Der Geist auf Blangenmoor

Autor: Ueberlieferung
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Auf Blangenmoor bei Eddelak in Süderdithmarschen wohnte vor vielen hundert Jahren ein reicher Bauer namens Buhmann, der zugleich Landmesser war. Der Mann führte ein ruchloses Leben, hatte einen Meineid geschworen, als Armenvorsteher Geld unterschlagen, hatte Land falsch abgemessen und sonst noch allerhand üble Taten verübt. Deshalb fand er nach seinem Tod keine Ruhe im Grab und mußte als Geist auf Erden umherirren. Die Nachbarn konnten nicht schlafen, denn Nacht für Nacht rumorte der Geist in seinem früheren Hause umher. Da riefen sie den Pastor Hellman aus Marne zu Hilfe. Dieser verstand sich darauf, Geister zu bannen.

Buhmann erklärte sich auch bereit, aus dem Hause zu weichen, nur bat er, ihn aufs trockene Land zu verweisen und nicht auf die Watten ins Haff. Denn von dort könne man niemals wieder zurückkommen. Der Pastor gewährte diese Bitte und verwies ihn auf die große Heide auf der Geest, wo sich noch viele andere Geister aufhielten. Dort sollte Buhmann einen bestimmten Platz ausmessen. Alle sieben Jahre durfte er um einen Hahnentritt seinem Hause näher kommen.

Eben langte der Geist an dem Ort seiner Verbannung an, als ein Bauer von Helserdeich bei Marne mit einer Fuhre Torf von der Geest herunterkam. Buhmann sprang gleich hinten auf. Der Wagen wurde dadurch sehr schwer. Nur mit Mühe kam der Bauer nach seinem Hof. Buhmann aber begann sein Poltern wie früher, ja, er trieb,s noch viel ärger. Man rief wieder den Pastor, der ihn abermals auf die Heide verbannte. Aber der Geist floh nun auf einer Henne nach dem Fahrstedter Deich. Das konnte er, weil der Pastor ihn draußen auf dem Felde zur Rede stellte, was er nicht hätte tun sollen. Doch nicht lange darauf ertappte der Pastor den Geist Buhmanns abermals, und zwar in einer Wohnstube, und fragte ihn, wie er sich habe unterstehen können, zurückzukehren. Buhmann antwortete, er sei zu Wagen heruntergekommen, das Fahren sei ihm ja nicht verboten gewesen.

Da drohte der ergrimmte Pastor, ihn ins Haff zu bannen, wo niemand ihn wieder erlösen würde. Der Geist wurde jetzt frech und versuchte zu zeigen, daß der Pastor auch ein großer Sünder sei: einmal habe er drei Roggenähren abgerissen. Der Pastor antwortete, das sei unversehens mit den Schuhschnallen geschehen, als er durch ein Feld ging. Dann beschuldigte ihn der Geist, daß er einmal einem Bäcker einen Stollen genommen habe, ohne zu bezahlen. Aber der Pastor erklärte, er habe das Geld dafür gleich nachher in die Bäckerei gebracht.

"Aber", sagte der Geist, "du hast einmal ein Mädchen geküßt, wozu du kein Recht hast."

Der Pastor entgegnete: "Das geschah aus wirklicher Liebe."

Nun wußte der Geist nichts mehr vorzubringen, und der Pastor bannte ihn ins Haff und gab ihm auf, den Sand auf den Watten zu zählen. Könnte er einmal damit vor Mitternacht fertig werden, dann solle er frei sein.

Draußen im Haff, wo Buhmann umgeht, hausen noch andere Geister, die dorthin verbannt wurden. Die armen Fischer, die auf den Butt- und Krabbenfang ausgehen, sehen sie da oft umherschweben. Den Buhmann, den die Fischer Juchen Knoop nennen, sehen sie meistens an lebensgefährlichen Tiefen stehen. Nähert sich jemand dem Geist, so weicht dieser immer weiter zurück an noch gefährlichere Stellen. Folgt ihm der unvorsichtige Fischer, so läuft er Gefahr, im Schlick und Sand zu versinken, und dann kommt die Flut, und er muß ertrinken.

Doch manchmal ist Buhmann auch gutartig: einen Fischer, der an der fallenden Sucht litt und einmal von diesem Übel heimgesucht wurde, als er draußen stand, während gerade die Flut herankam, trug Juchen Knoop ans Land zurück und rettete ihn so vor dem sicheren Tode. Ein anderes Mal, als unerwartet schnell eine Sturmflut heranbrauste und ein Außendeichshirte sein Vieh nicht mehr rechtzeitig zurücktreiben konnte, rief der verzweifelte Hirt:

"Juchen Knoop,

Hal uns dat God tohop!"

Und wirklich erschien der Gerufene, und im Nu war alles Vieh geborgen. Auch sonst ist Buhmann den Hirten in mancherlei Gefahren beigestanden.

So muß der verbannte Geist schon Jahrhunderte sein verdientes Los tragen, und die Menschen am Haff haben es bald zu ihrem Nutzen, bald zu ihrem Schaden am eigenen Leib zu spüren bekommen.