Die Kokette

Die Kokette findet ihren Ruhm darin, wenn sie gefällt und Eroberungen macht, — wenn sie Anbeter, ja Sklaven, nicht aber Liebhaber oder Geliebte, — wenn sie einen schönen neuen Anzug besitzt, um sich bewundern zu lassen, — wenn sie ihren Sklaven Qualen und Angst bereitet, — wenn ihre Anbeter, vor Schmerz darnieder gebeugt, zur Erde hinfallen, und sich vor Pein und Kummer nicht mehr zu helfen wissen. Sie liebt nie, ihr Mund spricht anders als ihr Herz, und ihre Sinne schweigen; sie ist stolz auf die Opfer, die man ihr bringt, ja selbst auf jeden der Schritte stolz, den man um ihretwillen tut; sie peinigt ihren Geliebten mit Eisersucht; sie ist ein verächtlicheres Geschöpf als eine Buhldirne; denn diese lockt, nur um zu leben, jene aber, um ihrer Eitelkeit Opfer bringen zu können. Und betrachtet man sie endlich in ihrem eigenen Lichte und verlässt sie, so rächt sie sich durch unerschöpfliche Verleumdungen. Will man nun über eine solche Dame siegen, so muss man ihrer Eitelkeit schmeicheln, ihr Geschenke, die ihre Reize erhöhen, machen, Verstellungen anwenden, und seine Gefühle nicht offenbaren, weil sie sonst nur darüber spotten würde. Da auch eine Kokette nichts verschweigt, sondern ihren Freundinnen Alles mitteilt, so schreibe man nicht an sie. Übrigens rate ich Niemandem, eine Kokette zu heiraten, wenn er auch über sie gesiegt hätte, denn sein Glück ist verschwunden, und an dessen Stelle wütet das Unglück so lange, bis er von ihr auf ewig getrennt und geschieden ist.