen die Kölner, denen in London ein Haus gehörte, das wie heute noch das Stadthaus der City daselbst den altsächsischen Namen einer Gildhalle trug.

Allein es dauert nicht lange, so werden die Angehörigen noch anderer deutschen Städte an den Ufern der Themse erkennbar; bald war der Hansebund im Entstehen. Es sind die Zeiten der großen für das Reich so verhängnißvollen Kämpfe zwischen den Hohenstaufen und Welfen; dadurch daß Heinrich II. von England eine seiner Töchter an Heinrich den Löwen vermählte, hatte er seiner Dynastie eine welfische Politik vorgezeichnet. Diesem Principe aber, das an der Zertrümmerung deutscher Einheit so unendlich viel Schuld trägt, verdanken die Städte Italiens so gut wie die des südlichen und nördlichen Deutschlands ihr wunderbar rasches Aufblühen zu fast autonomen Communen. Die Wahl Kaiser Ottos IV., desjenigen Welfen, der zum ersten Male die Hohenstaufen verdrängt, wurde mit Hülfe seines Oheims des löwenherzigen Richard und des von ihm gezahlten englischen Geldes durchgesetzt. Fest hielten die Kölner zu ihm; selbst nach der großen Schlacht bei Bouvines, wo Otto nebst Johann ohne Land von französischen Waffen und hohenstaufischer Politik besiegt wurde, wollten sie nicht von ihm lassen. Als dann der große Kaiser Friedrich II. nach langer wechselvoller Regierung gestorben und seine Nachkommen bald nach ihm ihr tragisches Ende gefunden hatten, erscheint unter den Thronprätendenten des gespaltenen Reichs als Vertreter der welfischen Ideen geradezu ein Prinz aus dem Hause Plantagenet, Richard von Cornwall, der Bruder des englischen Königs Heinrich III. Ihm verdankt die Hanse ihre Anerkennung in England. Schon König Johann hatte die Bremer ausdrücklich mit denselben Rechten wie die Kölner zugelassen; ihnen folgen jetzt die Hamburger, die Leute von Lübeck, bald hernach Vorort der Hanse, die von Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald. Die Kölner, eifersüchtig auf dieses Herbeidrängen der Norddeutschen, mochten noch so viel grollen, im Jahre 1260 wird allen gemeinsam von Heinrich III. ein großer Freibrief ausgestellt, allen Kaufleuten von Alemannien, die das Haus zu London besitzen, welches die deutsche Gildhalle heißt, die Aula Teutonicorum.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Hansische Stahlhof in London.