2) Haltung und Bewegung des Körpers

Muster und Vorbild für die gefälligste und empfehlendste Haltung des Körpers und alle seine Bewegungen darf uns hauptsächlich nur die veredelte Natur selbst, diese untrüglichste Lehrerin, sei. So wie der Herr der Schöpfung geraden, aufrechten Ganges, leicht und doch würdevoll einherschreitet, ebenso wird Gang und Haltung des gebildeten Mannes in Gesellschaft von seinem Innern zeugen, und wir werden ihn weder als steife Holzfigur erblicken, noch wie eine übergelenke Gliederpuppe sich gebärden sehen. Er wird also nicht bei jedem ihm angenehm scheinenden Worte wohlgefällig nicken, oder den Kopf so weit zurückbiegen, dass das Gleichgewicht seines Körpers dabei leiden könnte; wir werden ihn eben so wenig gesenkten Hauptes, gleich einem Menschen dastehen sehen, der es nicht wagen darf, seinen Blick frei und fest zu erheben. Besondere Sorgfalt wird er einer anständigen und gefälligen Haltung seiner Arme und Hände widmen und sich Andern nicht unangenehm und widerlich machen durch Anstemmen der Arme in die Seiten, schlaffes Hängenlassen derselben, durch beständiges Reiben der Hände, durch Kauen an den Nägeln, durch Gelenkeziehen an den Fingern, durch Daumenmühlen, Händefechten, Betasten von Personen und jedweden Gegenstandes, durch boxermäßiges Fäusteballen, Verbergen der Hände in den verschiedenen Taschen seiner Kleider oder wohl gar unter denselben, und wie die mancherlei unschicklichen und jedes Gebildeten Gefühl abstoßenden Bewegungen und Händehaltungen sein mögen. Auch Stellung und Bewegung der Beine und Füße soll stets den Regeln des Anstandes und feinen Geschmackes angemessen sein, und diese verbieten es streng, eben so wohl die Beine zu weit aus einander zu spreizen, als solche zu nahe an einander und die Füße einwärts zu setzen; kein Gebildeter wird beim Sitzen die Beine über einander schlagen, mit denselben hin und her baumeln oder gar einen Fuß auf den andern setzen.

Einen Anständigen werden wir weder zu schnell, noch zu langsam, und eben so wenig schwankend und unsicher gehen sehen, sondern gleichförmig, fest und geräuschlos. In dem Gange muss sich überhaupt eine gewisse Würde und dasjenige Ansehen ausdrücken, welches dem jedesmaligen Alter angemessen ist. Es muss daher bei demselben alles Tanzende, Trippelnde und Hüpfende, überhaupt alles Gesuchte und alle Affectation fern bleiben. Ein junger Mensch würde sich höchst lächerlich machen, wollte er in feinem Gange den leichtfertigen Hasenfuß zeigen, oder die Gravität und ernste Würde eines bejahrten Großen erkünsteln. Darum sei unser Gang leicht und natürlich, und weder durch unpassende Bewegungen des Kopfes, noch der Hände verunstaltet. Diesen halte man aufrecht und suche ganz zu vergessen, dass man Hände hat, damit die Bewegung derselben ungezwungen und natürlich bleibe und mit der Haltung des übrigen Körpers ein gefälliges und harmonisches Ganze bilde.