Vor dem Hause des Herrn von Villefort hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt; galt es doch,

Vor dem Hause des Herrn von Villefort hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt; galt es doch, heut ein seltenes Schauspiel mit anzusehen: ein doppeltes Leichenbegängnis. Die zahlreichen Zuschauer wurden auch nicht um ihre Erwartung betrogen; das Begräbnis wurde mit all dem Pomp vollzogen, wie es der Würde der vornehmen Persönlichkeiten entsprach, die Herr und Frau von Saint-Méran gewesen.

Unter all den Leidtragenden war aber wohl niemand, der so aufrichtige Trauer trug wie die arme Valentine, die nicht nur den Verlust der liebenden Großeltern zu beklagen hatte, sondern sich in zwiefacher Not befand, da der Gedanke an eine etwaige Vermählung mit Franz von Epinay immer von neuem gleich einem Schreckgespenst vor ihr auftauchte.


Der feinfühlige Franz sah den Schmerz des jungen Mädchens mit scheuer Ehrfurcht an.

Valentine hatte sich nicht geirrt. Kaum vom Begräbnis heimgekehrt, forderte Herr von Villefort seine Tochter auf, den Willen der Verstorbenen zu ehren und sich zur bürgerlichen Trauung sofort in den Salon zu begeben.

Valentine vermochte sich kaum auf den Füßen zu halten. Angstvoll irrten ihre Blicke durch den Saal, ob denn nirgends Hilfe nahe.

Da tat sich plötzlich die Tür auf, und Herr Noirtier wurde in seinem Rollstuhl hereingefahren. Seine klugen, ausdrucksvollen Augen blickten prüfend über die Versammelten hin und blieben an der hübschen, schlanken Erscheinung Franz von Epinays haften. Barrois, der alte Diener Noirtiers, aber überreichte dem jungen Manne ein Schriftstück. Dieser nahm es voller Staunen, las es - und taumelte dann zurück: »Wie! Sie, Herr von Noirtier, haben damals am 5. Februar 1815 meinen Vater im Duell getötet, als er den bonapartistischen Klub verließ? -- Und Sie, Herr von Villefort, wollten mir Ihre Tochter... O Gott!« Franz griff sich verzweifelt an die Stirn, Herr von Villefort aber stürzte aus dem Saal mit einem Fluch im Herzen, der dem Funken Leben in dem gelähmten Körper galt, der dort im Rollstuhl saß.

Es war eine Verwirrung sondergleichen. Valentine benutzte die Gelegenheit, um heimlich in die verborgene Gartenecke zu flüchten, wo Maximilian Morrel ihrer harrte. Vorsichtig geleitete sie ihn in die Wohnung des Großvaters, wo die beiden Liebenden unter heißen Tränen dem Greise dankten, daß er sie so machtvoll in seinen Schutz genommen.

Gleich nach diesem Besuch hatte Herr von Noirtier noch einen anderen empfangen: Frau von Villefort war's, die da kam, um den alten Herrn in selbstlosester Weise zu bitten, seine Enkelin nun, wo sich die Heirat mit Franz von Epinay zerschlagen, wieder zu seiner Universalerbin einzusetzen.

Finster blickte der Greis auf die Schwiegertochter, als sähe er ihre Beweggründe nicht ganz klar; dann aber winkte er mit den Augen ein Ja.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Graf von Monte Christo