Die Wohnung der jungen Griechin war ganz für sich abgeschlossen. Die Einrichtung völlig orientalisch.

Die Wohnung der jungen Griechin war ganz für sich abgeschlossen. Die Einrichtung völlig orientalisch. Fußboden und Wände bedeckten kostbare Teppiche und ein breiter Diwan zog sich ringsherum, auf dem ein Haufen von seidenen Kissen lag.

Haydee ging dem Grafen freudig entgegen. Ihr Anzug war sehr malerisch: Pumphöschen aus weißem Atlas mit rosenfarbenen Blumen durchwirkt, eine blau und weiß gestreifte Seidenjacke mit weit geschlitzten Ärmeln, dazu einen leuchtendfarbigen Gürtel mit langen, seidenen Fransen. Den Kopf bedeckte eine mit Gold und Perlen gestickte kleine Mütze, die kaum die Fülle des herrlichen, blauschwarzen Haares zu bergen vermochte.


Was die Schönheit des Gesichtes betrifft, so bot sie den griechischen Typus in ganzer Vollkommenheit. Große, schwarze Augen, eine marmorne Stirn, Korallenlippen und Perlenzähne.

Über dieses reizende Gebild ergoß sich die Blüte der Jugend mit all ihrem Glanz, Haydee mochte neunzehn oder zwanzig Jahre zählen.

Als sie Monte Christo sah, rief sie:

»Was bittest du um Erlaubnis, bei mir eintreten zu dürfen? Bist du nicht mein Herr? Bin ich nicht mehr deine Sklavin?«

»Haydee,« entgegnete der Graf, »du weißt, daß wir in Frankreich sind, und folglich bist du frei.«

»Frei -- und was soll ich damit?« fragte das junge Mädchen.

»Du kannst mich verlassen.«

»Dich verlassen ... dich verlassen?«

»Wenn du unter den jungen Leuten, die du hier antreffen wirst, einen Mann fändest, der dir gefiele, so ...«

»Ich habe noch nie einen schöneren Mann gesehen, als du bist, und nie einen andern geliebt als meinen Vater und dich.«

»Armes Kind,« sprach Monte Christo, »du kennst ja niemanden außer uns beiden. Jetzt aber wird das anders werden; solch eine orientalische Abgeschlossenheit wird hier in Paris nicht mehr möglich sein. Lerne das Leben in unsern nördlichen Ländern kennen, wie du es in Rom, Florenz, Mailand und Madrid getan hast, das wird dir nur von Nutzen sein, ob du nun hierbleibst oder nach dem Orient zurückkehrst.«

Das junge Mädchen sah den Grafen mit großen, feuchten Augen an: »Oder, daß ›wir‹ nach dem Orient zurückkehren.«

»Ja, meine Tochter,« erwiderte Monte Christo; »du weißt es wohl, ich werde dich niemals verlassen. Es ist nicht der Baum, der sich von der Blüte trennt, sondern die Blüte, die sich vom Baume löst. Doch eins bitte ich dich, mein Kind: sprich nie von deiner Vergangenheit. Im übrigen tu, was dir behagt, freu' dich deines Lebens ...«

»Herr, werde ich dich öfter sehen?«

»Alle Tage.«

»O Herr, was brauche ich mehr?«

»Ich fürchte, du wirst dich langweilen.«

»Nein, Herr, denn am Morgen denke ich, daß du kommen wirst, und am Abend erinnere ich mich, daß du hier warst; wenn ich sonst allein bin, so sind es Erinnerungen, die mich beschäftigen. Mit drei Gefühlen im Herzen langweilt man sich nie: Trauer, Liebe und Dankbarkeit.«

»O Haydee, du echtes Kind deiner Heimat! Sei ruhig: ich halte meine Hand über dich. Wenn du mich liebst wie deinen Vater, so sollst du mir wie ein Kind lieb sein.«

»Du irrst, Herr, ich liebte meinen Vater nicht so, wie ich dich liebe; meine Liebe für dich ist eine andere; mein Vater starb -- ich bin nicht gestorben; wenn du aber stürbest, dann wäre alles aus.«

Der Graf reichte dem jungen Mädchen die Hand mit einem Lächeln voll tiefer Zärtlichkeit; sie preßte sie, wie gewöhnlich, an ihre Lippen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Graf von Monte Christo