Kunst zu gefallen, oder was hat ferner ein Herr in Gesellschaft von Damen zu beobachten?

Er soll Sorge tragen, dass er in der Gesellschaft keine auffallende Gebärden macht, sich nicht während des Sitzens auf einen seiner Ellenbogen stützt, sich nicht den Schnurrbart dreht, oder sich den Rock oder Frack besieht; er soll sich in Acht nehmen, dass er seine Blicke nicht in den Spiegel werfe, nicht mit seinen Händen an den Knopflöchern des Kleides spiele; die Hände nicht über den Kopf zusammenschlage oder hinter dem Rücken verberge, oder sie, wie ein doppelhenkliger Topf, in die Seiten stemme; noch dass er sie vorn auf der Brust kreuze, oder schlaff an den Seiten herabhangen lasse, sie nicht in den Kleidern verberge, noch in die Weste stecke, oder gar in die Beinkleider; nicht an dem Halstuche oder der Halskrause rücke, oder seine Haare bearbeite; nicht an den Nägeln kaue, noch die Gelenke der Finger ziehe; nicht die Fäuste balle, nicht zu stark rede und agiere, als wenn er von der Kanzel herab das Evangelium verkündete, oder auf irgend einer Bühne stände; nicht im Zimmer auf und ab gehe, nicht Bockssprünge mache, aber auch nicht krieche, sich nicht gymnastisch übe; nicht immer von einem Sessel auf den andern husche; Nichts anrühre, weder Bücher, noch Blumen, noch Schriften und Sachen von Wert, Noten, Briefe, Journale, Gemälde; nicht den Sitz einer Dame einnehme; vielmehr bleibe er, wenn kein Sessel mehr vorhanden ist, unter einem schicklichen Vorwande stehen.

Ein gebildeter Stutzer flüstere weder mit einer, Dame, noch mit einem Herrn, zeige nicht auf irgend Jemanden in der Gesellschaft, damit der Gedanke, man spotte ihrer, bei keiner Person rege werde. Sollte eine Dame wirklich mit Jemandem ein Geheimnis; haben, folglich auch heimlich reden, so gebietet die Klugheit und Bescheidenheit, ihnen unsere Nähe durch ein Geräusch zu erkennen zu geben, um nicht in den Verdacht zu fallen, als hätte man sie belauschen wollen. Sollte Jemand schreiben oder lesen, so lese man ja nicht über dessen Achsel. Kommt Jemand und will die Schöne allein sprechen, so entferne man sich; denn sie sagt es dann schon, wenn dieselbe Person nicht mehr zugegen ist, und wenn es der Mühe zu sagen lohnt.


Eine hässliche Gewohnheit ist das Gähnen in der Gesellschaft; es ist immer ein Zeichen, dass man sich nicht unterhalte und amüsiere; man gewöhne es sich ab, und sollte es doch einmal eintreten, so wende man sich, um nicht bemerkt zu werden , und gähne heimlich und still. Noch hässlicher ist es, wenn ein Herr seine Lorgnette herauszieht, und die Damen oder auch die Herren durch dieselbe besieht. Wer wird diese Ungezogenheit verzeihen können? Ist das nicht etwas Schimpfliches, in das Gesicht oder in die Augen einer Dame durch die Lorgnette zu sehen? Keine Dame wird dieses lieben, sie kann, sie darf es nicht dulden und wird vielmehr sich abwenden und ihm verächtlich den Rücken zukehren. Deshalb gewöhne man sich dieses ab, und sollte man auch in der Tat kurzsichtig sein, so tue man es doch nicht, denn es zeigt von keiner Bildung.

Obwohl es ferner allgemein geworden, dass die Herren Tabak rauchen, so ist es doch ungalant, in Gesellschaft von Damen, von denen gewiss die Eine oder die Andere dies Kraul nicht liebt, zu rauchen; noch ungalanter und der Feinsitte widersprechender ist es, wenn man den Rauch den Damen in das Gesicht bläst. Ein solcher Unhold verdient nichts mehr, als von den Damen ohne Gnade verstoßen zu werden, und gehört in keine Assemblée.

Eine schlechte Gewohnheit ist auch das unmäßige Lachen: ha! ha! ha! oder hi! hi! hi! darum lache man nie so, sondern nur natürlich; man lächle nur; denn nur dieses hat etwas Anziehendes. Nirgends schickt es sich, zu streiten, viel weniger bei Damen; man disputiere also nicht, sondern gebe lieber nach. Es schickt sich auch keineswegs, in einer lustigen Damengesellschaft über Briefe, über Ehen etc. zu reden; deswegen enthalte man sich dessen, und schweige, wenn von dergleichen die Rede ist. Man übertreibe nicht die Höflichkeit; denn dadurch verfällt man sehr leicht ins Geckenhafte; dieses ist ein Fehler, mit dem so viele Stutzer behaftet sind. Wenn man in der Gesellschaft bei Gebildeten oder überhaupt bei Damen ist, so spiele man nie den Empfindsamen, und teile nicht immer schmachtende Blicke aus, man seufze und stöhne nicht, als ob man sich nach Jemandem sehne; denn dieses zeigt, dass man mit der Gesellschaft unzufrieden sei; man macht sich auch lächerlich, wenn man einen erlernten Wortschwall ausplaudert. Man hüte sich sehr, seine Eitelkeit zu verraten, weil man dann von dem schönen Geschlechte verkannt, verachtet und immer in der Gesellschaft als ein Eitler angesehen wird.

Der größte Fehler, den sich die meisten Herren in Gesellschaft der Damen zu Schulden kommen lassen, ist die Liebelei. Sie heucheln Liebe gegen eine Dame, die sie nicht leiden können, lügen derselben vor, dass sie nur durch sie ihr Glück zu machen, im Stande seien, und zeigen eine verstellte Empfindung für dieselbe — ach sie wissen nicht, dass das Erheucheln ernster und tiefer Gefühle, das Lügen und die verstellte Empfindung, die uns ganz fremd ist, in Verlegenheit, Unannehmlichkeiten und Widerwärtigkeiten die wohlverdiente Strafe findet — sie ahnen nicht, dass die rächende Nemesis kommen wird, und ihnen alles das — sei's in kurzer oder langer Zeit — vergelten wird, was sie an einem so edlen Geschöpfe verübt haben, — sie ahnen nicht, dass sie für den geraubten Seelenfrieden, für die entrissene Gemütsruhe schwer büßen werden.

In der Gesellschaft beobachte man ein liebenswürdiges Selbstvergessen. Man bemühe sich nicht, ein Purist zu sein, vermeide deshalb auch allen Schein, als lege man auf seine Worte einen besondern Wert; man fliehe das Sentimentale, Pedantische, und suche nicht, auf Kosten Anderer zu glänzen. Man spreche so wenig als möglich von sich selbst, ja auch schon wenig von dem, was einen nur selbst angeht.

Jeder Galan sei darauf bedacht, nicht in einem fort zu sprechen, weil er dadurch Andern das Vergnügen raubt, ihre eignen Gedanken ausdrücken zu können, und er sich deswegen verhasst macht; er beobachte aber auch nicht ein stolzes Stillschweigen, oder rede von seiner Geburt, seinem Reichtume und seinem Stande, und tue nicht unbescheidene Fragen, oder spreche mit Geringschätzung von andern Menschen, die mehr sind, als er selbst, von den Fehlern und Mangeln Anderer, von denen er selbst nicht frei ist. Er falle nicht mit seinen Worten in die Rede Anderer, und warte, bis diese ausgesprochen haben, und wenn Einer aus der Gesellschaft redet, so schweige er, und bitte nicht um Erlaubnis, ein Geschichtchen zu erzählen, oder eine Stelle aus einem Buche anzuführen, die vielleicht aus dem Gedächtnis schon lange verschwunden ist. Man spreche auch nicht in Gegenwart Unglücklicher von seinem Reichtume, nicht von seiner Gesundheit in Gegenwart Kränklicher, nicht von seiner Jugend in Gegenwart von Greisen, nicht von seinem Wissen, seinen Talenten vor Solchen, welche beides nicht zu beurteilen verstehen. In seinem ganzen Benehmen muss sich eine edle Leichtigkeit, Sittlichkeit und vorzugsweise wahre Bescheidenheit kund geben. Ein Gelehrter sagt sehr richtig:

„Ein Mann von Geist geht und setzt sich anders, speiet und schnäuzt sich anders, als ein Dummkopf.“

Man mache sich In der Gesellschaft mit dem Charakter eines Jeden, so viel als möglich, bekannt; man muss die Neuigkeiten des Hofes, der Stadt und des Theaters kennen, man muss von einem neuen Werke zu sprechen wissen, und die besten Stellen anführen können, ohne jedoch sein Urtheil als untrüglich aufstellen zu wollen. Wenn man von Stadtgeschichten spricht, zeige man eine gewisse Zurückhaltung, eine Behutsamkeit, und widerstreite nie die Meinung eines Andern eigensinnig. Mäßigung, Sanftmut und Bescheidenheit muss man sich aneignen, um der Gesellschaft zu gefallen. Man rühme seine Wagnisse nicht, und schwelge von seinen Abenteuern. Man betrage sich achtungsvoll gegen Alle, sei bescheiden in seinem Betragen und offen in seinen Reden, so wird man von jedem Gesellschaftsmitgliede, geachtet, geehrt und geliebt. — Ist die ganze Gesellschaft in einem Schauspiel, so raube man Niemandem die Aussicht; ist sie in Konzerten, so plaudere man nicht; ist sie bei irgend einem Tanze, so singe man die Melodie nicht mit.