Die Franzosen zu Schwerin und Wismar

23. Unterdessen Wallmoden Wöbbelin erreichte, hatte sich der Marschall Davoust, der sich seit dem 21. August um seinen Gegner gar nicht mehr bekümmern zu wollen schien, in den Besitz von Schwerin gesetzt und sich bis zum 24. in der Position zwischen den die Stadt umgebenden Seen konzentriert.

Großes Getümmel herrschte an dem genannten Tage in der Stadt, die einem Feldlager glich. Truppenteile kamen und gingen. Die wahre militärische Lage der Dinge war von den Bewohnern nicht zu erraten. Unter den sich kreuzenden Gerüchten fand den meisten. Glauben, dass Wallmoden in der Nähe sei und dass die Kosaken die Franzosen umschwärmten. Begründeter war die Nachricht, die man hatte, dass sich auch ein bedeutendes dänisches Corps im Anzüge befinde. Wirklich sah man noch am 24. den Chef dieses Corps, den Prinzen Friedrich von Hessen, in Schwerin eintreffen, wo derselbe in dem Neustädtischen Palais abtrat.


Was sich aus dem Gewirre als tatsächlicher Vorgang gestaltete, war: dass am 24. die Brigade L’Allemand von Schwerin nach Gadebusch, die Division Loison gegen Wismar abzog; dass diese Truppen durch andere des französischen Hauptcorps, welches ihnen desselben Weges über Neumühl gefolgt war, ersetzt wurden, während die größere Masse außerhalb der Stadt verblieb, teils bei Ostorf, teils auch sich zu einem Lager nach Neumühl und Lankow hin einrichtete; und dass endlich das Gros der Dänen bei Wittenförden Stellung genommen hatte.

Dieses Dorf Wittenförden war kaum eine Meile von Schwerin in gerade westlicher Richtung entfernt. Ging man von dort der Stadt zu, so passierte man, etwa mittwegs, das zwischen zwei Seen ziemlich vertieft befindliche Defilee von Neumühl. Der eine dieser Seen war der Ostorfer, welcher sich aus der südlichen Umgebung der Stadt bogenförmig bis hierher zieht; der andere war der Neumühler (oder Friedrichstaler) See, der von Neumühl in noch längerer nordwestlicher Erstreckung bis hart an die Schwerin - Gadebuscher Landstraße beim Eulenkruge reichte. Ein überbrückter Bach floss bei Neumühl aus dem Neumühler See durch einen Wiesengrund in den Ostorfer See ab, und alsbald stieg der Weg beiderseitig zu erhabnerem Terrain auf.

Die Beschützung dieses Engpasses war der Zweck der dänischen Besetzung von Wittenförden, die ihren Rückhalt an dem Lager von Neumühl hatte.

Eine ähnliche Wichtigkeit wie Neumühl kam, für die Rückendeckung der Armee von Schwerin und zugleich in Betreff der über Gadebusch einzurichtenden Kommunikation, dem Eulenkruge zu. Diese Örtlichkeit war, über Lankow und Friedrichstal, etwa anderthalb Meilen nordwestlich von Schwerin ab und zwischen der Stadt und Gadebusch in der Mitte belegen. Dem Nordende des Neumühler Sees war daselbst der Quellbezirk der Stepenitz nahe, die in ihrem nördlichen Laufe gleich mehre kleine Seen verbindet. Dadurch bildete sich ein Durchgang, dessen Verteidigung durch die hügelige Beschaffenheit des mit Gehölz bestandenen Bodens erleichtert wurde, wo wenigstens zu einem überraschenden Angriff mit bloßer Reiterei keine Möglichkeit blieb. So wurde denn auch der Eulenkrug mit einer starken Truppe Franzosen besetzt.

Beide Posten zu Eulenkrug und zu Wittenförden waren einander nahe genug, um sich mit Leichtigkeit die Hand reichen zu können.

Hiernach war die französische Stellung von Schwerin, wie im Osten von dem Großen Schweriner See, so auch auf der Süd - und Westseite, von Ostorf über Neumühl bis Eulenkrug, durch einen Wassergürtel umgeben, der die südliche Grenze des selbstgewählten militärischen Gebietes des Marschalls sein zu sollen schien. Vorposten reichten von dem Plateau von Ostorf bis zur Fähre, eine Meile Weges südöstlich von Schwerin, wo die Stör aus dem Südende des Großen Sees abfließt. Desgleichen wurden die den Ostorfer See hinauf, an dem der Stadt abgewandten Ufer befindlichen Dorfschaften bewacht und abpatrouilliert.

24. Durch die natürlichen Vorteile Schwerins für Wallmoden unnahbar geworden, nahm Fürst Eckmühl, in augenscheinlichem Zusammenhange mit dem selbstangegebenen Grundgedanken seines Verfahrens, von Schwerin aus sofort den an der Ostseeküste vorhandenen Teil seiner Gegner zum Ziele.

Er hatte zu Schwerin schon von dem Umstände Kenntnis, dass Vegesack sich von Grevismühlen auf Wismar ziehe. So detaschirte er gleich am 24. den General Loison nach Wismar. — Bei dieser Gelegenheit erwähnt Graf Löwendal, dass Loison auch etwa 2.000 Dänen bei sich gehabt habe, nachdem er schon an einer voraufgehenden Stelle, von der Infanterie sprechend, die Bemerkung gemacht, dass seine Division unter den vieren die zahlreichste und etwa 4.000 Mann stark gewesen sei; woraus denn folgen würde, dass mit der Ziffer 7.000 die Gesamtheit seiner Kombattanten so ziemlich getroffen sein möchte.

Zu Schwerin war aber auch dem Marschall unerwartet die Meldung eingelaufen, dass es doch noch Schweden zu Gadebusch (3 M. von Schwerin) gebe. Deswegen musste sich die Brigade L'Allemand noch am 24. Nachmittags dorthin aufmachen. L'Allemand fand an dem Orte keinen Feind, und ging nun von Gadebusch am folgenden Tage, den 25., über Mühleneixen auf Wismar (4 M. von Gadebusch), wo er sich wieder mit Loison vereinigte. — Die Truppe L'Allemands enthielt zwei Bataillons und eine Kompanie dänischer (wohl meistens deutscher) nebst einem Bataillon französischer Infanterie, ferner ein holsteinisches Reiterregiment und eine Escadron französischer Jäger zu Pferde, im Ganzen vielleicht 2.200 Mann mit 40 leichten Geschützen des dänischen Hauptmanns von Gerstenberg.

Das alliierte Corps, welches man in Wismar aufzusuchen gekommen, war jedoch dort nicht mehr vorhanden. Der General Vegesack war, angeblich durch ein Missverständnis, auf der Stralsunder Linie in zwei Haufen voreilig über Wismar hinaus zurückgewichen. Er hatte die eine Kolonne, bestehend aus einem Bataillon Schweden mit 4 Kanonen, aus dem im Solletat 800 Mann zählenden mecklenburgischen Musketierregimente, aus der 3. und 4. Kompanie der mecklenburgischen Fußjäger und den 600 mecklenburgische reitenden Jägern, unter dem Befehle des Kommandeurs der Letzteren, des Obersten von Müller, von Grevismühlen rechts über Neukloster nach Schwaan marschieren lassen. Mit der andern Abteilung, die fünf Bataillons Schweden samt Kanonen und der schwedischen Kavallerie (Truppen, deren Zahlbestand nirgends authentisch angegeben wird), ferner die mecklenburgische Grenadiergarde von 600 Mann, die 1. und 2: Kompanie der mecklenburgischen Fußjäger, die sechs mecklenburgische Geschütze und die 150 Freihusaren des Majors von Schill enthielt, war er selbst, Vegesack, in forciertem Marsch über Wismar, Neubuckow und Kröpelin nach Rostock gegangen. Schon sein Aufbruch war in solcher Hast geschehen, dass die mecklenburgischen Jäger, die freilich als seiterige Vorposten am entlegensten standen, ohne den Grund ahnen zu können, auf der Flucht zu sein meinten. Man findet übrigens eine Angabe, der zufolge die Jäger erst am 24. aus den Gegenden von Dassow und Schönberg (2 M. rückwärts von Grevismühlen) aufgebrochen wären.

So geriet Wismar ohne Schwertstreich in die französische Gewalt. Die Wichtigkeit dieser Erwerbung leuchtet unmittelbar ein. Der Ostsee bei Wismar ist Hohen Viecheln oder das nördliche Ende des Großen Sees, an dessen südwestlichem Ufer die Stadt Schwerin liegt, auf fünf Viertelmeilen direkten Abstandes nahe. Hätte er nicht durch den Besitz von Wismar die Flanke seiner Position von Schwerin zuvor sicher gestellt gehabt, so würde der Marschall wohl kaum einen Schritt nach Süden haben tun können, wohin doch, wie man's alliierterseits ansah, seine eigentliche Bestimmung gehen sollte. Endlich war Wismar der mögliche Ausgangspunkt für jede etwaige Unternehmung gegen Pommern.

Infolge dieser Vorgänge mit Wismar begab sich die fürstliche Familie am 25. August von Doberan nach Rostock, wohin sich vorerwähntermaßen die Regierung von Schwerin bereits am 22. verlegt hatte.

25. In Schwerin folgerte man schon am 25. aus all den Anordnungen, von denen man Zeuge war, dass die Franzosen nicht an einen nahen Wiederaufbruch dachten, sondern sich vielmehr festsetzen zu wollen schienen.

Von merklichen Ungebührlichkeiten war ihre Ankunft nicht weiter begleitet gewesen, als dass die Vorstadt am eisten Tage hart mitgenommen war, weil den Bedürfnissen der außerhalb, bei Ostorf, lagernden Truppen auf andere Weise in der Eile nicht hatte genügt werden können. Dann aber war noch am 23. den Bewohnern Sicherheit der Person und des Eigentums zugesagt; und seit dem 24. blieb mehren für diesen Zweck, unter Teilnahme von Privatpersonen, niedergesetzten Büro, die einem Generalbüro untergeordnet waren, die Ausführung der zahlreichen Requisitionen aller Art, an Vieh, Lebensmitteln. Getränken, Fourage u. s. w. überlassen, welche die französischen Autoritäten der Stadt zustellten. Ward z. B. eine Quantität Rindfleisch gefordert, so suchten die Kommissäre des Büros die geeigneten Schlachttiere auf, schätzten sie an Ort und Stelle ab und ließen sie, gegen Einhändigung einer Verschreibung an den Eigentümer, wegführen.

Darnach wurden dann in der Vorstadt eine Bäckerei, und zwei Lazarette angelegt. Die Domkirche und die Kreuzgänge derselben wurden zu Magazinen eingerichtet, wo man gleich die reichlichen Lebensmittel unterbrachte, die am 27. in einer großen Menge Wagen auf der Straße von Hamburg, wie es hieß, angekommen waren, ungeachtet Tags zuvor der Major von Lützow bei Rosenberg zwischen Schwerin und Gadebusch einen beträchtlichen Transport weggenommen hatte.

Dass der in der Bildung begriffene Landsturm gleich Eingangs aufgelöst wurde und die Waffen abgeliefert werden mussten; dass man die Schlüssel vom Schlosse herausforderte und die dort aufbewahrten Armaturstücke, darunter auch zwei Kanonen, an sich nahm, das sind Dinge, die sich von selbst verstehen. Ebenso wenig wird man eine Anklage daraus machen dürfen, dass am 29. durch öffentlichen Anschlag der Obrigkeit (eine damals übliche Weise) den Einwohnern alles Reden über politische Gegenstände untersagt wurde. Sonst ist während der Dauer der Okkupation in Schwerin Niemand persönlich angetastet; nur dass einzelne Leute, wegen besonderer Veranlassungen, auf kurze Zeit unter die Aufsicht von französischen Gendarmen gesetzt wurden.

Auch waren die Schweriner verständig genug, um nicht durch ein widerspenstiges oder feindseliges Betragen die Unannehmlichkeiten zu vergrößern, welche die Verhältnisse gebieterisch ihnen auferlegten. Das würde den Zorn des Marschalls hervorgerufen haben, der die unbedingteste Unterwerfung unter das militärische Gebot verlangte. Als einer der ersten französischen Krieger, den die Revolution schon als Offizier vorgefunden — er war 1770 aus einer adeligen Familie in Bourgogne geboren — und der seitdem beständig in feindlichen oder eroberten Ländern gelebt hatte, war er es so gewohnt geworden, Strenge gegen die Völker zu üben, in deren Mitte er keinen Freund voraussetzen durfte, und selbst da keine Schonung gelten zu lassen, wenn auch nur das soldatische Ansehen dem Volke gegenüber beeinträchtigt scheinen konnte.

Wir wollen zur Charakteristik Davoust' in diesem Punkte eine Erfahrung schrecklichster Art mitteilen. Sie ist freilich nicht in Mecklenburg gemacht, sondern in dem lauenburgischen Kirchdorfe Mustin, und auch erst in der Zeit, nachdem die Franzosen sich Anfangs September aus unserm Lande zurückgezogen und die Stellung an der Stecknitz eingenommen hatten.

Östlich von Ratzeburg gelegen, war Mustin damals eines von den Dörfern, die sich unbesetzt zwischen den beiderseitigen Linien befanden, und die dadurch in die traurige Lage gerieten, dass sie von beiden Teilen heimgesucht wurden, die nicht bloß für ihren eigenen Bedarf Lebensmittel, Futter. Gerüche u. dgl. suchten, sondern auch beflissen waren, dem Gegner nichts, was der gebrauchen könnte, übrig zu lassen. Das Dorf war schon erschöpft, und wurde dennoch täglich von Marodeurs abgestreift. Einstmals nun wurden einige dergleichen Gäste von den einzelnen zurückgebliebenen Bauern in der Verzweiflung mit Prügel fortgejagt. Als der Marschall zu Ratzeburg dies erfuhr, ließ er am nächsten Tage 200 Mann in das Dorf rücken, und diese ergriffen aus Mangel der wirklichen Beleidiger der Soldaten die ersten drei Menschen und schossen sie ohne Weiteres auf der Stelle nieder.

Das Faktum ist richtig; denn es ist uns durch Löwendal verbürgt, der es, in seinem Bemühen unparteiischer Schilderung, als eines der Beispiele von der Fluchwürdigkeit des Systems aufstellt, das den Franzosen durch Napoleon so geläufig geworden sei. Welcher andere französische General hier auch kommandiert hatte, er würde, meint Löwendal, wie Eckmühl gehandelt haben. Allerdings darf der Feldherr in feindlichem Lande keine Gewalttätigkeit des Volkes gegen die militäre Macht dulden, selbst wenn sie einen Ursprung wie diesen hier hatte; denn wenn man sie litte, so würde diese Art Selbstverteidigung sehr bald in Feindseligkeiten ausarten, die der Armee eine ihrer Bestimmung nicht einsprechende Arbeit verschafften. Allein es ist und bleibt doch immer ein Unterschied zwischen dem Züchtigen einer an sich unbedeutenden, durch die Not eingegebenen Wehr gegen Marodeurs und dem Strafen für eigentliche Widersetzlichkeit oder Aufruhr. Eine solche Berücksichtigung aber kannte Eckmühl nicht; er besaß kein Gefühl für Menschlichkeit, sobald er den blinden Gehorsam von Seiten der Zivilen aus den Augen gesetzt glaubte, die er nun eben bloß als leidende und gehorchende Wesen betrachtete. So wollte es die raison militaire et politique, die man in der langen Napoleonischen Schule gelernt hatte.

In der Naturanlage des Mannes befand sich eine Neigung zur Härte eigentlich nicht, im Gegenteil wird von ihm gerühmt, dass er etwas Mildes in seinem Wesen gehabt, dem er außer dem Dienst, im täglichen Kreise gern nachgelebt habe. Öffentlich erschien er stolz und gebietend, begünstigt darin durch die Ansehnlichkeit seiner Gestalt. Er hatte das Maß eines Mannes von beträchtlich mehr als gewöhnlicher Größe, war stark ohne zu viel Fülle der Leibesbeschaffenheit, mit hoher Stirn, den Vorkopf von Haaren entblößt, eine goldene Brille auf der scharf geschnittenen Nase. Nach der Erinnerung, worin mehre Personen hier in Schwerin übereinstimmend ihn sich noch heute vergegenwärtigen, war seine Gesichtsbildung zart, fast weiblich. Sein Zorn war leicht erregt, aber nur durch zwei Ursachen, durch Nachlässigkeit im Kriegsdienste und durch verspürten Unwillen auf Seiten der Einwohner oder bürgerlichen Beamten. Dann kannte er keine Beherrschung mehr; und selbst Generale haben die bittersten Dinge aus seinem Munde hinnehmen müssen. Doch verrauchte die Aufregung bald, und er war zu edelgesinnt, um darnach noch einem Groll Raum zu geben. Seine politische Ehrenhaftigkeit hat er hinlänglich bewährt bei Napoleons Sturz, der ihn bekanntlich noch zu Hamburg antraf, und durch die Art, wie er sich darauf zu den Bourbons stellte. So war er denn auch nicht bloß der uneigennützigste Mensch, der es tief unter sich erachtet hätte, die unbeschränkte Gewalt, worin er sich so lange Zeit befunden, irgendwie für seinen persönlichen Vorteil zu benutzen; der nichts besaß, als was er der Gunst seines Kaisers verdankte; und dessen Hauptquartier in Hamburg dieser Stadt, wo er vor dem russischen Kriege schon als Generalgouverneur gestanden, im Verhältnis der Zeitdauer, bei weitem nicht so viel gekostet hat, als ihr das Befreiungsprotektorat eines Tettenborn zu stehen gekommen ist: sondern Davoust war auch ein abgesagter Feind aller partikulären Eigenmächtigkeiten der Untergebenen, so wie jeder unnötigen Bedrückung und Schädigung der Gegenden, die er überzog. Der Befehl in letzterem Betreff wurde während dieser Campagne zu wiederholten Malen eingeschärft; die Ordre, dass die Wegnahme anderer Sachen als Lebensmittel wie Raub angesehen werden würde, ward mehre Male in Erinnerung gebracht. Bei den Durchmärschen durch die Städte und Dörfer hatten die Gendarmen, welche die Polizei bei der Armee handhabten, die Weisung, einen jeden Marodeur oder in Plünderung begriffenen Soldaten zu arretieren und dem Prevotalgerichte zu überliefern. Als Lauenburg mit stürmender Hand genommen worden, war ein Teil Soldaten am Ende der Stadt mit Plündern beschäftigt gewesen. Einige Einwohner waren klagend zu Eckmühl gelaufen, als dieser durch die Hauptstraße ritt. Sogleich war er nach dem bezeichneten Orte gesprengt, hatte mit seiner ganzen Suite auf die Marodeurs eingehauen und die Gendarmen für die Befolgung seiner Befehle verantwortlich gemacht.

Indessen war der Höchstkommandierende mit seinem besten Willen den in den Napoleonischen Armeen einmal zur Gewohnheit gewordenen gewalttätigen und räuberischen Neigungen gegenüber im Ganzen ziemlich ohnmächtig. Er konnte es kaum weiter bringen, als dass dergleichen nicht unter seinen Augen geschah. Und das erreichte denn auch Eckmühl, dass bei seinem Hauptquartier zu Schwerin wie anderswo eigentliche Exzesse nicht vorfielen. Wo er nicht anwesend war, da freilich behielten die Willkür, die eigenmächtigen Requisitionen, das Marodieren ihren freien Spielraum; und diesem Unwesen war begreiflich das platte Land am leichtesten ausgesetzt; jedoch ist notorisch, dass unsere Landbewohner mit den Franzosen nicht so übel als durch die Nationaldänen gefahren sind, die sich neben allem Übrigen sehr häufig in einer rohen Zerstörungslust gefielen.

Bei den durch die militärischen Behörden ausgeschriebenen Requisitionen, die für eine so beträchtliche Truppenzahl, auch ohne stattfindenden Betrug, natürlich einen großen Umfang haben mussten, trat dann die Habgier der französischen Kommissäre und Employes in Wirksamkeit, die ihr Handmerk in vieljähriger Übung meisterhaft gelernt hatten, trotz all der Formalitäten in, dem Verwaltungszweige der Armee, durch welche ihren Unterschleifen vorgebeugt werden sollte. Löwendal urteilt an einer Stelle, die Verfahrungsweise dieser Menschen habe die Folge gehabt, dass den Truppen immer nur ein Drittteil von dem zu Gute gekommen sei, was das okkupierte Land hergeben musste; und so mag die Klage der gefangen eingebrachten Dänen, dass Eckmühl nicht für sie gesorgt und dass sie hätten Mangel leiden müssen, ihre Erklärung finden, ohne dass den Fürsten selbst der Vorwurf träfe, den Varnhagen auf ihn wälzt.

Blieb nun begreiflich durch die Erfordernisse der Einquartierung, durch die großartigen Ausschreibungen, durch die mancherlei vom Kriege unzertrennlichen Einbußen und Plackereien die Bürde für unsere Stadt fühlbar genug, so hat Schwerin doch, den Umständen nach, viel weniger gelitten, als man vorher befürchtet hatte; ja „als Feinde betrachtet, sind die Franzosen (so spricht sich, nach ihrem Fortgange, unter dem frischen Eindruck des Erlebten auch die damalige Schwerinsche Zeitung aus) mit großer Mäßigung und Schonung verfahren.“ Das beste Zeugnis für den Prinzen von Eckmühl liegt in der Erfindung, die man zur Erklärung der Gelindigkeit seiner Handlungsweise zu machen den Einfall hatte und die besonders Varnhagen in unziemendster Redeweise verbreitet hat (S. 53 f.), dass ihm nämlich durch Napoleon die mecklenburgischen Lande zugesagt gewesen seien, oder dass er selbst sich solchen Lohnes in Hoffnung versehen und also durch Schonung seines vermeintlichen Eigentums die Bevölkerung für sich einzunehmen gesucht habe. Wenn aber in der Schrift über Wallmoden gesagt wird, dass der Fürst schon einen Generalgouverneur für Mecklenburg ernannt gehabt habe, so ist das eine Aufstellung, der die Möglichkeit des Nachweises fehlt.

Anderen Sinnes als Davoust schaltete in seinem Machtkreise der General Loison. Er war ein Mann, in dessen militärische Geschicklichkeit jener vor den übrigen Unterfeldherrn das größte Vertrauen setzte, sonst aber ein Gewaltmensch, einarmig, der sich fühllos nicht bloß an gewöhnlichen Schonungslosigkeiten nicht genügen ließ, und nicht bloß von der Stadt Wismar eine Brandschatzung von 40.000 Talern erpresste und den Requisitionen eine solche Ausdehnung gab, dass er bei seinem Abzüge einen Train von nahe 100 Wagen mit sich schleppte, sondern der auch durch geradezu frevelhafte Handlung seinen Namen in den Verruf des Bösewichts gebracht hat. Bei seiner Ankunft, so erzählt der schon früher einmal genannte Dr. Francke zu Wismar, hatte Loison das Postbüro in Beschlag genommen. In einem der gehaschten Briefe hörte man einen jungen Mann scherzweise seine Braut vor dem einarmigen Loison warnen. Der General, dies erfahrend, lässt das Mädchen vor sich bescheiden; ihr Pflegevater, auf ritterliche Gesinnung bauend, und mit Einäscherung seines Hauses im Fall der Weigerung bedrohet, geleitet die Zitternde selbst dahin; er wird vor der Türe durch die Schildwache zurückgedrängt; das Mädchen aber ist wenige Monate darnach im Trübsinn verstorben. Das ganze Verfahren dieses Generals in Mecklenburg hatte so viel Hass auf ihn gezogen, dass, als 1815 die Mecklenburger vor Longwy rückten, sie nur mit Mühe verhindert werden konnten, sein Landgut Longue la Ville in Asche zu legen.