Der Friedensschuss

Autor: Ueberlieferung
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Wir wissen heut' wie die Menschen sich nach langen Kriegen nach dem Frieden sehnen können. Das war nach dem dreißigjährigen Krieg vor über 300 Jahren nicht anders.

Endlich war der Vertrag in Münster und Osnabrück zustande gekommen. Der Krieg sollte in Deutschland gänzlich aufhören. Da freute sich alles. Ein Fest nach dem andern wurde gefeiert. Das schönste, prächtigste und berühmteste aber war das große Friedensfest in Nürnberg. Das gab der schwedische Obergeneral Pfalzgraf Karl Gustav von Zweibrücken im großen Rathaussaal am 16. September 1649.

Mit Lorbeer und Palmen war der Saal geschmückt. Der Boden war mit Binsen bestreut, 200 Wachskerzen leuchteten ringsum. Bald nach Mittag versammelten sich droben die Fürsten und Herren. Aber auch das Volk in den Straßen sollte etwas abbekommen. Ein großer hölzerner Löwe wurde ins Saalfenster gestellt. Der spie aus seinem Rachen roten und weißen Wein zur gleichen Zeit, eine gute Stunde lang. Das gab drunten ein Stoßen und Drängen, ein Rufen und Schimpfen und ein Gelächter, daß die großen Herrn an den Saalfenstern eine gute Unterhaltung hatten. Danach saß man schön nach Rang und Würden geordnet im Saal und ließ sich sechs Gänge der Festmahlzeit aus 600 Schüsseln, die aufgetragen wurden, gut schmecken. Die besten Früchte, feines Zuckerwerk und Marzipan bildeten den Nachtisch. Liebliche Düfte wurden im Saal verbreitet. Springbrunnen von Rosenwasser sprangen. Dazu gab es guten Wein, soviel und von welcher Sorte man wollte. Trompeten und Pauken begleiteten die Trinksprüche und draußen auf der Burg brummten die Feldschlangen und Kanonen einen kräftigen Baß dazu.

Als unter Lachen und fröhlichen Scherzen die Nacht gekommen war, da kam das Ende des Festes heran. Auf einmal klang eine tiefe Kommandostimme durch den Saal: »Morgen, ihr Kriegsgenossen und Kameraden, sind wir in alle Welt verstreut und begegnen uns nie wieder! Wollen wir doch vor unserer Trennung noch einen Umzug halten durch den Saal als unser letztes kriegerisches Manöver!«

Die alten Krieger stellten sich mit Freuden noch einmal auf, ehemalige Feinde und Freunde in einer Reihe, die Generäle und Obersten aller Länder, die am Krieg beteiligt waren. Dann begannen sie mit heller Musik ihren letzten Kriegsmarsch zwischen den Tische und Bänken des Saales. Und als ein donnerndes Halt das Ganze zum Stehen brachte, da riß der schwedische Oberst Wrangel seine Pistole von der Seite und rief mit dröhnender Stimme über die Versammlung: »Der Friede ist geschlossen; so hab ich ferner keine geladene Wehr nötig: Friede und Freude dem deutschen Land immerdar.«

Da krachte der Schuß, und die Kugel flog klirrend durch die Scheibe des hohen Saalfensters. Der Oberst hatte in seinem Eifer ganz vergessen, dass er nicht draußen im Feld, sondern im schön verzierten Rathaussaal war. Der Schuß soll der letzte im ganzen dreißigjährigen Krieg gewesen sein.