4) Ausdruck, Ton und Vortrag

Wer auf Anstand und Bildung Anspruch machen will, von dem verlangen wir eine reine, richtige Aussprache, eine wohllautende Stimme. Wie unangenehm werden wir oft enttäuscht, wenn wir eine schöne Dame oder einen hübschen Mann, die wir vielleicht mit Vergnügen betrachteten, auf einmal den Mund öffnen sehen und sprechen hören. Wir vermuteten eine angenehme Ausdrucksweise, ein wohlklingendes Organ, und müssen nun, zu unserm größten Leidwesen, die gemeinste, roheste Betonung, ein fehlervolles Deutsch und ein unleidliches Geschwätz vernehmen. Da hört man Einen, der unaufhörlich das Mir und Mich, Sie und Ihnen verwechselt, das O statt A gebraucht; Der zischelt und lispelt, Jener schnarrt oder stößt mit der Zunge an, spricht widernatürlich fein, krähet oder stottert, näselt oder dehnt und zieht die Worte bis ins Unendliche, und was dergleichen Unleidlichkeiten mehr sind.

Man strebe deshalb zunächst dahin, sich Sprachrichtigkeit zu eigen zu machen, durch sorgfältiges und fleißiges Studium unserer Muttersprache; man veredle erst seinen Geschmack und Verstand durch gewählte Lektüre aus der Zahl unserer Meisterwerke und durch Aufmerksamkeit auf die Gespräche gebildeter Personen, ehe man in Gesellschaften mitreden oder gar das Wort führen will. Man gebrauche immer die richtigsten, passendsten und erschöpfendsten Ausdrücke z vermeide bei seinen Erzählungen alle Weitschweifigkeit, wodurch nur Überdruss und Langeweile erregt wird, und gebe seiner Rede durch angemessene Kürze und Gediegenheit die wahre Annehmlichkeit und Stärke.


Dabei kultiviere man sorgfältig die Stimme selbst. Ihr Klang sei hell und wohltönend, fest und nicht schwankend, so dass die Stimme nicht bald von der Tiefe zur Höhe, oder umgekehrt, überspringt, wodurch das Ohr sehr beleidigt wird. Häufiges Lautlesen und Übung im Gesange sind die sichersten Bildungsmittel der Stimme. Ein heiseres und schwankendes Sprachorgan wird dadurch hell, rein und sicher, wenn man besonders in den Frühstunden seine Stimme im lauten Singen übt, was am besten im Freien geschieht. Wir lesen in der Geschichte, welche unsägliche Mühe und Anstrengung Demosthenes, der größte Redner des Altertums, aufwandte, um seine übellautende und stotternde Stimme zu bilden, und darum möge auch Niemand die Schwierigkeiten scheuen, welche ihm die Ausbildung eines mangelhaften Organs verursacht, die bei fortgesetztem eifrigen Bemühen jedes Mal von Erfolg sein werden.

Bei seinem Vortrage richte man die Aufmerksamkeit ganz besonders aus die Wahl des Stoffes und auf dessen Einkleidung, und benutze für seine Gespräche und Erzählungen nur solche Gegenstände, von denen man voraussetzen kann, dass sie entweder für die ganze Gesellschaft, oder doch für den größten Teil derselben anziehend sind. Klugheit und Bescheidenheit raten uns hierbei, unsere Rede den jedesmaligen Geistesfähigkeiten und der Bildungsstufe der Anwesenden möglichst anzupassen, um nicht den Verdacht auf uns zu laden, als gingen wir darauf aus, mit unserm Witz oder Wissen zu glänzen.

Seine Erzählungen gebe man in einer reinen, treffenden, kurzen und kräftigen Sprache. Alle schwülstigen, überspannten obszönen und zweideutigen Ausdrücke müssen entfernt bleiben und öftere Wiederholungen, so wie die Einmischung gewisser nichtssagenden, leicht zur Gewohnheit werdenden Lieblings - und Flickwörter, wie z.B.: „also, nun gut, wie gesagt,“ durchaus vermieden werden, indem man sich dadurch nur lächerlich macht. Der Ton der Stimme sei jedesmal dem Gegenstande der Rede angemessen, und deshalb bei der Erzählung freudiger, scherzhafter, belustigender Vorfälle hoch und helltönend, die Sprache rasch und lebhaft; ernste, traurige Veranlassungen erfordern den Ton der Erhebung und Rührung. Die vorzüglich zu betonenden Worte spreche man mit dem gehörigen Nachdruck und zeige so durch Stimme und Gebärden, dass man von dem Sinne und der Bedeutung des Gesagten durchdrungen und überzeugt, also auch in seinem Innern von Freude, Mitgefühl oder Trauer ergriffen sei. — Nie fehle unserm Vortrage der nötige Zusammenhang, wenn nicht sonst der Gegenstand an sich Pausen und Ausrufungen erfordert, damit man nicht selbst den Faden der Erzahlung verliere, oder Andern das Verstehen derselben erschwere.

Bei sorgfältiger Überlegung dessen, was man sagen will, durch aufmerksames Achtgeben auf geschmackvolle Erzähler, häufige Übung unter Leitung sprachgewandter Freunde, Lektüre ausgewählter, dahin einschlagender Bücher, Anfertigen schriftlicher Aufsätze etc., kann es nicht fehlen, dass man sich das so schätzbare und empfehlende Talent eines guten, gesellschaftlichen Vortrages zu eigen macht.