Die Gelehrte


Diese ist nicht liebenswürdig, denn sie prahlt nur mit ihrem Wissen, und will bei den Männern etwas gelten, ohne die Tiefe des Verstandes zu haben, um sich in den Besitz gelehrter Kenntnisse setzen zu können. Der Liebhaber muss sich, wenn er ihre Gunst vollkommen erreichen will, eben demselben Studium der Wissenschaften hingeben, und kann sich dann entweder als ihren Lehrer empfehlen, oder von ihr Auskunft verlangen, so wird er gewiss in ihrem Herzen größere Fortschritte machen, als in den Wissenschaften.

Die Gelehrte
(nach Moliére.)


Du bist es, Schwester, die ich meine,
Der kleinste Sprachverstoß beleidigt dein Gehör,
Jedoch du selbst machst ihrer jede Stunde mehr.
Nicht können deine schönen Bücher dich erfreuen,
Du solltest allzusammen sie den Flammen weihen.
Dein Afterwissen und gelehrtes Halbauffassen
Magst du privilegierten Weisen überlassen.
Entferne, willst du wohl tun, von der Stirne jetzt
Die große Brille, die uns All' in Schrecken setzt,
Die tausend Eigenheiten, die zum Eckel sind.
Was suchest du im Mond, was siehst du dich halb blind?
Statt um zu schau'n, wie um dein Haus es steht,
Wo Alles ohne Halt d'runter und d'rüber geht, —
Es ist aus tausend Gründen klar, es schickt sich nicht,
Dass eine Frau gelehrt von allen Dingen spricht. —
Gut sagten unsre Väter wohl mit Recht und Fug,
Es gelte eine Frau schon für gelehrt genug,
Wenn sich so weit erschlossen hat ihr Bildungskreis,
Dass sie ein Wams vom Rock zu unterscheiden weiß.
Nicht lasen ihre Frau'n und wussten gut zu leben;
Es war das Haus ihrer Gelehrsamkeit Bestreben. —
Statt Bücher hatte Nähring, Zwirn und Nadel Jede,
Womit sie ihrer Töchter Brautschmuck nähte.
Doch unsre Frauen wollen jene Sitte hassen,
Und schreiben nur, um sich Gelehrte nennen lassen,
Sie wissen, wie der Mond, wie jedes Sternlein geht,
Sie wissen, wo Saturn, wo Mars und Venus steht.
Verständig sein, damit gibt jede sich jetzt ab,
Und durch's Verständigsein geht der Verstand zu Grab'.