Rückzug Eckmühls von Schwerin und Wismar

37. So standen die Sachen, als der Monat September anfing, eine Reihe von Tagen schon nach Eingang der Zeitung aus Großbeeren. Wallmoden hatte diese Nachricht am 26. August, und auch der Marschall hatte sie sehr bald gehabt, wie Löwendal geflissentlich hervorhebt, als Zeugnis, dass Eckmühl über den Zustand der Dinge in den Gegenden der Hauptereignisse stets gut unterrichtet gewesen sei.

Loison war zu Wismar, und Davoust stand fortwährend zu Schwerin. Wallmoden, seit dem 27. August von Grabow zurück, hatte die Stellung von Wöbbelin wieder inne, und vorwärts von ihm befand sich Tettenborn zu Ortkrug, zwei Meilen von Schwerin. Um sich den dreister gewordenen Neckereien der Kosaken und der mit ihnen aufhockenden Jäger zu entziehen, die keck durch die beim Ortkruge beginnenden Waldungen vorgingen, hatte der Marschall, der diese Gehölze von Anfang unbesetzt gelassen, seine Pikets schon zurückgenommen, als wollte er die Gegner drüben nicht ferner beachten.


Auf beiden Stellen, zu Wismar und zu Schwerin, schienen die Franzosen unbeweglich bleiben zu wollen. Mit andern Worten: es hatte das Ansehen, dass Fürst Eckmühl von der Alternative, in welche die herrschende Meinung ihn durch den Ausfall bei Berlin versetzt glaubte, nämlich sich hinfüro defensiv in Mecklenburg behaupten oder aber den Rückzug antreten zu müssen, das erstere Tcil zu wählen entschlossen sei. — Dieser Lage durfte Wallmoden unmöglich ruhig zusehen. Wie sehr auch der Marschall in der Überzahl sein mochte: Wallmoden war es der durch den Sieg von Großbeeren frisch gehobenen öffentlichen Stimmung, er war es dem wackeren Geiste seiner Truppen schuldig, seinerseits etwas zu unternehmen, um in seinem Wirkungskreise zur Befreiung Deutschlands tätig Hand anzulegen d. h. Mecklenburg vom Feinde zu säubern.

38. Da die Position von Schwerin zu gesichert war, um in der Front leicht angegriffen werden zu können, so fasste Wallmoden den Plan, gegen den nördlichen Flügelpunkt derselben zu operieren. Er setzte sich daher am Nachmittage des 2. September von Wöbbelin in Marsch über Friedrichsmoor durch den Lewitzbruch und die Gegend von Crivitz, um hinter dem deckenden, beinahe drei Meilen langen Schweriner See herum sich über Warin mit Vegesack zu verbinden und am 4. September Wismar anzugreifen. Unterdessen sollte Tettenborn fortfahren, den Marschall zu Schwerin zu beobachten und ihn maskieren.

Dieses Wallmodensche Manöver war unter den Umständen zuverlässig das einzige, welches die Wirkung haben konnte, die Franzosen und Dänen aus Mecklenburg weg und auf ihr eigenes Gebiet zurückzudrängen. Der Gedanke war um so richtiger, da man, je nach dem Erfolge, freie Hand behielt, vereint weiter zu gehen oder sich wieder auf seine früheren Punkte zu begeben. Es konnte freilich als möglicher Fall angenommen werden, dass der Marschall, den Vorgang rechtzeitig bemerkend, dem General Wallmoden südlich um den See nachfolgte, um ihn in den Rücken zu nehmen; allein bei der Schwierigkeit der Situation im Allgemeinen, worin Davoust sich dermalen schon befand, konnte eine eigentliche Gefahr wohl nicht daraus erwachsen, höchstens der vorübergehende Nachteil, einen Augenblick von der Straße nach Berlin ab- und gegen Stralsund gedrängt zu werden.

Der Geschichtsschreiber von 48 setzt den General der Ungunst aus, dass der Leser, verstimmt, dessen wirklichem Verdienste den gebührenden Beifall schmälere, wenn er das Projekt Wallmodens erst, mit ungeschicktem Ausdruck, statt des männlich würdigen Motivs, womit wir vorstehend die Wahrheit besser getroffen zu haben meinen, bloß durch „die gänzliche Untätigkeit und größere Ängstlichkeit des Feindes hervorgerufen“, und dann doch ruhmredig für etwas ausgegeben sieht, „was in jeder andern Lage und gegen einen tätigen Gegner Vermessenheit gewesen wäre.“ Ganz ebenso hatte sich auch Wallmodens eigene Schrift von 1817 schon ausgesprochen.

Die zur Beobachtung des Marschalls zurückgelassene Abteilung Tettenborn war übrigens in dem Augenblicke nicht einmal vollzählig da. Der Major von Lützow nämlich war noch nicht von seinem Streifzuge zurück (S.210). Er hatte sich, weil nach dem Überfall bei Rosenberg seines Bleibens in der Nähe der zahlreichen Truppen von Wittenförden und Eulenkrug nicht länger sein konnte, mit seiner Reiterpartei an die Südwestgrenze Mecklenburgs begeben, um dort dem Marschall Abbruch zu tun und seinen Verkehr mit Hamburg zu stören. In der Gegend streifend, hatte er erfahren, dass sich vier Kompanien Franzosen nebst einigen Ulanen vorwärts von Boitzenburg zwischen Gothmann und Altendorf befänden. Auf die Abfangung dieses Postens sinnend, war er am 31. August von Zarrentin nach Wittenburg zurückgegangen und hatte rasch 300 Mann seines Fußvolkes auf Wagen von Wöbbelin über Hagenow herbeikommen lassen, mit denen er am 1. September Abends bei Goldenbow zusammentraf. Den 2. mit Tagesanbruch langten sie vor Boitzenburg an; indes war der Feind, wahrscheinlich benachrichtigt, schon nach Lauenburg zurückgegangen. — Um diese Truppenteile des Majors von Lützow war also das Corps Tettenborns damals abgemindert, als ihm zum zweiten Male die Aufgabe zufiel, allein dem Marschall gegenüber zu bleiben.

39. Die Bewegung Wallmodens war in vollem Gange, die russisch-deutsche Legion war zum Teil durch angestrengten Marsch am 3. September Morgens zeitig schon bis Sternberg und Brüel entfernt, als plötzlich Halt zur Umkehr gemacht werden mußte. Es hatte nämlich der General Tettenborn dem Grafen Wallmoden (in Bezug auf welchen Crivitz und auch Pinnow, 1 ½ M. südöstl. Schwerin, als der Ort vorkommt, bis wohin er gelangt sei) durch Eilboten die Meldung nachgesandt, die er selbst früh am 3. September in Ortkrug erhalten, dass der Feind um Mitternacht Schwerin gänzlich verlassen und den Weg rückwärts nach Gadebusch eingeschlagen habe.

Tettenborn an seinem Teile hatte unter diesen Umständen unverzüglich die Lützowschen Truppen (deren Stab sich seit dem 27. August zu Lüblow, nahe bei Wöbbelin befand) samt dem Freibataillon Reiche und einer Zahl Kosaken in gerader Richtung nach Wittenburg in Marsch gesetzt, wo auch der Major Lützow, der die Abheilungen seiner Streifpartei inzwischen wieder an sich gezogen, am Nachmittage des 3. September mit seinem Corps zusammentraf. Eine größere Partie Kosaken halte Tettenborn schleunigst zum Vorrücken gegen Schwerin befehligt, um die Posten anzugreifen, die der Marschall, seinen Abzug zu verbergen, hatte stehen lassen, und die über den Haufen geworfen und großenteils gefangen genommen wurden.

Schon nach sechs Uhr am 3. September sah man in Schwerin die ersten Kosaken unter öfterem „Nix Franzuss?“ durch die Straßen jagen. Sie waren bald von Schwärmen munterer Jungen umgeben, und zwei von ihnen wurden durch einen Haufen, bei welchem auch der Schreiber dieses selbst sich befand, zum Spieltore hinaus geführt, wo sie in der Nähe der Bischofsmühle zwei zurückgebliebene und auf den Weg nach Wismar verirrte Franzosen erhaschten. Von deren Habseligkeiten wurde einiges unter uns in die Grabbel geworfen, und darauf der Rückzug zur Stadt angetreten, den die beiden mit reichlichen Rippenstößen vom Lanzenschaft regalirten Franzosen eröffneten. Bald darnach geschah dann ein entsetzlicher Auftritt, worin, unter Autorität von Kosaken, das aufgeregte Rache- oder Gerechtigkeitsgefühl des Volkes sich tumultuarisch Luft machte gegen einen höheren Beamten, der sich in den Verdacht verbrecherischen Einverständnisses mit den Feinden gesetzt hatte.

40. Was Eckmühl betrifft, so war bei ihm der Vorsatz zur Räumung Mecklenburgs gleich anfangs nach der erhaltenen Kunde sonder Schlacht bei Großbeeren beschlossenen Sache gewesen. Er verheimlichte gegen den Grafen Löwendal durchaus nicht den Zustand der Dinge in Preußen und was für ihn als unerlässlich daraus folge.

Sonst erfuhr in seiner Armee kein Offizier, geschweige denn ein Soldat, je etwas von nachteiligen Kriegsereignissen in der Ferne; er ließ seine Leute die Dinge so ansehen, wie die französischen Bulletins, ihre einzige Lektüre, sie darstellten. Bei der in Vergleich mit heute noch so unendlich beschränkten öffentlichen Mitteilung war es dem Marschall möglich, mit Konsequenz und mit Erfolg das System durchzuführen, seine Truppen in vollständigster Unwissenheit dessen zu erhalten, was in der militären und in der zivilen Welt vorging. Dies dünkte ihn das geeignetste Mittel, die Meinungen und Leidenschaften der Soldaten zu leiten und das, was die Basis eines Esprit du Korps ausmachen sollte, in Händen zu haben. Es leuchtet ein, dass die dadurch erzeugte intellektuelle Nullität bei den höheren Offizieren nachteilig werden konnte, sobald es sich um Ausrichtung von Aufträgen handelte, die mehr als bloß militärisch waren. Indess Davoust ließ nicht von einer Weise, die jedem denkenden und national gesinnten Manne kränkend und schmerzhaft sein musste.

Auch gegen den Major Löwendal, den dänischen Kommissär, der sich seit Eckmühls Wiedereintritt in Hamburg (30. Mai) neben ihm befunden, hatte derselbe längere Zeit mit seinen Nachrichten geheimnisvoll zurückgehalten. Das hatte sich aber unterdessen schon geändert, und jetzt betrug er sich offenherzig. „Der Anschlag gegen Berlin, sagte er zu Löwendal, ist für dies Mal fehlgeschlagen. Der Feind hat jetzt die Mittel in Händen, bedeutende Massen gegen uns zu detaschiren; wir sind zu weit vorgegangen, um ihn hier erwarten zu dürfen, da man uns leicht von Hamburg abschneiden könnte. Wir müssen daher zurückgehen und bei Lauenburg und Ratzeburg eine feste Stellung nehmen, die zugleich Holstein und Lübeck deckt.“

Die Gegend von Ratzeburg hatte er, als er dies sprach, schon durch Offiziere seines Stabes rccognosciren lassen. In der Fürsorge wegen der Sicherung seines Rückzuges von Schwerin hatt' er auch, nach Löwendal (der dies S. 91, ohne weitere Beziehung, bloß zum gelegentlichen Beweise anführt, wie berechnet Eckmühls Bewegungen immer gewesen seien) ein Detaschement nach Lauenburg beordert, durch welches die Aufmerksamkeit seiner Gegner von ihm selbst ab und in eine ganz falsche Richtung gelenkt werden konnte; und wir wissen bereits (S. 273), dass Ende August französische Truppen diesseits Boitzenburg erschienen, von denen der Major Lützow in Erfahrung gebracht hatte.

Auch der militärische Laie sieht leicht, wie verständig es vom Fürsten Eckmühl war, dass er nicht durch den kleinen Vorteil, einige Quadratmeilen feindlichen Gebietes länger besetzt zu halten, einen wichtigeren Gegenstand bloßstellen, und nicht durch partielle Gefechte eine Menge Truppen, die für ihn jetzt unersetzbar waren, aufopfern wollte. Trat er bis an die Stecknitz zurück, so war er dort der Erfolg hat das Richtige dieses Blickes nur zu glänzend für ihn gerechtfertigt — unangreifbar; er konnte daselbst die weitere Entwickelung der Dinge bei den großen Armeen ruhig abwarten, um, wenn Napoleon Glück hatte (woran Davoust vielleicht nicht mehr glaubte), seinerseits leicht wieder aggressiv vorzugehen.

Noch während seiner Anwesenheit zu Schwerin empfing der Marschall die Nachricht von dem Misslingen der alliierten böhmischen Armee gegen Dresden. Er ließ deswegen am 1. September von 12 bis 1 Uhr Mittags mit allen Glocken der städtischen Kirchen läuten, und. Nachmittags durch ein Extrablatt der Schwerinschen Zeitung eine in französischer Sprache mit nebengedruckter Übersetzung abgefasste, bis zum Abende des 27. August reichende Erzählung der Ereignisse bei Dresden verbreiten, als „offizielle Nachrichten, welche die französischen Autoritäten soeben erhalten.“ Aber in seinen Entschluss brachte dieser Vorteil, den die Napoleonischen Waffen in Sachsen davongetragen, keine Änderung. Es handelte sich für ihn nach wie vor nur noch um den geeigneten Zeitpunkt zu einem ungefährdeten Abzüge von Schwerin und Wismar.

Dies Abwarten des günstigen Augenblickes soll nach der dänischen Darstellung die wahre Ursache gewesen sein, weshalb Davoust so lange ruhig zu Schwerin stehen blieb: und jedem unbefangenen Betrachter wird diese Anschauung leicht als stichhaltig erscheinen dürfen. Der Wallmodensche Historiograph von 48, an den man ohne Unbilligkeit einen andern Maßstab legt als an die Schrift von 1817 oder an den „Tettenborn“ Varnhagens von 1814, hat es nicht der Mühe Wert gehalten, seinen Lesern diese Verhältnisse als Handhabe für ein eigenes Urteil vorzulegen. Ihm zufolge hatte der Marschall die Kunde von Großbeeren schon fünf bis sechs Tage vor seinem Abgange von Schwerin. Der Umstand wäre der Unparteilichkeit eines wahrhaftigen Historikers ein Reiz gewesen, dem Grunde des Verzuges bei den gegenteiligen Schriftstellern nachzuforschen; und ein Menschenalter nach dem Kriege hätte wohl ausreichen mögen, um durch Benutzung der inzwischen dargebotenen Mittel die Pflicht, welche man dem zuvorigen Kriegsruhme des französischen Feldherrn jedenfalls schuldig war, zu erfüllen. Unser Schriftsteller aber, in seiner Freiheit, den Geschichtsstoff zu ordnen, wusste die Sache anders anzufangen. Von dem, über jedes mögliche feldherrliche Beginnen Eckmühls ein für allemal entscheidenden — und zugleich den Grafen Wallmoden in eine beruhigende Lage versetzenden — Ereignisse bei Großbeeren vorweg sprechend, statt seinen Lesern diesen Wendepunkt vorläufig möglichst zum Vergessen zu bringen, macht er die Sache vielmehr so vorstellig, als hätte Eckmühl durch seine Operation auf Schwerin gewissermaßen schon damit angefangen, sich daselbst „um so mehr in eine lächerliche Defensivstellung versetzt zu sehen, als er mit imposantem Scheine die Offensive begonnen und schon einen Gouverneur von Mecklenburg ernannt hatte.“ Es mochte ihm schon als große Mäßigung gelten, dass der früher gebrauchte akrobatisch-drastischere Ausdruck Defensiv-„Attitüde“ vermieden wurde. Nach seiner Versicherung „ist es unmöglich, auf irgend eine Art dies ununterbrochen vom 23. August bis 3. September (?) fortdauernde Benehmen (des Fürsten Eckmühl) zu erklären, da es gar keinen militärischen Zweck erfüllte als den, dem Gegner Zeit zu verschaffen, sich zu organisieren, seine Artillerie (das heißt, fügen wir hinzu, die unterdes) fertig gewordene zweite reitende Batterie der russisch-deutschen Legion) mobil zu machen und seinen neuen ungeübten Truppen Mut zu geben.“ Wir wollen es einfach dem Geschichtsverlaufe zur Entscheidung verstellen, ob der Marschall Davoust von seinem verlängerten Aufenthalte zu Schwerin wirklich keinen Vorteil gehabt, und ob nicht Wallmoden schließlich durch den Moment, den jener für die Beendigung seiner vermeintlichen ängstlichen Untätigkeit ergriff, doch eine Überraschung erfahren habe.

41. Am zweiten September, nach einer zehntägigen Anwesenheit, fand der Abzug der Franzosen von Schwerin statt. Schon um Mittag dieses Tages begann die Bewegung aus der Stadt und den Lagern von Ostorf und Neumühl und aus der Niederlassung der holsteinischen und derartigen Bauernfuhrleute auf dem Stadtfelde, die zwischen dem bei ihrer Ankunft teilweise noch gehockten Korn arg gehaus't hatten. Gegen Mittag ging der hessische Prinz, gegen drei Uhr Nachmittags reiste Eckmühl selbst ab; und gegen elf Uhr Nachts, am 2. September, hatten die letzten Reste seiner Truppen die Stadt verlassen, ungerechnet einzelne Spätlinge, die am nächsten Morgen den Kosacken in die Hände fielen. Die Richtung war nach Gadebusch und Rehna genommen, von wo es auf Ratzeburg und Lübeck weiter ging.

War es, fragt man, ein glücklicher Zufall für den Marschall, dass sein Aufbruch aus Schwerin mit dem begonnenen Marsche Wallmodens von Wöbbelin nach Warin zusammenfiel? Löwendal selbst äußert sich hierüber nicht; allein sein Übersetzer, der Lieutenant von Jahn behauptet, Davoust habe davon gewusst, dass Wallmoden sich von seiner Front entfernte, und auch, mit was derselbe umgehe, und habe schlau genug die hierdurch ihm dargebotene Gelegenheit wahrgenommen, um seine Rückbewegung nach Ratzeburg ohne die Furcht bedeutender Beunruhigung auszuführen. Ob diese Aufstellung Grund habe oder nicht, vermag Niemand zu sagen.

An demselben Tage der Evaluation von Schwerin wurde spät Abends, auf Eckmühls Befehl, auch Wismar verlassen. Loison machte am 2. September seine Soldaten mit dem Siege von Dresden bekannt und befahl der Einwohnerschaft, diese frohe Nachricht am Abende durch eine allgemeine Illumination zu begehen und einen Ball zu arrangieren, der allerdings auch gemacht wurde und wo es nicht an französischen Offizieren fehlte. Den Truppen im Bivouak aber, bei denen Jahn sich befand, war schon Nachmittags die Weisung erteilt, sich um 9 Uhr zum Aufbruch fertig zu hallen, womit denn auch um 40 Uhr begonnen wurde. Man weiß nicht, wann die Eckmühlsche Ordre an Loison angekommen, man kann daher auch nicht beurteilen, ob die Veranstaltung des Generals bloß den Wismarschen zum Hohne sein oder ob sie den Zweck haben sollte, die Aufmerksamkeit von seinen Vorbereitungen abzuziehen. Geglaubt wurde hernach dies Letztere; bedurft hätte Loison, wie uns jetzt die Sache vorliegt, eines solchen Mittels freilich nicht.

Loisons Rückzug aus Wismar hatte einerlei Richtung mit dem des Hauptcorps über Gadebusch. Den Weg nahm von Wismar anfänglich auch die Brigade L'Allemand! Am Morgen des 3. Sept. aber musste diese nach gehaltener mehrstündiger Rast, sich rechts auf Grevismühlen wenden. Von hier gingen L'Allemands Truppen geteilten Weges weiter, so dass er selbst direkt über Schönberg auf Lübeck marschiert, unterdessen der Oberst Waldeck sich mit der ganzen Bagage, zwei Schwadronen des holsteinischen Reiterregiments, dem Bataillon holsteinischer Scharfschützen und zwei Kanonen von Grevismühlen seitwärts nach Dassow bewegte.

42. Es gab also in der Fortsetzung der Retirade zwei Hauptwege, über Gadebusch und über Grevismühlen, durch welche die Verfolgung der Eckmühlschen Armee bestimmt wurde. In der ersteren Richtung wurde von Schwerin nachgesetzt, in der anderen von Wismar her; aber von beiden Punkten zu spät oder mit zu schwachen Kräften, um dem Feinde noch einen wirklichen Schaden zufügen zu können.

Für die Verfolgung von Schwerin ward freilich nichts versäumt; allein der Vorsprung, den durch den nächtlichen Marsch selbst der feindliche Nachtrab schon gewonnen, war zu bedeutend. Dennoch bekamen die beiden am Morgen des 3. September aus Schwerin fortgerittenen Kosakenpulks, deren einer unter dem Rittmeister Herbert die Landstraße nach Gadebusch einschlug, während die andere Abteilung unter dem Grafen Münnich dem Feinde die Flanke abgewinnen wollte, jenseits Gadebusch noch Gelegenheit zu Plänkeleien mit der dänischen Nachhut, die bis Groß Thurow fortdauerten, wo der Feind sich ernsthaft setzte.

Etwas erheblicher waren die Begebnisse, die sich bei dem rechten feindlichen Flügel zutrugen, obgleich im entferntesten nicht der Art, um den Besorgnissen zu gleichen, die der Marschall gerade für diesen Teil seiner Truppen gehegt hatte. Man weiß nicht, wo der General Vegesack sich in der Nacht vom 2. auf den 3. befand. Wir wollen (weil eine Stelle im „Feldzug des Kronprinzen“ S. 174 so gedeutet werden kann)“ das für ihn Günstigste annehmen, dass er, in Erwartung Wallmodens, persönlich zu Warin, drittehalb Meilen südöstlich von Wismar gewesen sei. Durch Wismarsche Bürger soll der Abzug der Franzosen bald gemeldet worden sein. Doch kam Vegesack mit seinem Corps erst am fünften bis Grevismühlen, drittehalb Meilen vorwärts von Wismar; und inzwischen war nur eine sehr geringe Mannschaft hinter dem Feinde tätig. Die Nacht zum dritten war dunkel und regnerisch; der ungeheure Wagentrain Loisons erschwerte den Marsch; der Wegweiser führte absichtlich oder aus Dummheit die Truppen irre: es würde daher für die Vegesackschen ein Leichtes gewesen sein, den Feind einzuholen und Beute zu machen. Sind dies freilich teilweise Umstände, die man nicht wissen konnte, so trifft den General dennoch der Vorwurf, dass er sein Benehmen von Retschow konsequent auch jetzt ein zweites Mal gezeigt hat. Denn es fällt durchaus nur dem Höchstkommandierenden zur Last, dass nicht bloß am Frühmorgen des dritten die erwähnte Trennung beim Corps Loison stattfinden durfte, ohne dass bis dahin die mindeste Fahrnis zu bestehen gewesen wäre, sondern dass auch die beiden Abteilungen der Brigade L'Allemand am Abende des dritten die eine Dassow, die andere Schönberg hatten gewinnen können, ohne von einem nachfolgenden Feinde eher als in der Frühe des 4. September etwas zu Gesichte zu bekommen.

Da geriet bei Anbruch des Tages eine Reiterpartei von kaum 60 Mann, je zur Hälfte bestehend aus Schillschen Husaren des Lieutenants von Rohr und aus mecklenburgischen Jägern des Lieutenannts von Blücher (später Klosterhauptmann zu Malchow), die als Avantgarde von Wismar nach Grevismühlen geschickt waren und hier von dem feindlichen Marsch nach Dassow erfahren hatten, an der Brücke vor diesem Flecken auf eine dänische Feldwache von 120 Mann. Diese Leute waren abgesessen und riefen in der ersten Überraschung Pardon. Als sie aber die geringe Zahl der Gegner bemerkten, griffen sie zu den Karabinern, und wurden darüber niedergehauen, soweit sie sich nicht durch die Flucht retteten. Außer der erbeuteten Standarte wurden 30 Schwerverwundete und eben so viele Pferde hinweggeführt. Den feindlichen Anführer, Rittmeister von Wedel Jarlsberg. der sich durchaus nickt hatte ergeben wollen, ließ man mit gespaltenem Kopfe zurück; er wurde in der Apotheke zu Dassow verbunden, und ist bald hernach im Spital zu Kiel verstorben. Dieses eben so kurze als erbitterte und blutige Scharmützel von Deutschen mit Deutschen hatte seinen weiteren Erfolg, weil der Oberst von Waldeck mit dem Reste seiner Mannschaft aus Dassow herbei kam, wovor die Unfern zurückgehen mußten, unterdessen der Oberstlieutenant von Leschly den Wagentrain zu retten suchte. „Die mit einem glücklichen Überfall verbundene Bestürzung der Truppen war nur zu sichtbar“, sagt der Lieutenant von Jahn; allein um den Vorteil zu benutzen, der ganz außerordentlich hätte sein können, dazu würde eine beträchtlichere Anzahl der Verfolger nötig gewesen sein, und der Lieutenant von Jahn hatte kein Recht zu sagen, dass die Sieger es nicht verstanden hätten.

An demselben Morgen des 4. September hatte der Major von Arnim mit seinen Hansestischen Ulanen Schönberg erreicht, wo L'Allemand den Abend vorher eingetroffen war. Die Überrumpelung der französischen Vorposten gelang wegen der Wachsamkeit derselben nicht. Indes über dem sich entspinnenden Gefechte geschah es, dass L'Allemand, um seinen Rückzug zu sichern, obwohl er sehen konnte, dass bloß einige wenige Kavallerie ohne Geschütz hinter ihm war, die Häuser in der Nähe der Brücke über die Maurin in Brand stecken ließ, wodurch 21 Gebäude ein Raub der Flammen wurden.

Nach diesen Affairen bei Dassow und Schönberg hatte jede der beiden feindlichen Abteilungen ihren Weg fortgesetzt. Sie vereinigten sich bei Schlutup, wo sie die Nacht ungestört zubrachten. Die hanseatischen Reiter aber, durch Bewohner der Gegend an einer anderen Stelle über die Maurin geführt, waren wieder in ihrer Nähe. Die harcelirten den Feind, als derselbe am fünften früh nach Lübeck weiter zog. Die Neckereien setzten sich bis in die Nähe der Stadt fort; und da geschah es, dass bei Wesloe, eine halbe Meile von Lübeck, als man schon in der Umkehr begriffen war, der tapfere Arnim noch durch eine Kanonenkugel getötet wurde.

43. Nachdem wir so der Retirade Eckmühls flüchtigen Blickes nachgesehen, wenden wir wieder nach Schwerin um. Hier war gegen 10 Uhr Morgens am 3. September der General Tettenborn an der Spitze eines Teiles seiner Kosaken eingezogen. Auf seine Veranstaltung wurde durch die Redaktion der Zeitung sogleich ein Blatt veröffentlicht, welches die Wahrheit über die Angelegenheiten auf dem großen Kriegsschauplätze darstellen sollte. Die damals sehr bescheiden mit einem halben Bogen in Kleinquart zwei Mal wöchentlich ausgegebene „Neue Schwerinsche politische Zeitung“ war während des Aufenthalts der Franzosen nicht erschienen. Außer derselben las man zu der Zeit in Schwerin überhaupt bloß den „Hamburger Correspondenten“, der eben nichts als ein französisches Blatt war, und die „Berliner Zeitung.“ Da letztere vom 19. August an völlig ausgeblieben war und erst am 9. September wieder einging, so wusste man während der Zwischenzeit von dem Stande der Dinge bei den alliierten Armeen gar nichts, als was am 1. September die französischen Autoritäten, am 3. Tettenborn publizieren ließen, und was ferner an diesem Tage nach dem Weggange der Franzosen, der Redakteur und Verleger Bärensprung durch ein Extrablatt seiner Zeitung über die Lage vor Dresden vom 26. August (wo es für die Alliierten günstig stand) „nach direkt auf dem kürzesten Wege von den Vortruppen der Armee des Kronprinzen: von Schweden bei Luckau ihm zugekommene Nachrichten“ mitzuteilen vermochte. *)

*) Um sich von der zu einer Verbreitung der kriegerischen Neuigkeiten aus Sachsen damals erforderlichen Zeit eine Vorstellung zu bilden, möge der Leser zu der obigen Angabe hinzunehmen, was vorausgehend (S. 275) über die Eckmühlsche Veröffentlichung vom 1. September angemerkt worden ist. Mit der Expedition dieser Nachrichten an Davoust wird man in Dresden nicht gesäumt, und der Marschall seinerseits wird nicht verfehlt haben, insbesondere die Schweriner Druckerei sofort in Wirksamkeit treten zu lassen. Freilich wird diese Depesche nur auf dem Umwege über Leipzig, Magdeburg und Hamburg nach Schwerin gekommen sein. Dadurch unterscheidet sich der Fall von dem folgenden, bei Durchsicht der Zeitungen mir aufgestoßenen, Beispiele, bei welchem sich mit dem in der Sache liegenden Antriebe zur äußersten Beschleunigung der günstige Umstand verband, dass kein Hindernis obwaltete, um die Beförderung auf dem nächsten Wege zu beschaffen. Nämlich zur vorläufigen Mitteilung über das Resultat der Leipziger Ereignisse vom 18. Oktober fertigte der Kronprinz von Schweden am 19. Oktober 8 ½ Uhr Morgens einen Courier an das Militairgouvernement zu Berlin ab, wo man die Nachricht am 20. Oktober, Nachmittags 3 Uhr, als so eben eingegangen, durch ein Extrablatt der Berliner Zeitung verkündete. Eine Abschrift von diesem Zeitungsblatte gelangte dann aus dem Hauptquartier Wallmodens am 22. Oktober 8 ½ Uhr Abends nach Schwerin, und wurde am 23. Oktober durch ein Extrablatt der Schwerinschen Zeitung bekannt gemacht.

Nächst Tettenborn kamen selbigen Vormittags, unter den Freudenbezeigungen des Volkes, einige Abteilungen Wallmodenscher Truppen und dieser General selbst, bei welchem sich der mit Jubel begrüßte Prinz Adolph befand, in Schwerin an. Außerdem trafen dann auch Wallmodens Unterbefehlshaber Lyon, Arentsschildt und Dörnberg ein. Man sah die gesamte Generalität in dem damaligen Kirchnerschen Hotel beisammen.

Tettenborn verließ schon am Nachmittage des dritten die Stadt wieder. Er ritt, soweit ich damals und später gehört zu haben mich entsinne, gen Gadebusch hinaus; doch war er am Abende des dritten zu Wittenburg. Dorthin hatte er erwähntermaßen, früh am Morgen, ehe er von Ortkrug nach Schwerin kam, schon die Lützower und die Reicheschen nebst einigen Kosaken dirigiert. Nun war ihm im Laufe des Tages bekannt geworden, — und nach dem, was eben über ihn selbst und vorhin (S. 277) über die Richtungen seiner von Schwerin abgegangenen Kosaken angemerkt worden, lässt sich vermuten, wie er dies habe erfahren können — dass nämlich von Gadebusch aus eine französische Truppe von 2.000 Mann mit Geschütz links seitwärts nach Zarrentin entsendet worden war. Wahrscheinlich sollte dieselbe durch zeitige Gewinnung der Südspitze des Schaalsees den Marsch der Armee um das nördliche Ende dieses Sees nach Ratzeburg sichern und durch Zuvorkommen die alliierte Kavallerie verhindern, dass sie das Hauptcorps in der Flanke beunruhigte. Davoust, umsichtig alle möglichen Zufälligkeiten stets vorher ins Auge fassend, hatte auch an diese Eventualität gedacht, dass die Gegner seinen Rückzugsplan erraten und auf der linken Seite seines Weges etwas vorbereiten könnten, um ihm in die Quere zu kommen; und er halte deswegen schon in der Nacht vom 2. zum 3. September die Gegend von Zarrentin durchkunden lassen; indes hatte sich bei dieser Gelegenheit hier noch nichts gezeigt. Um so beruhigter mochte er wegen der unterwegs am dritten angeordneten Detaschirung sein. Allein Tettenborn hatte Kunde davon bekommen und leitete noch am Abende des Tages eine Bewegung von Wittenburg gegen Zarrentin ein, deren Befehl er dem Major Lützow übertrug. Mit Tagesanbruch am

4. September war Lützow bei Zarrentin; und so gab es an diesem und dem folgenden Tage einige nicht ganz unbedeutende Gefechtsvorfälle, die sich von Zarrentin über Teßdorf und Gudow bis in die Nahe von Mölln erstreckten, und die als das (erste) Gefecht bei Mölln bezeichnet zu werden pflegen. *)

Von Schwerin hatte Tettenborn auch, der hier gepflogenen Besprechung gemäß, eine Abteilung Kosaken nach Dömitz und Dannenberg abgehen lassen, um sich zu dem Obersten Kielmannsegge als Verstärkung und mit dem Auftrage zu begeben, die Übereibischen Gegenden dort zu durchspähen.

Bald sollten dann diese Kosaken, in der raschen Entwicklung der Ereignisse, bloß die Vorläufer des gesammten Wallmodenschen Corps sein. Da nämlich, infolge der schon gemachten Vorrückung auf dem Wege nach Warin, die Truppen Wallmodens erst bis früh am 4. September alle Schwerin zu erreichen vermochten, wo sie zwischen der Stadt und dem Haselholze kampierten, der Feind also durch seine glückliche Wahl der Zeit um einen Tag voraus und damit für die Alliierten die Möglichkeit verloren war, ihn noch einzuholen, so entschieden sich Wallmoden und die übrigen Generale für den Marsch auf Dömitz, der am 5. September mit dem ganzen Corps über Ludwigslust angetreten wurde.

44. Diese auf den ersten Blick so befremdende Bewegung Wallmodens nach Dömitz hatte ihr Motiv in der Annahme, die man sich bildete, dass Davoust, da er die Stellung von Schwerin ohne einen unmittelbar zwingenden Grund verlassen habe, vielleicht die Absicht hegen möchte, einen Teil seiner Streitkräfte über die Elbe zu werfen, um entweder Magdeburg zu verstärken oder noch eine Diversion gegen die Flanke der alliierten Nordarmee auszuführen.

Es fehlt uns vollständigst an jeglicher Erklärung alliierterseits, welche faktische Begründung diese Meinung bei ihnen gehabt habe. Sie muss aber als sehr nahegelegt erschienen sein, da auch der Kronprinz von Schweden den damals bei Brandenburg an der Hasel als Vermittlungsposten zwischen Wallmoden und der Nordarmee und Magdeburg stehenden Oberstlieutenant von der Marwitz befehligte, sich mit seiner unterhabenden Brandenburgischen Landwehrbrigade nach Dömitz zur Verfügung Wallmodens zu stellen.*)

**) Man vergleiche hiezu „das Grab bei Wöbbelin.“ S. 296.

Es bietet sich jedoch zur Aufhellung der immerhin interessanten Frage eine Vermutung dar, entlehnt aus der (273) erwähnten Beobachtung, die Lützow von der plötzlichen Rührigkeit der Franzosen an der Elbe zu machen Gelegenheit gehabt hatte, in Verbindung mit der (274) angeführten Bemerkung Löwendals, dass der Marschall selbst beflissen gewesen sei, die Augen seiner Gegner dorthin zu verleiten, um bei der projektierten Verlassung Schwerins möglichst unbehelligt zu bleiben. War nun was von Wallmodens Seite geschah, eine Folge von Eckmühls List, so erhielt dieser dafür freilich eine Strafe durch die Beunruhigung, welche ihm die Nachricht einjagte, die er bekommen hatte, „dass der Feind bedeutende Verstärkungen aus der Gegend von Berlin entsendet habe“, eine Übertreibung, die als Tatsächliches einzig und allein den Heranzug des von der Marwitz zur Veranlassung gehabt haben kann: allein der Nutzen verblieb doch ihm, indem der Irrtum, worein Wallmoden geraten war, seinem leichten Marsche nach Ratzeburg und seiner ungehinderten Festsetzung in den Lokalitätsvorteilen der Stecknitz zu Statten kam.

Wallmoden befand sich am 6. September zu Dömitz. Er hatte auch noch das Lützowsche Corps dahin beschieden. Als dasselbe jedoch, am 6. September, nach dem Gefechte bei Mölln, von Zarrentin aufgebrochen, eben bis Lübtheen gelangt war, mußte es schon am 10. wieder nach Zarrentin umkehren. Denn inzwischen hatte Wallmoden aus den Meldungen der am linken Elbufer auf Kundschaft ausgewesenen Parteien der hanseatischen und hannöverschen Jäger und der Kosaken die Überzeugung gewonnen, dass dort keinerlei Unternehmung des Feindes zu vermuten sei. Daher mußten die sämtlichen Truppen von Dömitz nach Hagenow und Wittenburg zurückgehen. Unterdessen war Davoust bereits an seinem Ziele angelangt; und es blieb dem General Wallmoden nur übrig, von Zarrentin aus, am 11. und 12. September die Stecknitzlinie zu recognosciren, in welcher sein Gegner sich seit dem 4. so unbeschwert hatte konzentrieren dürfen. Darnach nahm Wallmoden sein Hauptquartier zu Hagenow.

Die einfache Konstatierung dieser faktischen Umstände ist der beste Indemnitätsschein für den Grafen Wallmoden. Der Geschichtsschreiber freilich des Generals, nachdem er S. 25 den Marschall „zwischen seinen Seen eingesperrt“ hat, „wo er ängstlich nach Nachrichten forschte und durch Briefe, die man in Menge auffing, nichts als Besorgnisse seinerseits bewies“, dieser Historiograph wählt eine andere Vorstellungsweise, um begreiflich zu machen, wie Davoust aus der Klemme herauskommen konnte, ohne dem General Wallmoden die „Gelegenheit zu einem Angriff (auch nur) der Arrieregarde“ zu lassen. „Dieser Fehler (!), sagt er S. 29, war nicht Wallmoden zur Last zu legen, da nichts in der Welt die entfernteste Veranlassung gegeben hatte, diesen Rückzug zu vermuten, derselbe auch bloß infolge von Davoust's Unentschlossenheit plötzlich bestimmt worden war.“

Ist Varnhagen von Ense (S. 53) zu glauben, so „vermochte der Marschall Davoust, erschreckt durch die am l. September publizierten Nachrichten, die durch einen bloßen Zufall ihm diesmal zugekommen waren, die zwar mit Vorteilen begonnen, aber zu Niederlagen geführt hatten, seine ängstliche Lage nicht länger auszuhalten, sondern eilte plötzlich, von Furcht ergriffen, die Stecknitz wieder zu gewinnen. So beschloß, sagt Varnhagen, dieser Feldherr seinen mecklenburgischen Feldzug, in welchem er seinen Kriegsruhm, den er etwa mitgebracht hatte, völlig und für immer einbüßte, und mit einer beträchtlichen Streitmacht einem geringeren Truppencorps gegenüber zum Gespötte wurde.“

Varnhagens, „Tettenborn“ und Wallmodens eigene anonyme Schrift von 1817 haben zuerst den Ton für die als stereotyp fortgepflanzten Redensarten angeschlagen, denen zufolge Fürst Eckmühl zu Schwerin ein bemitleidenswerter Mann gewesen sein müsste, dem über dem kompletten Mangel aller Neuigkeiten der Verstand unbenebelt und das Herz schier entfallen war. Sieht man dagegen den Grafen Löwendal, der als täglicher Gefährte in diesem Stücke jedenfalls die Erfahrung gemacht haben konnte, so wusste der Marschall Davoust stets ganz gut Bescheid, und seine Handlungen erscheinen als Wirkungen bewusster, aus einer richtigen Anschauung der Kriegslage entnommener Gründe. Sein Verkehr mit Hamburg war, trotzdem dass ihm durch die Kosaken und zumal durch die Streifen, welche Lützow nach dem 26. August zwischen Ratzeburg und Boitzenburg machte, mehre Kuriere verloren gingen, keineswegs ganz unterbrochen. Auch sparte er weder Geld noch Mühe, um sich Spione und Auskunft, auch durch aufgefangene Briefe, zu verschaffen. Wohl wissend, was ein kommandierender General sich selbst und seiner Sache im feindlichen Lande schuldig ist, wurde kein Gefangener, sein Deserteur, kein Spion, ja sogar kein Bauer von den Dörfern außer der Linie eingebracht, die Davoust nicht selbst befragte. Diese Sorge, die dem im Felde alt gewordenen Offizier so wohl anstand, ist von jenen und von andern Schriftstellern, als wären sie ganz und gar Neulinge im praktischen Kriegsfache gewesen, verhöhnt worden. Sie hätten statt dessen durch Tatsachen dartun sollen, dass den Marschall Davoust all sein Bemühen nicht davor geschützt habe, durch seine Gegner getäuscht oder überrascht zu werden.

Mit der Festsetzung Eckmühls an der Stecknitz beginnt ein neuer Abschnitt des niederelbischen Krieges. Hier abbrechend, kann der Verfasser nichts inniger wünschen, als dass ihm sein methodisches Vorhaben gelungen sein möchte, den an sich zerstückelten und durch die unvermeidlichen kritischen Bezugnahmen etwas erschwerten Stoff in lichtvoller Uebersicht so darzustellen, dass, was Gegenstand tatsächlichen Wissens ist, leicht herausgenommen werden könnte, in demjenigen aber, was dem Bereiche der kontroversen Ansichten angehört, der zum Selbstdenken disponierte Leser das Für und Wider genugsam dargelegt fände, um sich den mit dem Nachdruck der Überzeugung eingeflochtenen Meinungen des Schriftstellers gegenüber völlig unabhängig zu fühlen. Wer heutiges Tages auf irgend welchem Gebiete menschlicher Erkenntnis vor die Öffentlichkeit tritt, der soll wissen, dass unser Zeitalter für die Orakel vom Dreifuß kein Ohr mehr hat.