Der Freihafen in Bremen. (Siehe das Bild auf Seite 241.)
Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1890
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bremen, Freihafen, Freihafenbezirk, Zollanschluss, Nordseeküste, Welthandel, Wettbewerb
Bei den Verhandlungen über den Zollanschluss der freien Hansestadt Bremen an das Deutsche Reich im Jahre 1884 wurde Bremen gleich wie Hamburg ein Freihafenbezirk zugestanden, der für die Welthandelsstellung der Stadt von der größten Bedeutung ist. Um aber im Wettbewerb mit den anderen Häfen der Nordseeküste bestehen zu können, wurde es nötig, nicht nur einen neuen, allen Ansprüchen der Gegenwart genügenden Hafen zu bauen, sondern im Anschluss daran auch große, zollfreie Lagerplätze innerhalb des Freihafenbezirkes zu errichten.
*************************************************
*************************************************
Ein 90 Hektar messendes, unterhalb der Stadt am rechten Weserufer liegendes Stück Ackerland wurde für die neue Anlage ausersehen und die Arbeit mit solchem Eifer gefördert, dass binnen drei Jahren das gewaltige Werk vollendet war, und der auf unserem Bilde S. 211 durgestellte Bremer Freihafen eröffnet werden konnte. Das Becken hat eine Länge von 2200 Meter, eine Breite von 120 Meter, welch' letztere jedoch bei der Einfahrt sich auf 60 Meter verringert, und ist von gewaltigen Kaimauern eingefasst, die auf einem Pfahlrost von 30.000 Stämmen ruhen, 7 Meter hoch und oben noch 5 Meter breit sind. Innerhalb dieser Mauern läuft ringsum ein Stollen, worin sich die Leitungen zum Betriebe der hydraulischen Kräne, die Drähte der elektrischen Beleuchtung, die Wasserleitungsröhren usw. befinden. Die Schuppen für den durchgehenden Verkehr liegen zu beiden Längsseiten des Hafenbeckens und nur gerade so weit zurück, dass zwei Eisenbahngeleise zwischen Wasserkante und Schuppen haben gelegt werden können. Hinter diesen Gebäuden, von ihnen durch eine Straße getrennt, auf welcher Eisenbahn- und Pferdebahnlinien den Güter- und Personenverkehr nach der Stadt besorgen, erheben sich die Speicher. Der Transport der Waren von den Schiffen in die schuppen und von dort in die Speicher erfolgt mittelst gewaltiger, fahrbarer hydraulischer Kräne. Am Kopfende des Hafens (im Mittelpunkte unseres Bildes) liegt das stattliche Hafenhaus mit den Betriebsgebäuden und Comptoiren. Das gewaltige Werk hat die Summe von 33 Millionen Mark verschlungen und geht vorläufig noch weit über die Anfordernisse, die der Bremer Schiffsverkehr stellt, hinaus. Erst wenn die in Angriff genommene Austiefung der Unterweser bis zum Meere vollendet sein wird, so dass die schweren Seeschiffe, welche bisher ihre Ladung in Bremerhafen löschen mussten, bis Bremen hinauf können, wird die alte Handelsstadt von der mit so großen Opfern durchgeführten Umgestaltung den vollen Nutzen haben.