Wie hat sich ein Herr in Gesellschaft von Damen überhaupt und ins Besondere in Gegenwart seiner Schönen zu betragen?

Kommt man in eine Gesellschaft, wo Damen sind, so mache man beim Eintritte eine tiefe Verbeugung und bitte um Vergebung, dass man es gewagt habe, seine Aufwartung zu machen; halte aber den Hut so lange in der Hand, bis wenigstens eine Dame einen Stuhl oder Sessel hinsetzt, und den Hut niederzulegen bittet. Sagen die Damen, man solle sich setzen, so lasse man sich nicht lange bitten, sondern tue es unverzüglich, und erzähle ihnen und amüsiere sie, wie es die Kräfte nur gestatten. Schmiede feine, artige, Niemanden beleidigende Witze, sei freundlich und auf jede nur mögliche Art gefällig. Doch darf man nicht den jungen Damen seine ganze Aufmerksamkeit widmen, sondern auch den ältern, weil diese uns dann doppelt dafür loben.

Anstand im Reden und im Äußern erfordert jede ordentliche Gesellschaft, sie weiß nach Zeit, Umständen und Personen die Achtungsbezeigungen abzuändern, und die üble Laune, die Geziertheit, Geringschätzung, oder den Anstrich der Sonderbarkeit zu verdammen, und dieses beobachte jeder Galan. Viele, die die Kunst, sich beliebt zu machen, nicht verstehen, glauben dadurch die Achtung der Damen zu erringen, wenn sie sich öffentlich ein Unheil über Schönheit und Hässlichkeit anderer Damen erlauben, und ahnen nicht, welch' großen Fehler sie begangen haben. Deswegen rate ich dieses Niemandem, weil er hierin seine Blöße und Schwäche zeigen würde; vielmehr schweige er, wenn auch vielleicht eine Dame ein ähnliches Urteil über Jemanden fällen sollte; und wenn man auch durch einen Zufall die Entdeckung eines körperlichen Gebrechens bei irgend einem Frauenzimmer gemacht hat — an dessen Verheimlichung der Person gewöhnlich viel gelegen ist, sobald sie die Natur nicht zwingt, es öffentlich zur Schau zu tragen — so bewahre man ja diesen Umstand gegen jedes weibliche Wesen mit eben so ängstlicher Sorgfalt, wie ein lebensgefährliches Geheimnis), und brüste sich nicht damit in Gesellschaft, oder ziehe es nicht durch Spötteln oder witzige Einfalle, welche darauf zielen, ans Licht, denn solch' ein Verrat wird nie verziehen, sondern gewiss nach Möglichkeit gerächt. Durch dergleichen Plaudern verliert man auch sehr viel von seiner Achtung und seinem Charakter.


Man sei bescheiden und artig bei allen Gelegenheiten, man erstürme nie etwas, sondern bringe es durch Liebenswürdigkeit dahin, dass man das bewilligt erhalte, was man begehrt. Man suche Niemandem zu widersprechen, sondern entwickele seine Gründe mit Bescheidenheit, und strebe nicht nach dem Ruhme, scheinbar immer Recht zu haben; es ist ehrenvoller, zu weichen, als eine stolze Hartnäckigkeit zu zeigen. Man sei auch nicht geizig, denn dadurch wird man unerträglich; aber auch nicht verschwenderisch, obwohl die Freigebigkeit in mancherlei Beziehung uns sehr oft liebenswürdig macht; nur muss man Maß zu halten wissen, denn sonst stürzt sie uns unfehlbar ins Unglück.

Man trachte ferner auch darnach, dass man durchaus keine Ungeschicklichkeit oder Tölpelei begehe, indem man unversehens, bei zu heftigem Aufspringen vom Stuhle, den Damen-Tisch samt dem darauf befindlichen Kaffee-Service umwirft und etwas verschüttet oder zerbricht, oder in ein Kleid durch seine Unvorsichtigkeit einen Fleck macht; diese Tölpelei vergisst die Gesellschaft, und vorzüglich die Dame, der es geschehen ist, nie, weil sie immer glauben wird, dass es absichtlich geschehen sei; ja sogar auf dem Sterbebette kann man die gekränkte Dame nicht versöhnen. Eher vergisst sie die Schmerzen, welche ihr ein junger Bär, indem er sie auf die Hühneraugen trat, verursacht hatte, als solche Ungeschicktheit.

Sollte ein Herr in derselben Gesellschaft eine Dame finden, mit der er früher in einem zärtlichen Verhältnisse gestanden, welches aber durch irgend eine Veranlassung auf immer aufgelöst worden ist, so begegne er ihr nicht nur in der Gesellschaft artig, sondern lasse ihr überall die möglichste Schonung widerfahren. — Ein kluger Herr lasse stets dem Frauenzimmer den kleinen Triumph: sie habe ihm den Laufpass erteilt, wenn auch der entgegengesetzte Fall stattgefunden hätte. Man rühme sich nie genossener Gunstbezeigungen, prahle nie mit Liebesbriefen, welche man vielleicht in der Tasche trägt, und erwähne nie der entdeckten weiblichen Schwächen und Gebrechen, sondern bemühe sich, durch Beweise zuvorkommender Untertänigkeit, auch jetzt noch in der Gesellschaft unsere Achtung zu beurkunden, — denn nicht selten gelingt es uns dann, durch unser großmütiges Benehmen, aus dieser wankelmütigen Geliebten eine uns um so höher schätzende Freundin zu machen. Überhaupt gewöhne man sich Verschwiegenheit und Charakterfestigkeit an, da nur diese in der Schätzung der Damen obenan stehen. Mutvoll sei der Galan auch in der Gesellschaft, weil er so von jeder anwesenden Dame geliebt wird; man muss Alles zu wagen scheinen, um sie zu besitzen und ihr zu gefallen.

In der Gesellschaft von Damen höre man selbst die unbedeutendsten Erzählungen geduldig, ruhig und mit anscheinender Aufmerksamkeit an, weil uns auch hierdurch der Titel eines angenehmen Gesellschafters, eines biedern Mannes, eines feinen Amüsierers zu Teil wird. Gern spricht auch das schöne Geschlecht über Familienangelegenheiten, und legt nicht selten einen großen Wert auf kleine und geringfügige Sachen, welche ein Herr, zu größeren Dingen berufen, außer Acht lässt; heuchelt man nun nicht eine Teilnahme, ein lebhaftes Interesse, so würde man sehr anstoßen, und sich die Gunst der Gesellschaft, wenn uns darum zu tun ist, verscherzen. Ganz gewiss wird derjenige immer in Gnade und Gunst stehen, der nicht trockene Gelehrsamkeit, schwerfällige Untersuchungen oder langweiliges Gerede über Politik und Amtsgeschäfte zu Tage bringt, sondern der mit Leichtigkeit und Behendigkeit eine frohsinnige Teilnahme an den Gesellschaftsspielen, Gesprächen und Neckereien der Damen zeigt, der sich jeder Dame gefällig erweist, und Jeder das entfallene Taschentuch, Beutel, Ring, Handschuh u. s, w. hurtig aufzuheben sich bemüht; der es bedauert, wenn die Dame geschwinder war und er es nicht hat aufheben können, in dem er ganz schmerzhaft sagt:

„O, hätte ich Flügel gehabt, um es geschwinder aufheben zu können, dann hätten Sie es ausgelöst und ich wäre so glücklich gewesen, ein Küsschen zu erhalten.“

Man vermeide, eine Dame bloß zu stellen; denn sie flieht uns dann, wie die Pest. Energie und Gesetztheit, Geistesstärke und Charakterfestigkeit und männliche Würde, nicht läppische Komplimente oder eine lächerliche Zudringlichkeit, müssen wir uns eigen zu machen suchen; denn eine kluge und vernünftige Dame verlangt dieses, sie erkennt die Würde eines Mannes, und weiß sie auch zu schätzen. Die Schönheit desselben macht keinen dauernden Eindruck — der heitere Lustige gewinnt zu Zeiten mehr, als der Trübsinnige und allzu Empfindsame — der Eitle erregt Gleichgültigkeit — der Ernsthafte macht einen weniger bemerkbaren, aber einen desto sichereren Eindruck auf ihr Herz.

Noch ist ein Hauptzug in dem Charakter des schönen Geschlechtes vorhanden, wodurch, wenn man ihn ergreift, ebenfalls Gunst und Gewogenheit erwachsen kann — es ist der Zug der unbezähmten Neugierde. Hochgepriesen sei die Neugierde des schönen Geschlechts! Dieses edle Kraut gedeiht unter jedem Himmelsstriche, und macht Glückliche und Unglückliche, wie es der Zufall gerade will. Doch muss man hierbei sehr behutsam zu Werke gehen, damit man nicht als Klatscher und Neuigkeitskrämer erscheint. Durch ungesuchte Aufmerksamkeit und Kleinigkeiten, durch jene unbedeutenden Galanterien, welche aber erst dadurch Wert bekommen, dass man keinen Wert darauf zu legen scheint, erwirbt man sich sehr leicht den Ruf eines artigen Mannes. Hat dieser Ruf erst einmal Wurzel gefasst, so kann man ihn nicht leicht wieder verlieren; denn was ein solcher anerkannt artiger Herr sagt und tut, das ist ohne Prüfung gut. Allgemein ist man beliebt, wenn man, wie oben bemerkt, keine von den Damen besonders auszeichnet, keine Dame zum alleinigen Gegenstand seiner Verehrung in dem geselligen Kreise macht — die Schönheit und Talente der Einen nicht mehr lobt, als die der Andern — denn tut man dieses, so werden alle Mängel und Fehler, Schwächen und Lächerlichkeiten hervorgebracht und öffentlich einander mitgeteilt. Wo man den Damen gefällig sein und dienen kann, tue man es und sage immer:

„Dass man sich eine Ehre oder ein Vergnügen daraus mache.“

Dass man sich in der Gesellschaft, wo seine Schöne zugegen ist, ordentlich und gesetzt betragen muss, dass man Niemandem die Cour oder den Hof machen darf, dass man sich gefällig gegen Jedermann zeige und nie etwas tue, was der Geliebten zuwider sein sollte, braucht kaum bemerkt zu werden. Ist man in der Gesellschaft mit der Geliebten erschienen, so entferne man alle Schüchternheit; sie macht lächerlich, und zeigt von eben so geringer Weltkenntnis als Erziehung. Man lerne den Geschmack der ganzen Gesellschaft und deren Charakter kennen, und begnüge sich nicht nur mit dem Geschmacke seiner Schönen; sei üppig mit den Üppigen, bescheiden mit den Züchtigen, umarme jene mit liebender Herzlichkeit, und küsse seiner Geliebten artig die Hand. Man kette sich aber ja nicht an sie an, um keinen Schritt von ihr zu weichen; zeige auch keine Eifersucht, wenn vielleicht ein anderer Galan ihr die Cour machen und sie auch küssen sollte; sondern man stelle sich, wie wenn man es nicht bemerkt habe; denn wenn sie nur etwas Liebe gegen uns fühlt, so kann sie ein solches Abenteuer nicht verschweigen, sondern sagt es offenherzig dem Geliebten. Manche Damen versuchen sogar Ihre Liebhaber damit, um zu sehen, ob sie nicht eifersüchtig sind. In diesem Falle wähle derselbe den Mittelweg, sei weder eifersüchtig, noch gleichgültig, sondern sage ihr, dass er, wenn sie ihn wirklich liebe, wegen eines Kusses aus Freundschaft nicht eifersüchtig werden wolle, und liebe sie ihn nicht, so wäre seine Eifersucht umsonst. Auch sei man darauf bedacht, sich nicht von der Seite zu zeigen, dass man wirklich in sie sehr verliebt sei und ohne sie nichts anzufangen wüsste.

Gegen seinen in derselben Gesellschaft befindlichen Nebenbuhler sei man artig und freundlich, und nicht eifersüchtig, verleumde die Geliebte auch nicht, mache sie nicht schlecht, sondern hebe großmütig ihre Vorzüge hervor, decke ihre Lächerlichkeiten nicht auf; denn sonst ist zu befürchten, dass sie auch die unsrigen bemerkt und leider hat Jeder deren in Hülle und Fülle.

In der Gesellschaft wo mehrere Damen zugegen sind, schmeichle man weder seiner Schönen, noch fremden Damen; denn sonst verwandelt sich nur zu geschwind die Liebe der Schönen in Eifersucht, und diese Eifersucht verdrangt uns manchmal so weit aus ihrem Herzen, dass man ihre Liebe nicht mehr zu gewinnen vermag. Sollten in dieser Gesellschaft auch noch andere Herren sein, und auch ihre Geliebten haben oder nicht, so bemühe man sich, auch bei ihnen die Achtung zu erwerben, prahle nicht mit seiner Gelehrsamkeit, und rede ja nicht in einer fremden Sprache mit den Herren; denn dadurch fühlen sich die Damen gekränkt, und hassen uns dann nicht selten. Man beginne mit den Herrn in Gegenwart der Damen kein weitläufiges Gespräch, sage nicht, wo man gestern gewesen, was man gesehen, und wie man sich unterhalten habe, ob die Damen der gestrigen Assemblée schön waren, wie sie sprechen und sich betragen konnten, und wie gebildet sie waren etc. Denn durch dergleichen Schwatzhaftigkeit verdirbt man sich den guten Ruf und zieht sich den Hass der Damen zu, weil sie vermuten, dass andern Orts ein gleiches Urtheil über sie gefällt werde.

Es ist Jedermann anzuraten, Andere, vorzüglich seine Schöne, glänzen zu lassen und sich in den Schatten zu stellen. Man lasse sich auch in keinen Wortwechsel oder Disputation über Gegenstände ein, von denen die Damen gar keinen Begriff haben; denn es gibt einen andern Ort, wo man solches abtun kann; man gebe nach und sage höchstens:

„Ich will nachgeben, obwohl ich sicher weiß, dass es so ist.“

Wenn man z. B. von der Philosophie und Philologie, von der Mathematik, von der Gleichheit der rechten Winkel redete, und beweisen wolle, dass das Quadrat der Hypothenuse dem Quadrate der beiden Katheten gleich, dass die Philosophie aus bestimmten Gründen zu wissen nötig sei, dass die Logik auch zur Philosophie gehöre und erlernet werden müsse, wenn man richtige Schlüsse aus den aufgestellten Prämissen ziehen wolle u. s. w., was würden die Damen dazu sagen, wie würden sie staunen und gaffen, und sich langweilen, wie würde ihnen nicht Alles zum Ekel werden, welch übles Licht würden wir auf uns werfen? Man lenke vielmehr jedes Gespräch immer auf Gegenstände, welche der ganzen Gesellschaft angenehm und geläufig sind; man gebe Spiele an, behalte sie aber nicht lange bei, sondern ändre sie oft ab, erzähle Anekdoten u. s. w. — Zur Bewerkstelligung dessen bietet dieses Büchlein die mannigfachste Auswahl dar. — Man widerspreche keiner Dame, viel weniger seiner Geliebten, und lobe in ihrer Gegenwart kein anderes Frauenzimmer.

Beschließt die Gesellschaft, spazieren zu gehen, so biete man seiner Schönen den rechten Arm, und den andern allenfalls ihrer besten Freundin. Wohin die Gesellschaft gehen will, dahin gehe man auch; selbst in dem Falle, wenn der Ort eben nicht anspräche, so lobe man ihn doch. Man verlasse die Gesellschaft nicht eher, als bis man sie vor ihr Haus geführt hat; dann empfehle man sich und gehe. Man begleite seine Schöne zuerst bis an ihre Tür, und dann ihre Freundin, schmeichle ihr aber auf dem Wege nicht; denn leider nur zu oft geschieht es, dass man von ihr verschwärzt wird. Geht die Gesellschaft hingegen auf den Ball, so erscheine man auch daselbst in einem Ballcostüme, tanze zuerst mit seiner Schönen, dann mit den übrigen Damen der Gesellschaft, beobachte den feinsten Ton, den höchsten Anstand, spöttele nicht durch witzige Äußerungen und vermeide alle Veranlassungen zu Streiten und Zank; so nur wird man gelobt, geehrt und geliebt werden.