Der Feldzug 1806 und 1807

Durch den Basler Frieden (April 1795) erkannte Preußen an, dass es nicht mehr mit der Gewalt der Waffen gegen die Grundsätze der französischen Revolution kämpfen wollte; es hat dafür den Vorwurf hören müssen, dass es das deutsche Reich verlassen habe, denn nun habe der Reichstag zu Regensburg ein Ende mit Schrecken genommen. Eben so gute Gründe ließen sich anführen, dass gerade der Sturz dieses heiligen, römischen Reichs, das weder heilig, noch römisch, noch Reich war, dazu beitrug, neue Lebenskraft im deutschen Volke aufzuregen.

Wohl ist es wahr, dass die Diplomatik Preußens in den Iahren 1795 — 1806 sich schlecht bewährt hat, aber die strengste Züchtigung erfuhren gerade die, die sich ihrer Pfiffigkeit am meisten gerühmt hatten. Die Sünden eines Kongresses dürfen dem Volke nicht angerechnet werden und in der Geschichte eines Staats soll man sich nicht mit moralischer Wagschale bei dem einzelnen Tage aufhalten, hier geben Jahrhunderte den Ausschlag und die Entscheidung.


Die Demarkationslinie, die unter preußischem Schutz das nördliche Deutschland decken sollte, wurde von Frankreich verletzt, aus Holland das verwandte Oranische Haus vertriebcn, in dem Frieden von Campo Formido die Verträge von Basel nicht geachtet; — Preußen schwieg. An dem schändlichen Meuchelmord der französischen Gesandten, die Rastadt unverrichterer Sache verließen, hat Preußen keinen Anteil gehabt, Österreich allein hat sich darüber zu rechtfertigen gesucht. Der Krieg dieser Macht mit Frankreich brach im Jahr 1799 wieder aus, Russlands Anträge durch den Fürsten Reppnin, der 1798 in Berlin war, zu einer Verbindung gegen Frankreich, lehnte Preußen ab. Man wollte zusehen, wie die andern im gegenseitigen Kampfe sich aufrieben, um hernach mit ungeschwächter Macht unter die Geschwächten mit schiedsrichterlicher Anmaßung treten zu können. Wie sehr betrog man sich! Der Friede von Lüneville wurde geschlossen, ohne dass Preußen seine Stimme dazu gab. —

Der ängstlich Gewissenhafte wird unschlüssig und charakterlos; für ihn ist die Wahl die Qual, er trifft nie das Rechte.

Im Feldzug 1806 wollte sich Preußen wiederum mit der Flauheit der vorigen Jahre auf die Lauer legen; die Verletzung des Anspachischen Gebiets durch den französischen Durchmarsch, die Ankunft des Kaisers Alexander in Berlin veranlassten das Bündnis vom 3ten November 1805 mit Russland. Ein Teil des Heeres brach auf, zugleich aber wurde der Graf von Haugwitz in das französische Hauptquartier nach Wien gesendet, zugleich auch mit England wegen der Hilfsgelder unterhandelt. Ulm war am l4ten Oktober 1806 gefallen, Preußen blieb ruhig, ohne zu ahnen, was ein Jahr spater an demselben Tage ihm für ein Los fallen sollte. Die Schlacht von Austerlitz ward geschlagen und der Graf Haugwitz, der in Wien noch mit schiedsrichterlicher Miene aufgetreten war, schloss noch vor dem Preßburger Frieden mit Frankreich einen Vertrag ab, wodurch Preußen die bisher noch behauptete Oberherrschaft in Norddeutschland aufgab; der lüsterne Tritt nach Hanover ward von England durch die Wegnahme vieler hundert preußischer Schiffe gerächt; auch Schweden erklärte den Krieg, beides eine Folge des endlichen Abschlusses eines Vertrags mit Frankreich, den Haugwitz von Paris nach Berlin sendete. Auf Napoleons Begehr wurde der Kabinettsminister von Hardenberg, als ein Feind Frankreichs, entlassen, aber die öffentliche Stimmung oder vielmehr das laute Geschrei der Menge schloss sich den geheimen Beschlüssen des Kabinetts nicht an; dem Grafen Haugwitz wurden bei seiner Ankunft in Berlin die Fenster eingeworfen. — Wohl tut es einem jeden Staate Not, die öffentliche Stimme zu vernehmen, aber nicht die, welche auf Märkten und Straßen tobt und von der Polizei in den Weinhäusern belauscht wird, sondern die Stimme, die in den Kammern der Volksvertreter sich hören lässt!

Wie die Unterhandlungen Frankreichs mit England wegen des von Preußen besetzten Hanovers, wie die Auflösung des deutschen Reichs durch den Pariser Befehl vom 1sien August 1806, wie der rheinische Bund, dem entgegen sich Preußen vergeblich bemühte, einen nordischen Bund zu Stande zu bringen, vornehmlich die Kriegserklärung Preußens an Frankreich herbeiführten, gehört in eine größere Darstellung der Geschichte des preußischen Staats. Hier soll nur, um die Parteien, wie sie gegen einander in Frankreich und Preußen auftraten, unverkennbar zu bezeichnen, einiges erwähnt werden, was die Eine und die Andere in Beziehung auf den Krieg öffentlich aussprach.

In dem preußischen Kriegsmanifest gegen Frankreich aus dem Hauptquartier zu Erfurt am 9ten Oktober — aus dem Gänsekiel des Herrn Genz und des Herrn von Lombard geflossen — heißt es am Schluss:

„Die Begebenheiten des Krieges, der sich eröffnet, sind in der Hand der allerhöchsten Weisheit. Der König überlässt andern vorzeitige Prahlereien, wie er ihnen so lange den traurigen Genuss mutwilliger Beleidigungen und unverantwortlicher Lästerungen überließ. Aber Er führt zum Kampfe eine Armee, die ihres Ruhmes würdig ist. Aber Er beherrscht eine Nation, auf die Er stolz sein kann. Aber Fürsten, die Zierde des deutschen Namens, Seiner Dankbarkeit, Seiner Redlichkeit gewiss und die wenigstens an Seiner Seite den Sieg nicht fürchten dürfen, haben ihre Fahnen mit den Seinigen vereint. Aber ein Souverain, der einen der ersten Throne der Welt durch seine Tugenden ehrt, ist von der Gerechtigkeit seiner Sache durchdrungen. Aber die Stimme der Völker ruft und segnet allenthalben seine Waffen; und selbst da, wo das Schrecken sie verstummen heißt, meldet sie sich um so dringender an. Mit so vielen Bewegungsgründen zum Bewusstsein seiner Kraft und zur Ruhe ist es Preußen wohl erlaubt, fortdauernd an seine hohe Bestimmung zu glauben.“

In der Proklamation an die preußische Armee von demselben Tage heißt es:

„Es ist Sr. Majestät nicht unbemerkt geblieben, dass die Armee längst den Krieg gewünscht und wenn gleich Rücksichten, die allein aus ihrem Standpunkte richtig erwogen werden können, Sie abhielten, diesem Wunsche früher nachzugeben, so haben Sie ihn doch geehrt, da Sie sich überzeugt halten, dass er nur aus wahrer Ehr- und Vaterlandsliebe, welche die Armee immer in so hohem Grade an den Tag gelegt hat, entsprossen ist. — — Se. Majestät sind überzeugt, dass schon die Erhaltung der Nationalehre und des Ruhms, den Friedrichs Geist über seine Preußen verbreitete, die Armee zu der gewohnten Tapferkeit und willigen Ertragung aller im Kriege unvermeidlichen Mühseligkeiten hinlänglich aufmuntern würde, allein dieser Krieg hat noch mehrere, noch allgemeinere Zwecke etc.“

Der Kaiser von Frankreich war am 6ten Oktober zu Bamberg eingetroffen, er erließ an diesem Tage folgenden Aufruf an sein Heer:

„Soldaten!“
„Die Anordnung zu eurer Rückkehr nach Frankreich war getroffen, schon hattet ihr euch den Grenzen genähert. Triumphfeste erwarteten euch und zu eurem Empfange hatte man in der Hauptstadt die Zubereitungen veranstaltet. Aber während wir uns mit so viel Zuversicht zurückzogen, schmiedete man unter der Maske von Freundschaft und Bündnis neue Ränke, das Kriegsgeschrei ertönte zu Berlin. — — Soldaten! keiner ist unter euch, welcher auf einem andern Wege, als dem der Ehre nach Frankreich zurückkehren möchte; nur unter Triumphbögen müssen wir dort einziehen. Wie! haben wir nur desswegen den Jahreszeiten, den Meeren und Wüsten getrotzt, das mehrmals gegen uns verbundene Europa besiegt, unsern Ruhm von Osten nach Westen getragen, um heute unsere Verbündeten zu verlassen, in unser Vaterland wie Flüchtlinge zurückzukehren und sagen zu hören, dass Entsetzen die französischen Adler bei dem Anblick der preußischen Waffen ergriffen habe; schon sind sie gegen unsere Vorposten herangekommen. Nun denn aufgebrochen! weil die Mäßigung eine solche unbegreifliche Aufgeblasenheit nicht besänftigen konnte; die preußische Armee erfahre das nehmliche Los, welches dieselbe vor vierzehn Jahren getroffen hat, sie wisse, dass es leicht ist, Land und Macht durch Freundschaft des großen Volks zu vergrößern; seine Feindschaft aber schrecklicher sei als die Stürme des Ozeans.“

Bei aller Zuversicht des Friedens ließ Napoleon es dennoch nicht unversucht, noch zum Frieden zu raten, er schrieb, aus dem Hauptquartier Gera am 12ten Oktober, noch einen Brief an den König von Preußen, der gewiss vornehmlich den Zweck hatte, im Fall eines Unglücks vor dem Senat und dem Volke sich rechtfertigen zu können; es heißt darin:

„Ich schätze keinen Sieg, der durch das Leben einer beträchtlichen Anzahl meiner Kinder erkauft werden wird. Wenn ich meine militärische Laufbahn erst begönne und wenn ich noch die Gefahren der Gefechte zu fürchten hätte, dann wäre diese Sprache wohl sehr am unrechten Orte. — — Ich will keinen Nutzen aus dem Schwindelgeist ziehen, der sie Conseils beherrscht und der politische Missgriffe, worüber Europa erstaunt, und militärische Fehler, von denen Europa in kurzem wiederhallen wird, hat begehen lassen. Sire, Ew. Majestät werden besiegt werden; in diesem Augenblick haben Sie noch keinen Verlust erlitten und Sie konnen mit mir auf eine Ihres Ranges würdige Art unterhandeln; ehe ein Monat vergeht, werden sie in einer sehr verschiedenen Lage traktieren. — — Wenn Sie auch in mir keinen Alliirten mehr finden, so werden Sie doch einen Mann in mir finden, der wünscht, nur Kriege, die die Politik meiner Völker fordert, zu führen und kein Blut in einem Kriege mit Souverains zu vergießen, die mit mir keine entgegengesetzten Interessen in Hinsicht der Industrie, des Handels und der Politik haben.“

Dies mag hinreichen, um den Geist kennen zu lernen, mit dem von beiden kriegführenden Mächten der Kampf eröffnet wurde, der, wie unglücklich er auch für Preußen endete, uns noch manche ruhmwürdige Tat auf der Seite der Besiegten zeigt.

Unsern Helden suchen wir auf im Getümmel der Schlacht; denn unleidlich ward es ihm, wenn in stattlicher Versammlung die Herren, was leicht zu entscheiden war, mit wiederkehrenden Gesprächen überlegten. Da eilte er fort, so bald es möglich war, und rasch aufs Pferd mit tiefem Atemzuge, hinaus, wo das Verlangen, vorzudringen, zu besiegen, zu erhaschen, seine Faust zu brauchen, zu besitzen, zu erobern, durch die Seele des Helden glüht, wo der Soldat sein angebornes Recht auf alle Welt mit raschem Schritt sich anmaßt und in fürchterlicher Freiheit wie ein Hagelwetter durch Wiese, Feld und Wald verderbend streicht und keine Grenze kennt, die Menschenhand gezogen.

Schlimm war es, dass die Diplomaten sich die Entscheidung, anmaßten in der Zeit, wo an der Spitze des Heeres der unumschränkte Feldherr stehen sollte, schlimmer noch, dass unter den Feldherrn selbst, besonders zwischen dem Herzoge von Braunschweig und dem Fürsten von Hohenlohe ein ganz feindseliges Verhältnis Statt fand, was der eine riet, verwarf eigensinnig der andere. Man stritt sich in Erfurt noch über den zu ergreifenden Kriegsplan, während man aus dem zweiten Bülletin vom 12ten Oktober, in dem unverholen die Fehler der Preußen noch vor der Entscheidung der großen Schlacht ausgesprochen waren, sich am besten über die eigne Lage hatte unterrichten können. Darin hieß es: „Weder Dresden noch Berlin sind durch ein Armeecorps gedeckt. Auf der linken Seite umgangen in dem Augenblick, wo sie zur Ausführung der gewagtesten Unternehmungen schreiten wollte, auf der Tat ergriffen, befindet sich die preußische Armee gleich am Anfange in einer kritischen Lage.“ Und so war es auch; die Stellung des ganzen preußischen Heeres auf dem linken Saalufer gab dem Feinde den linken Flügel, gab ihm Dresden und Berlin preis.

Der Prinz Louis Ferdinand bezahlte seinen heldenmütigen Angriff am 10ten Oktober mit dem Leben, sein Fall aber war dem Heere nicht ein Ruf zur Rache, die Flüchtlinge von Saalfeld verbreiteten Mutlosigkeit unter denen, die bei Jena standen.

Ein dichter Nebel verbarg am 44ten Oktober die von allen Seiten und auf den beschwerlichsten Wegen gegen das geteilte preußische Heer heranziehenden Franzosen, Hohenlohe wurde bei Jena geschlagen, das Heer des Königs unter des Herzogs von Braunschweig Befehl in denselben Stunden bei Auerstädt zerstreut.

Bei der Besinnungslosigkeit, die fast alle Anführer befallen hatte, zeigte sich Blücher besonnen und kalt.

Anfangs des Krieges hatte er in den preußisch-westfälischen Landen zugleich mit dem General Schulenburg ein Heer gesammelt, mit dem er später unter dem Befehl des General Rüchel gestellt wurde. Am Tage der Schlacht von Auerstadt befehligte Blücher den rechten Flügel des königlichen Heeres, er war von dem Rüchel'schen Corps abgerufen und hatte nicht so viel Zeit, vor der Schlacht, die man nicht so nahe glaubte, die Gegend und die unter seine Führung gestellten Truppen kennen zu lernen, von denen ihm nur erst ein Teil überwiesen worden war. Er führte den Vortrab; zwischen Poppet und Tauchwitz traf er auf die Division Gudin, die er, wie unvermutet ihm auch im Nebel die Begegnung war, nach Hassenhausen zurücktrieb; noch immer fehlten ihm die Fußregimenter, die Reiterei machte vergebliche Angriffe auf das feindliche Fußvolk, das durch die Geschütze und durch den Nebel gedeckt stand.

Der Herzog von Braunschweig befahl, den Angriff nicht fortzusetzen, bevor der Nebel gefallen sei, der Feldmarschall Möllendorf, der hier im Trüben guten Fischzug zu halten meinte, ließ die Angriffe fortsetzen. Blücher verlor sein Pferd, rasch warf er sich auf das seines Trompeters, der Rückzug, den er durch Auerstädt zurücknahm, war geschlossen. — Der Herzog von Braunschweig war tötlich verwundet worden, der König übertrug dem Fürsten Hohenlohe den Oberbefehl, das gemeinsame Unglück machte die Feldherrn noch immer nicht einmütig; der General Kalkreuth, der sich zurückgesetzt glaubte, verließ das Heer und folgte dem Könige.

Der Rückzug war nach Magdeburg angeordnet; Blücher führte, von der bunten Verwirrung der andern getrennt, eine Schaar von 5.000, mit denen er sich nur zu lange noch unter den Feinden aufgehalten, in besserer Ordnung mitten durch die Franzosen hindurch, als andere Feldherrn, die mit den Ihren zu frühzeitig sich entfernt hatten. —

Am 16ten Oktober sah sich unser Feldherr von allen Seiten durch den überzähligen Feind eingeschlossen, hatte er auch mit der müden Reiterei den Versuch, sich durchzuschlagen, gewagt, so hätte er sein Fußvolk verlassen müssen, Tapferkeit konnte hier nicht retten, da griff die Geistesgegenwart des entschlossenen Kriegsmannes zu einer Waffe, die auch nur der Mutige mit gutem Erfolge führt, zur List.

Vor ihm hielt der französische General Klein, hinter ihm folgte General Lasalle, da war nicht Zeit zu langweiligem Kriegsrat, Blücher ritt mit einem Trompeter und einigen Offizieren an den General Klein heran und beteuerte ihm den abgeschlossenen Waffenstillstand, der Oberst Massenbach, der den Brief Napoleons vom 12ten Oktober an den König gelesen hatte, führte aus diesem mit vieler Beredtsamkeit Beweisstellen an, und die Franzosen wurden von den Deutschen überlistet und unserm General wiederfuhr die Genugtuung, dass Napoleon in seinem elften Bulletin vom 19ten Oktober aus Merseburg schrieb:

,,Der preußische General Blücher ist mit 6.000 Mann mitten durch die Division Dragoner des General Klein, der ihn abgeschnitten hatte, durchgekommen. Er gab vor, es sei ein Waffenstillstand von sechs Wochen zu Stande gekommen und der General Klein hat die Einfalt gehabt, es zu glauben.“

An demselben Tage noch schlug Blücher durch eine kleinere Abteilung der Feinde, die bei Nordhausen ihm den Weg vertreten wollte, sich durch. Das Corps, das bei Halle unter dem Prinzen von Würtemberg am 17ten Oktober geschlagen worden war, wurde unter Blüchers Befehl gestellt; glücklich hatte er die Elbe hinter sich, nicht so gelang es ihm, die Oder zu erreichen. Er deckte nach dem Abzuge von Magdeburg, wo das Heer wenig Erholung gefunden hatte, den Rückzug des Fürsten von Hohenlohe mit einer Schaar von 11.000 Mann. Am 26sten Oktober erhielt er von dem Fürsten Hohenlohe den Befehl, sich ganz an ihn anzuschließen, Blücher antwortete, dass er mit seinem so ermüdeten Heere Nachtmärsche mehr fürchten müsse, als den Feind, und dies mag die Veranlassung gewesen sein, dass beide Feldherren nun gänzlich von einander getrennt wurden. Die Ergebung des Fürsten bei Prenzlau am 28sten Oktober erfuhr Blücher, der nur einen kleinen Marsch davon entfernt war, am folgenden Tage durch Versprengte. Auch jetzt verließ ihn der besonnene Mut nicht; da Stettin nicht mehr zu erreichen war und er nicht hoffen durfte, einen Übergang über die Oder zu finden, wendete er sich nach Strelitz, um die Abteilung aufzusuchen, die der Herzog von Weimar geführt hatte und jetzt vom General Winning befehligt ward; mit diesem wollte er wiederum nach der Elbe gehen und den Feind so sehr im Rücken bedrohen und beunruhigen, dass er dadurch abgehalten wurde, rascher gegen die Oder vorzudringen. Von der Elbe her kam ihm Soult entgegen, dennoch sendete er am 31ten Oktober noch einige Mannschaft nach Lauenburg, um hier Schiffe zur Überfahrt bereit zu halten. Zu hart folgte ihm der Marschall Bernadotte, als dass er Zeit zur Überfahrt hätte gewinnen können; die Aufforderung dieses Marschalls, (am 1sten November,) sich zu ergeben, verwarf er; nicht so trotzig hielten sich die von Blücher vorausgesendeten Generale Usedom und Pelet, von denen der erstere mit seinem Husarenregimente und zwei Bataillons Grenadiere sich bei Wismar dem General Savary, der nur 600 Reiter bei sich hatte, der andere mit vier Schwadronen von Bayern Dragoner sich ergab.

Näher und näher drängten die Schaaren der Feinde heran, zur rechten Seite nahte der Großherzog von Berg, zur linken Marschall Soult, von vorn drohte Bernadotte. Auch der zweite Antrag zur Niederlegung der Waffen wurde zuruckgewiesen, die Gegenwart, das Wort des Feldherrn gab den Soldaten Mut, die Gefahr zu verachten und den Mangel jeder Art zu ertragen. Nirgends öffnete im freien Felde sich ein Weg, da fasste Blücher den schweren Entschluss, hinter Mauer und Wall sich zu werfen, um einmal den Seinen eine sichere Herberge zu schaffen. Er hatte die Wahl zwischen Lübeck und Hamburg, er wählte die erstere Stadt als die nähere, der Senat hatte die Tore zwar schließen lassen, er klopfte so hart an, dass sie bald geöffnet wurden. Den versammelten Vätern der Stadt auf dem Rathause erklärte er, dass er bei ihnen Quartier und Zehrung, Pulver, Blei und Schuhe für sein Heer suche und gezwungen sei, eine Anleihe bei ihnen zu machen. Von den Festungswerken war nur noch sehr wenig übrig, doch gewährten sie Schutz gegen Überfall und beständige Störung, was im Feldlager nicht zu vermeiden ist. Am wenigsten fest war das Burgtor, Blücher übergab hier die Aufsicht an den Herzog von Braunschweig-Oels, der drei Bataillons und sechzehn Feldstücke unter seinen Befehl erhielt. Kaum hatte Marschall Bernadotte, der zuerst vor der Stadt eintraf, sich von der Lage des Burgtores unterrichtet, als er sogleich hierauf den lebhaftesten Angriff richtete.

Zu sicher glaubte unser Feldherr sich hinter den verfallnen Wällen; wärennd er ruhig die Befehle für den morgenden Tag niederschreiben ließ, brach der Feind am 6ten November durch das Burgtor herein, wo das preußische Geschütz, von einem Lieutenant befehligt, zu früh davonfuhr. — Kaum gewinnt der General Zeit, sich auf ein Husarenpferd zu werfen, sein Generalquartiermeister, Oberst von Scharnhorst, und ein Teil seines Generalstabes wird gefangen, die Zurückgeschlagenen reißen in ihrer Flucht die Entgegengehenden mit fort, Lärm und Verwirrung erfüllt die Straßen, da ruft Blücher mit gewaltiger Stimme der tobenden Menge zu, das Kriegsvolk erkennt den Ruf des Feldherrn, es wird ruhig, die zerstreute Schaar ordnet sich um ihn her auf dem Markte, er führt sie dem eindringenden Feinde entgegen, er gewinnt das Tor wieder und muss es wieder verlassen, er stürmt von neuem dagegen, aber je öfter er das Gewicht der feindlichen Masse zurückwirft, mit desto größerer Wucht schlägt es auf ihn zurück. Schritt vor Schritt weicht er und erreicht einen freien Ausgang nach Travemünde. Die gierigen Feinde fallen über die wehrlose Stadt her, als ob sie zur blutigen Beute ihnen vorgeworfen sei, und versäumten die Verfolgung. Das Äußerste war versucht worden, ein weiterer Rückzug konnte nicht genommen werden, ein dänisches Heer hielt an der holsteinischen Grenze und wehrte den Eintritt. Hier endlich, wo der Gedanke an fernere Gegenwehr selbst dem Mutigsten nur als trostloser Wahn und unausführbar erschien, ergab sich der kühne Feldherr mit seiner Heldenschaar.

Dem Könige gab Blücher von seinem Zuge diesen Bericht:
„Mit niedergeschlagenem Herzen muss ich Ew. königlichen Majestät die allmählige Vernichtung und Gefangenschaft des Corps Truppen melden, welche ich das Unglück hatte, in einer Lage zu kommandieren, die kein anderes Schicksal zuließ.“

„Dass ein von dem Herzen des Staats und allen andern Truppen und Festungen abgeschnittenes Corps, nachdem es seine Munition in vier Gefechten verschossen hatte, durch eine sechsfach überlegene Macht nach vierzehn Tagen vernichtet wird, bedarf seiner Rechtfertigung, aber über alles beruhigend wurde es mir sein, wenn Ew. königliche Majestät meinem Bericht Schritt vor Schritt folgten und meine getroffenen Maßregeln beurteilten.“

„Zur Übersicht finde ich nötig, hier vorläufig anzuführen, dass die Operationen meines Corps bis zum 28sten, das ist bis zu Kapitulation der Hohenlohischen Armee, auf die Vereinigung beider und auf die Gewinnung der Oder abzweckten; dass nachher mein ganzes Bestreben dahin ging, durch die Bewegungen meines Corps die französische Macht von der Oder abzuziehen und sie von dem Herzen der preußischen Monarchie zu entfernen, um für Verproviantierung unserer Festungen und für die Annäherung der noch übrigen preußischen Truppen und der russischen Armee Zeit zu gewinnen.“

„Dass ich hierin nicht ganz unglücklich gewesen, hat der Erfolg gelehrt, da drei französische Hauptcorps, das Murat'sche, Bernadott'sche und Soult'sche mich umgaben, als ich von aller Munition entblößt mit 9.400 Mann zwischen Kiel und Lübeck zu Radkau kapitulierte.“

„Ich gehe jetzt zu der umständlichen Erzählung über, die ich jedoch so viel als möglich abzukürzen suchen werde.“

„Den 24sten Oktober trug mir der Fürst von Hohenlohe das Kommando des Corps auf, welches der Herzog Eugen von Württemberg bis dahin kommandiert hatte. Es war durch eine bei Halle verlorne Schlacht sehr geschwächt und hatte außer einer halben zwölfpfündigen Batterie nur noch anderthalb sechspfündige und eine reitende Batterie, aber weder Fourage noch Brot. Die Artillerie war größtenteils von dem Corps, welches am 14ten bei Auerstädt gefochten hatte und durch forcirte Märsche erschöpft.“

„Ich marschierte mit diesem Corps am 26sten in die Gegend von Ruppin. Der Fürst von Hohenlohe war an diesem Tage in der Gegend von Lychen.“

„Meine Absicht auf Zehdenik, den graden Weg nach Prenzlau zu gehen, wurde vereitelt; der Feind hatte jenen Ort und Gransee besetzt. Ich marschierte daher am 27sten mit der ersten Division des Corps auf Fürstenberg und mit der zweiten nach Lychen. Gegen Abend wurde meinem Arriergarde bei Menz angegriffen; sie warf den Feind; ich zog sie aber dennoch bis nahe an Fürstenberg, an die erste Division des Corps.“

„Den 28sten vereinigte ich mich mit Tagesanbruch mit der Division meines Corps, welche bei Lychen gestanden hatte, und richtete nun meinen Marsch auf Boitzenburg. Der Fürst von Hohenlohe war über Schönermark auf Prenzlau marschiert; ich durfte diesen Umweg nicht nehmen und musste mich entschließen, den Feind aus Boitzenburg zu vertreiben, wenn ich nicht alle Hoffnung der Vereinigung aufgeben wollte. Der Feind griff auf diesem Marsch die Arriergarde nicht weit von Lychen an, wurde aber von meinem Regiment zurückgeschlagen, welches einige und fünfzig Gefangene machte und gegen fünfzig Mann niederhieb.“

„Der Feind verließ bei meiner Annäherung Boitzenburg, die Patrouillen trafen aber in den umliegenden Orten überall Feinde und aus den wenigen Orten, welche ich zu besetzen gezwungen wurde, wenn Menschen und Pferde nicht vor Hunger umkommen sollten, musste er noch in der Nacht herausgeworfen werden.“

,,Als ich den 29sten früh um fünf Uhr nach Prenzlau marschieren wollte, erfuhr ich von einigen versprengten Leuten der Hohenloheschen Armee, dass der Fürst zu Prenzlau kapituliert habe. Mein Corps war 10.500 Mann stark; vor mir stand auf zwei Stunden die Murat'sche Armee, zur Seite oder hinter mir das Bernadott'sche Corps; jedes dieser Corps war wenigstens doppelt so stark als das meinige, das übrigens weder Brot noch Fourage hatte und durch die vielen forcirten Märsche äußerst abgemattet war.“

,,Mein Entschluss war bald gefasst. Statt rechts auf Prenzlau zu marschieren, marschierte ich in demselben Angenblick links nach Stettin ab. Ich hoffte, mich dort mit dem Weimar'schen Corps zu vereinigen, mich dann Magdeburg zu nähern, oder nach Umständen über die Elbe zu gehen, um Magdeburg und Hameln auf längere Zeit mit Lebensmitteln zu versehen und dem Feinde im Rücken zu operieren.“

„Durch mehrere ausgeschickte Offiziere und Jäger erhielt ich indessen keine Nachricht von dem Weimar'schen Corps. Ich marschierte den 30sten vor Strelitz vorbei bis Dambeck und traf hier unerwartet auf dasselbe. Jetzt erfuhr ich zum erstenmal, dass das Corps des Marschall Soult mir von der Elbe entgegenkomme. Meine Arriergarde wurde, noch ehe sie einrückte, vom Feinde harcelirt.“

„Den 31sten schickte ich zwei Offiziere nach der Elbe, um die nötigen Schiffe und Fähren zum Übergang bei Boitzenburg und Lauenburg zusammenbringen zu lassen. Ich marschierte nach Wahren und den andern Tag nach Alt-Schwerin und Glape. Nach der Ankunft des Soult'schen Corps war meine Lage noch kritischer geworden, als sie vorher war. Ich hatte mich zwar mit dem Weimar'schen Corps vereinigt, aber die äußerst ermüdeten und ausgehungerten Truppen mussten, wenn nicht alle in einigen Tagen Hungers sterben sollten, des Nachts in Dörfer gelegt werden, um hier den dürftigsten Unterhalt zu finden. Bei dieser Auseinanderlegung riskierte mein Corps aber immer, beim Angriff des Feindes ganz zerstreut zu werden. Meine Ordnung war folgende. Beim Finsterwerden ging das Corps auseinander; eine Stunde vor Tagesanbruch marschierten die Regimenter aus und einzeln nach dem Rendezvous, das so gelegt war, dass ich anderthalb bis zwei Meilen vorkam. Durch diese Disposition wurde aber die große Gefahr, in der ich mich befand, nur um etwas vermindert. — Den 1sten November wurde meine Arriergarde bei Wahren angegriffen; der Feind drang bis vor Alt-Schwerin, wo mein Hauptquartier war. Das Corps war zwischen Kuppentin und Serrahn in die Quartiere gerückt. Da der Feind aus den Landkarten wußsse, dass er bei Alt-Schwerin nicht durchdringen konnte, so hielt ich dieses Vorgehen für einen falschen Angriff und erwartete den wahren zwischen den Krakower und Schweriner See. Ein großer Teil meiner Gruppen kam hier auf dem ihm schon vorher bestimmten Rendezvous zusammen. Der Feind wandte sich indess weiter nach der Elbe und ich marschierte einige Stunden vor Tagesanbruch ab, um mich in die Gegend von Prestin und Kladrum zu begeben. Mein Corps lag hier in einem Bezirk von fünf Stunden aus einander; ich musste viele Dörfer haben, um Lebensmittel zu finden. Viele Soldaten fielen vor Hunger nieder und waren tot.“

„Den 3ten marschierte ich in die Gegend von Schwerin. Ich hoffte, hier auf beiden Flügeln durch den Lowitzer Bruch und den Schweriner See gedeckt zu sein und meine Leute aus der Stadt mit etwas Brot und Branntwein versehen zu können. Hierauf wollte ich das Corps am folgenden Morgen nach Lauenburg marschieren lassen, oder aber über das Bernadott'sche oder Soult'sche Corps herfallen. Während des Marsches engagierte sich bei Kriwitz ein hitziges Arriergardengefecht, dass sich den Abend bei dem Dorfe Fähre endigte. Das Detaschement des Obersten von Osten zu Wittenburg war von dort ohne Befehl abmarschiert; ich wusste nicht, was auf meinem rechten Flügel vorging. Griff der Feind mich auf diesem an, während ich mich mit ihm zwischen dem Dorfe Fähre und Plate engagierte, so wurde ich an den Schweriner See gedrängt; ich musste ein Projekt der Art beim Feinde um so mehr voraussetzen, da, wenn er mir von hinten schaden wollte, sein Marsch und ein Angriff auf Plate weit angemessener als auf Fähre gewesen wäre. Ein Angriff auf Fähre schien bloß eine Demonstration zu sein, um die Aufmerksamkeit auf meinen linken Flügel zu ziehen, während man den rechten umging. Das blutige Arriergardengefecht bei Fähre endigte sich, nachdem es eine Stunde finster war. Beide Hauptquartiere waren nicht eine halbe Stunde von einander entfernt, das meinige in Osdorf. — Der Marschall Bernadotte forderte mich zum zweiten Mal auf, zu kapltulieren. Ich verbot mir ein für allemal die Aufforderung.“

„Um meinen Plan, die feindlichen Corps so weit als möglich von der Oder zu entfernen und erst dann, wenn ich nicht mehr ausweichen könnte, mich zu schlagen, weiter auszuführen, msrschierte ich aus der Gegend von Schwerin nach Gadebusch und Rogendorf. Meine Truppen wurden in der Nacht von Gr. Salitz, also auf meinem rechten Flügel beunruhigk Nach der Elbe in der Gegend von Lauenburg konnte ich mich zwar immer noch werfen, aber die Zeit zum Übersetzen hatte ich nicht. Mir blieb also nur der Weg nach Lübeck oder Hamburg offen, oder ich musste mich den andern Tag schlagen. Meine Truppen — Menschen und Pferde — waren so abgemattet, dass ich von einer Schlacht bei der sechs- und siebenfachen Überlegenheit des Feindes keinen guten Ausgang erwarten konnte. Der Großherzog von Berg war auf meiner linken Flanke, Marschall Bernadotte in meiner Fronte, Marschall Soult auf dem rechten Flügel. In dieser kritischen Lage entschloss ich mich, auf Lübeck zu marschiercn und die Trave vor der Fronte zu behalten. Hatten die Truppen sich nur gegen Hungersnot gesichert und in etwas erquickt, so konnten sie sich schlagen, wenn auch wegen der Übermacht sehr wenig Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Erfolgs vorhanden war.“

„Der Marsch wurde den 5ten November glücklich ausgeführt. Die Tore von Lübeck und die Trave von Travemünde bis da, wo sie die dänische Grenze berührt, wurden besetzt. Die Armee war in dieser Stellung im Stande, auf ein Paar Tage der großen Übermacht zu widerstehen, wenn ein jeder seine Schuldigkeit tat; dies war aber leider nicht der Fall. Der Feind drang den 6ten Mittags durch das Tor von Lübeck, auf welches sechzehn Kanonen gerichtet waren und das von drei Bataillone verteidigt wurde, und es gelang ihm dieses Eindringen nur desshalb, weil jene Kanonen wider den Befehl zum Teil zurückgezogen wurden und daher gerade im entscheidendsten Augenblick dem Feinde keines Schaden mehr zufügten.“

„Ich führte, als ich dies mir ganz unerwartete Ereignis gewahr wurde, die Truppen, die ich habhaft werden konnte, den Feinden in den Straßen entgegen; der Kampf dauerte einige Zeit lang und war blutig; die Stadt wurde am Ende mit Feinden angefüllt, und es war nun nicht mehr möglich, der Übermacht zu widerstehen. Die Regimenter Tschammer, Owstien, der größte Teil des Regiments Braunschweig-Oels, die Magdeburger Füselierbrigade, ein Teil der Jäger und das Füsellerbataillon Ivernois wurden meistens aufgerieben und gefangen. Mein General - Quartiermeister - Lieutenant, Oberst von Scharnhorst, und mein Generaladjutant, Rittmeister Graf von der Götz, wurden ebenfalls gefangen. Die übrigen Truppen, welche sich noch auf 9.000 und einige hundert Mann beliefen, befanden sich in der Nacht nicht zusammen; der größte Mangel war der der Munition. Ich musste mich jetzt entschließen, einen verzweifelten Angriff zu wagen und mich in den wenigstens achtmal starkem Feind stürzen, oder das dänische Gebiet verletzen. Das Letztere hielt ich wider die Klugheit, da ein dänisches Corps es verteidigte und die Verletzung seiner Neutralität unsern politischen Verhältnissen nicht angemessen sein dürfte. Das erstere hatte die gänzliche Zerstreunng des Corps und eine partielle Gefangenschaft nach sich gezogen, die weit trauriger als eine unter gewissen Bedingungen gewesen wäre.“

„Ich entschloss mich daher den 7ten November in dem Augenblick, da drei französische Heere mich anzugreifen im Begriff waren, zu kapitulieren. Eine Abschrift der Kapitulation erfolgt hierbei:

„Se. Excellenz, der Herr General von Blücher, willens, sich in eine Kapitulation einzulassen und durch die Lage, in der er sich befindet, dazu genötigt, nimmt folgende Bedingungen an, die ihm im Namen der drei Corps der großen französischen Armee unter den Befehlen Sr. königlichen Hoheit des Großherzogs von Berg, Sr. Durchlaucht des Marschalls Fürst von Ponte Corvo und Sr. Excellenz des Marschalls Soult vorgeschlagen worden sind.“

„Diese Kapitulation ist im Namen der drei Armeecorps durch die Herrn Divisionsgenerale Tilly und Rivaud unterzeichnet, von welchen jeder eine Division des ersten Armeecorps unter den Befehlen Sr. Durchlaucht des Marschalls Fürsten von Ponte Corvo, als desjenigen, das sich am nächsten bei der kapitulierenden Armee befindet, kommandiert:

Art.1. Die Truppen unter den Befehlen Sr. Excellenz, des Herrn General von Blücher, sowohl an Kavallerie, Infanterie, als Artillerie und Detaschements, die unter seinem Oberbefehl gehören, sind kriegsgefangen.

Art. 2. Die Waffen, Pferde, Kanonen und die Mundvorräte jeder Art sollen sogleich der französischen Armee übergeben werden.

Art. 3. Die Herrn Offiziere jedes Grades, mit Einschließung der Kadetten, behalten ihre Waffen, Pferde und Bagage, die Unter-Offiziere und Soldaten behalten ihre Tornister und Mantelsäcke.

Art. 4. Die Offiziere sind kriegsgefangen auf ihr Ehrenwort und machen sich verbindlich, sich an die Orte zu begeben, die ihnen werden angewiesen werden.

Art. 5. Die Kriegskasse und alle Sr. Majestät, dem Könige von Preußen gehörigen Fonds, welche dem Herrn General von Blücher zur Verfügung überlassen sind, werden der französischen Armee übergeben. Man bezieht sich in Hinsicht auf diesen Punkt auf das Wort des Herrn Generals von Blücher.

Art. 6. Der General von Blücher wird durch seinen Generalquartiermeister das Verzeichnis aller Corps und Detaschements übergeben lassen, die zu seinem Kommando gehören.

Art. 7. Das Armeecorps Sr. Excellenz, des Herrn Generals von Blücher wird heute Mittag um zwölf Uhr mit den Kriegsehren vor der französischen Armee mit Waffen, Kanonen, fliegenden Fahnen und Standarten vorbeiziehen, es legt seine Waffen nieder, wenn es den linken Flügel der französischen Armee passiert ist.

Doppelt ausgefertigt. Radkau, den 7ten November 1806
Der General von Blücher.
Die Divisionsgenerale Tilly und Rivaud.“

„Die Schwäche meines Armeecorps — lautet der Bericht Blüchers an den König weiter — entstand teils durch den Verlust, den ich in kleinen Gefechten nach und insbesondere in der Schlacht von Lübeck erlitt, teils aber auch durch die ermüdenden Märsche, auf denen die Bataillone, bei dem Mangel an Lebensmitteln, täglich 40 bis 60 Mann zurücklassen mussten. Endlich war der General von Pelet mit vier Schwadronen von Bayern Dragoner und der General von Usedom mir zehn Schwadronen Husaren schon einige Tage vom Corps getrennt. Dazu kam, dass die Truppen des ehemaligen herzoglich württembergischen Corps schon bei Halle sehr gelitten hatten.“

„In dem Augenblick der Kapitulation hat der älteste Offizier vom Generalstabe den Fehler begangen, die Regimenter, die er nur im Durchschnitt angab, weit stärker anzusetzen, als sie waren, und auch noch die Truppen dazu zu zählen, welche teils vorher schon detaschiert waren und teils den Tag zuvor in Lübeck vernichtet oder gefangen wurden. Die französischen Generale werden sich bei der Übernahme der kapitulierenden Truppen selbst überzeugt haben, dass ihre Anzahl nicht die oben von mir angegebene überstieg.“

„Die Truppen im Allgemeinen haben eine Beharrlichkeit, Treue und Bravour gezeigt, die meine Erwartung übertreffen und die sie unter andern Umständen unsterblich gemacht haben würden. Obgleich die Regimenter des Corps, welches der Herzog von Württemberg vorher kommandierte, bei Halle eine unglückliche Bataille geliefert und viel gelitten hatten; obgleich mein ganzes Corps über drei Wochen in ununterbrochenem Rückzuge war, täglich forcirte Märsche von fünf bis sieben Meilen machte und, von allen Bedürfnissen entblößt, keine angemessene Kleidung, zum Teil keine Schuhe mehr hatte und, was noch mehr ist, seit drei Wochen überall kein Brot und seit vierzehn Tagen keine Besoldung erhielt: so hatte dennoch ein jedes Regiment, ein jedes Detaschement immer willig dasjenige getan, was von ihnen gefordert wurde. Der gute Wille, die ausdauernde Beharrlichkeit, die Bereitwilligkeit zu jeder Aufopferung, zeigte sich auch noch in dem nehmlichen Augenblicke, selbst nach dem Verlust von Lübeck. — Ich schließe diesen Bericht mit der innern Ruhe, welche das Gefuhl, seine Pflichten erfüllt zu haben, einflößt und ersterbe etc. von Blücher.“

Auf dem Felde von Radkau war dem Feldherrn nichts anderes übrig geblieben, als die Waffen niederzulegen, er tat es nicht auf unrühmliche Weise, die Feinde selbst erkannten es an, dass nach so tapferer Gegenwehr mit so ermatteten Truppen nichts anderes übrig blieb. Blücher hatte nicht nötig, wie es der Fürst von Hohenlohe vor der Kapitulation von Prenzlau tat, bei dem versammelten Offiziercorps anzufragen: „ob Einer bessern Rat wisse, als die Niederlegung der Waffen unter so ehrenvollen Bedingungen;“ er hatte befohlen, die Waffen zu führen, er befahl, sie niederzulegen, ohne sich einen Vormund aus der Masse zu erbitten. Den Fürsten von Hohenlohe haben seine Untergebenen, von denen doch nicht Einer auf jene Aufforderung vortrat, geschmäht und ihm viel Böses nachgeredet, dem General Blücher blieben die Seinen auch im Unglück getreu. Zum Zeichen dafür mag dieser Brief gelten, den ein Offizier vom Blücher'schen Corps aus der Gegend von Lübeck am 8ten November schrieb:

„Mit blutendem Herzen benachrichtige ich Sie von unserm endlichen Schicksal, dem wir weder durch die ausdauerndste Bravour unserer Truppen, noch durch Erduldung der ungeheuersten Strapazen und selbst des drückendsten Mangels aller Lebensbedürfnisse entgehen konnten. Hier wo die Ostsee auf der einen, und ein neutrales Gebiet auf der andern Seite uns einen weiteren Rückzug unmöglich machten, mussten wir nach einem Rückzuge von 50 und mehreren Meilen kapitulieren.“

„Seit dem unglücklichen 14ten Oktober hat sich dieses Corps, kaum 18.000 Mann stark, unter beständigem Schlagen mit einer sehr überlegenen Macht in größter Ordnung zurückgezogen, und erst jetzt, nachdem der Feind zu verschiedenen Malen zu unserm braven Feldherrn, dem General von Blücher, geschickt, und uns die ehrenvollsten Bedingungen einer Kapitulation antragen lassen; erst jetzt, da wir seit vierzehn Tagen nur dann und wann Brot und andere Nahrung genossen, da wir ganz ohne Munition und Brot uns befanden, die Truppen vor Ermattung niederfielen, aber auch dann noch lieber sterben, als sich ergeben wollten; jetzt konnte der menschliche Held ein solches Elend nicht ohne den tiefsten Schmerz mit ansehen, und er gab der abermaligen Aufforderung dreier französischen Marschalle Gehör, erhielt die ehrenvollste Kapitulation und wurde nach Abschluss derselben mit den ausgezeichnetsten Beweisen wahrer Bewunderung und Hochachtung überhäuft.“

„Wir müssen dem Feinde Gerechtigkeit wiederfahren lassen, dass er uns mit Edelmut und Achtung behandelt hat. Ein jeder der Generale, ja jeder Franzose, erklärte laut, dass wir mit wahrem Heldenmute gefochten, ihnen großen Schaden zugefügt und ihre Bewunderung ihnen abgezwungen hatten.“

„Unser ganzes Corps besteht noch aus 9.900 Mann, die andern sind tot oder verwundet. Eine sehr überlegene französische Macht hatte uns umzingelt. Dennoch waren wir entschlossen, unserm höchstverehrten Feldherrn in den Tod zu folgen, wenn der Feind uns keine ehrenvolle Kapitulation zugestanden hätte. Das Corps hat sich zu Kriegsgefangenen ergeben, alle Offiziers behalten ihre völlige Equipage, die Gemeinen ebenfalls ihr Eigentum.“

„Nachdem wir mit allen kriegerischen Ehrenzeichen durch Lübeck marschiert waren, wurden die Gewehre abgelegt. Der Schmerz unserer braven Truppen, der Abschied von unserm würdigen Feldherrn, unsere jetzige Lage dies zusammengenommen ist ein Bild, das ich Ihnen vor Wehmut nicht ausmalen kann.“

Eine gleiche Rechtfertigung fand Blücher nicht überall; zunächst klagten die Lübecker ihn hart an, dass er so großes Unglück über ihre Stadt gebracht, vergeblicher Weise: sie hatten vollgültigen Grund der Klage, aber eben so vollgültig war der Grund Blüchers, die Stadt zu besetzen, er hat seinen Grund geltend gemacht, sie nicht den ihren, das war ihre Schuld. Wollen sie in einer freien Stadt wohnen, so mögen sie für gute Wälle, feste Tore und tapfere Bürgerwache sorgen; in unserer Zeit gibt es keine freien Städte in Deutschland.

Die Ruhe der Bürger von Lübeck kommt hier, wo dem Feldherrn das Urteil gesprochen wird, nicht in Anschlag, ein Anderes ist die Frage: was suchte, was hoffte Blücher in Lübeck? Er selbst hat diese Frage zur Genüge beantwortet, große Schuld träf ihn, wenn er nicht gewusst hätte, dass er nur durch einen Durchbruch durch den Feind nach der Oder, oder durch einen Rückzug auf das rechte Elbufer glückliche Entscheidung für seine Waffen finden konnte. Zu dem einen oder dem anderen sich zu stärken, zu sammeln, waren ihm zwei Tage der Erholung in Lübeck nötig. Seine Größe als Feldherr hat er in diesen schlimmen Tagen vornehmlich uns dadurch bewahrt, dass er sein Heer mit so treuer Ausdauer an sich gebannt hielt, als es keinem Wallenstein gelungen war. In einer Zeit, wo der Soldat nicht zu Feld zieht im Dienste des Vaterlandes, nicht als Landwehr den Feinden das Land wehrt, wo nur das hohle Wort des Herrschers, nicht das Gemüt zum Kriege ruft, da ist es allein der Feldherr, der den Geist in die blinde Masse haucht, weh ihm! wenn ihm die Menge nicht vertraut auf Tod und Leben. Blücher führte ein geschlagenes Heer von der Saale zur Elbe, rings von verzagten Flüchtlingen umgeben, die königlichen Garden, die berühmten Gensd'armes zu Pferde hatten zu Prenzlau das Gewehr gestreckt, Blücher hielt die Seinen von dieser Seuche schamloser Mutlosigkcit, die unsichtbar ansteckend wie eine Pest durch das Heer lief, frei. Er beschwor die bösen Geister, die die andern vergeblich durch den Stab des Unter-Offiziers zu zwingen suchten, durch ein ernstes Wort, durch einen freundlichen Blick, durch das unwandelbare Selbstvertrauen, das seine Soldaten so fest an ihn band.

Ein Angriff auf den Helden von Lübeck, der in jener Zeit von denen, die bei Prenzlau das Gewehr gestreckt, mit vieler Heftigkeit geschah, um die eigne Schuld von sich abzulehnen, darf hier nicht unerwähnt bleiben.

Am bestimmtesten wurde die Anklage zuerst in einer Zeitschrift: „Lichtstrahlen“ die im Jahr 1807 und 1808 in Berlin erschien, im ersten und zweiten Heft ausgesprochen, wo es Seite 271 heißt:

„Endlich sehen wir uns noch genötigt, hier folgendes anzuführen. Der Generallieutenant von Blücher hatte sich, auf den Befehl des Fürsten von Hohenlohe, am 24sten Oktober Nachmittags um 4 Uhr zu Neustadt an der Dosse eingefunden und das Commando über das Corps übernommen, welches vorher durch den Herzog Eugen von Württemberg angeführt und bei Halle geschlagen worden war.“

„Der Fürst von Hohenlohe erteilte dem Generallieutenant von Blücher den Befehl, sich in seinen Bewegungen so einzurichten, dass er von dem Corps, bei welchem sich der Fürst selbst befand, nur einen kleinen Marsch entfernt bliebe, um sich nach Erfordernis der Umstände sogleich mit dem Fürsten vereinigen zu können.“

„Da dieser seinen Marsch ununterbrochen fortsetzen zu müssen glaubte, so war festgesetzt worden, dass auch der Generallieutenant von Blücher den seinigen ununterbrochen fortsetzen sollte. Dies ist aber nicht geschehen; der Generallieutenant von Blücher hat seinem Corps am 26sten Oktober einen Ruhetag gegeben, und sein Corps ist erst Nachmittags wieder aufgebrochen. Es sind also wenigstens sechs bis acht Stunden versäumt worden.“ —

„Das Erfordernis, beide Corps zu vereinigen, trat schon am 26sten Oktober ein. An diesem Tage war der Fürst von Hohenlohe zu Neu-Ruppin und der Gen. Blücher zu Ganzer angekommen, welche beide Orte ungefahr zwei und eine Viertelmeile von einander entfernt sind.“

„Der von dem Feldherrn seinem Generallieutenant erteilte Befehl, sogleich aufzubrechen und zu ihm zu stoßen, ging am 26sten Oktober Morgens früh halb sieben Uhr von Ruppin ab. Ungeachtet der kleinen Entfernung von zwei und einer Viertelmeile kam diese Ordre doch erst halb elf Uhr in die Hände des Generallieutenants; wenigstens ist seine Antwort erst von dieser Stunde datiert. Also am 26sten Oktober Morgens früh halb elf Uhr hatte der Generallientenant von Blücher den Befehl, seinen Marsch unverweilt Tag und Nacht fortzusetzen und zu dem Fürsten zu stoßen. Er weigerte sich aber, diesen allerdings forcirten Marsch zu machen, weil er, nach seinem eignen Ausdruck, „Nachtmärsche mehr fürchte, als den Feind.“ Seine Antwort war:

„Ew. hochfürstlichen Durchlaucht Schreiben vom 26sten Morgens halb sieben Uhr habe ich erhalten. Ich kann heute nicht weiter, als bis Alt-Ruppin und Storbeck mit meinem Corps kommen. Ich werde morgen sehr früh von dort aufbrechen. Durch Nachtmärsche zerstreuen sich unsere Truppen, ich fürchte sie mehr, als den Feind. Da es den Truppen an allem fehlt, so bleibt mir nichts übrig, als, sie, so viel wie möglich, alle 24 Stunden einige Stunden unter Dach und Fach zu bringen, wo sie wenigstens einige Nahrung erhalten können. Ich habe, um die Gefahr bei der Entfernung der Truppen in diesen Quartieren zu vermindern, das Corps in Divisionen, von denen jede aus allen Waffen bestehr, geteilt, damit jeder Haufe in jedem Terrain gegen den nicht zu sehr überlegenen Feind bis zur allgemeinen Versammlung agieren könne.“

„Ich ersuche Ew. Durchlaucht, mein Corps lieber zu exponieren, als es durch allzu forcirte Märsche und den damit verbundenen Mangel an Kräften und Lebensunterhalt in einen Zustand zu bringen, in dem es gar nicht mehr fechten kann. Mein Gedanke ist, dem Feinde 3 - 500 Pferde entgegenzustellen und ihn damit zu beobachten, oder, wenn er nicht überlegen ist, zurückzuhalten.
Ganzer, den 26sten Oktober 1806, halb elf Uhr.
von Blücher.“

„Der General Blücher — heißt es in den Lichtstrahlen weiter — sagt in seiner Antwort an den Fürsten, dass er am 26sten Oktober schlechterdings nicht weiter kommen könne, als bis Alt-Ruppin und Storbeck. Hatte er nicht gegen den ausdrücklichen Befehl seines Feldherrn die unter ihm stehenden Truppen am 26sten Vormittags einen Ruhetag machen lassen, so würden diese Truppen bei guter Zeit in den neuen Quartieren haben ankommen können, und noch im Stande gewesen sein, nach einigen Stunden Ruhe wieder aufzubrechen.“

„Hatte man den Befehlen des Fürsten gehorcht und den Truppen sofort die Ordre zugeschickt, bei Alt-Ruppin und Storbeck einige Stunden zu ruhen und dann wieder aufzubrechen, dem Fürsten aber diesen Beschluss gemeldet, so konnte bei einiger Tätigkeit des abzusendenden Offiziers der Fürst die Antwort des Generals schon auf dem: Rendezvous bei Schönermark erhalten, welches zwei Meilen weit von Alt-Ruppin entfernt liegt.“

„Es ist bekannt, dass der Fürst die Ankunft des Generals auf dem Rendezvous bei Schönermark drei volle Stunden erwartete und notwendig erwarten musste. Hatte der Fürst auf diesem Rendezvous die Meldung erhalten, „General Blücher komme,“ so würde er ihn da erwartet haben und wenn er auch nur, allein gekommen wäre. Die Umgebungen des Fürsten wissen, wie sehr dieser Feldherr durch das Ausbleiben des Generals gelitten hat. Vereinigten wir uns auf dem Rendezvous bei Schönermark diesseits Gransee, so setzten wir den Marsch entweder, wie festgesetzt worden war, über Zehdenik, oder über Fürstenberg fort — und alles ging anders.“

„Wir brauchten nicht noch einmal drei volle Stunden in dem Rendezvous bei Lychen auf die Ankunft des Generallieutenants von Blücher zu warten, sondern setzten unsern Marsch ohne Unterbrechung fort.“

„Das von dem Fürsten auf dem Rendezvous bei Lychen entworfene Mannövre — mit dem Gros seines Corps auf dem Wege nach Boitzenburg fortzurücken, zu gleicher Zeit aber den General von Bila oder irgend einen andern Husarengeneral mit seinen Husaren und dem Kürassierregiment Gensd'armes rechts über Cüstrinchen, Jacobshagen u. s. w. gehen zu lassen — konnte ausgeführr werden. Fand aber dies Mannövre Statt, so nahmen wir den Großherzog von Berg zwischen zwei Feuer und vielleicht — gefangen.“

„Dieses Ereignis konnte eintreten und würde wahrscheinlich eingetreten sein, wenn der Generallieutenant von Blücher zu dem Fürsten gestoßen wäre. Wenigstens hatte der Fürst dann auf der Höhe von Boitzenburg Kavallerie, die ihm gänzlich fehlte.“ —

„Wir konnten den Feind mit Nachdruck recognosciren, die Truppen konnten die Lebensmittel genießen, dieman in Boitzenburg für sie zusammengebracht hatte. Verzweiflung darüber, dass wir ohne alle Kavallerie waren, nötigte uns nicht, links über Schönermark zu marschieren. Die Katastrophe bei Prenzlau fand nicht Statt; die Verzweiflung ergriff uns nicht, wir waren stark, weil wir vereinigt waren, es fiel bei Prenzlau gar kein Gefecht vor. Wir hatten acht Stunden eher, als der Feind ankam, dieses Defilee passiert; denn acht Stunden haben wir durch das Warten auf die Ankunft des Generallieutenants von Blücher bei Gransee, bei Lychen, bei Schönermark verloren.“

„So ist denn dies die mitwirkende Ursache unseres Unterganges bei Prenzlau gewesen.“ —

Es ist nichts leichter bei einem Unglück, als eine Menge von Ursachen aufzuzählen, aus denen es entsprungen, zumal wenn man sich selbst dabei zurückzieht; mancher General war nach einer verlornen Schlacht weit weniger in Verlegenheit, die Ursachen, welche den notwendigen Verlust herbeiführen mussten, aufzuzählen, als er es war nach der gewonnenen, wenn er die kluge Berechnung seiner Anschläge, die nicht fehlschlagen konnten, berichten will.

Wohl fehlte Blüchers Gegenwart bei Prenzlau, ,,damit die andern Herrn nicht die Verzweiflung befallen hätte,“ die Gegenwart seines Heeres hatte den Hunger und das Elend nur vermehrt, gerade durch diese Trennung, die doch nicht so groß war, dass nicht eine Verbindung durch einzelne Posten und Patrouillen hatte erhalten werden können, wäre der Fürst Hohenlohe im Stande gewesen, den Feind, der ihn von Blücher abzuschneiden drohte, zwischen zwei Feuer zu bringen. In der Anklage gegen Blücher heißt es, der Fürst wäre ohne alle Kavallerie gewesen, während der Fürst selbst in dem Bericht an den König sagt: „die Kavallerie hatte durch die Müdigkeit ihrer Pferde alles Selbstvertrauen verloren.“ Die französischen Bulletins erwähnen sechs Regimenter Reiterei bei der Kapitulation, die jedoch weder von den Franzosen noch von den Preußen öffentlich mitgeteilt wurde.

Dass Blücher weder die Anklage, noch den ungenannten Ankläger fürchtete, zeigte er bald, durch eine eigne Erklärung, die er in die Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Nr. 14 vom 30sten Januar 1808) einrücken ließ, sie heißt:

„Der Verfasser der Abhandlung: Bemerkungen über die Schrift, Operationsplan im Jahr 1806 in der Zeitschrift: Lichtstrahlen, hat mir seine Liebe und Achtung wiederholentlich versichert. Ich lade ihn ein, wenn er ein Mann von Ehre ist, mir seinen Namen zu spendieren. Es liegt mir und der preußischen Armee, ja auch dem ganzen Publikum zu viel daran, einen Mann zu kennen, der dieselbe Person lieben, ehren, achten, verleumden und belügen kann. Man würde hierbei dann auch sehen, ob der Autor nicht ein Mann ist, der selbst Fehler gemacht, oder dem wenigstens solche zur Last gelegt werden und darum aus liebevollen Gesinnungen andere ehrliche Leute, die ihre Schuldigkeit getan, gern mit hineinziehen möchte. Was den Vorwurf betrifft, dass ich mein eignes Vaterland, Mecklenburg, nicht verschont, so scheint es, als wolle der gütige Autor mich einem Kommandanten einer Festung gleichstellen, der die ihm auf Ehre, Pflicht und Gewissen anvertraute Veste aus wahrer Herzensgüte übergibt, damit sein und seiner Verwandten Häuser nicht zerschossen werden. Nach meinen Grundsätzen ist Pflichterfüllung das Erste, was einem Manne von Ehre obliegt. Lübeck betreffend, so war es für mich schmerzhaft, dessen braven Bewohnern so viel Unangenehmes zufügen zu müssen. Wäre aber bei Lübeck das befolgt worden, was ich befohlen, was geschehen sollte und konnte, so würde ich, wenn ich das Unglück für die Stadt auch zehnmal größer vorausgesehen hätte, dennoch die Besetzung nicht unterlassen haben. Mein Zweck, die Feinde so lange zu beschäftigen, bis dass die russischen Armeen herankämen und dadurch Preußen und Schlesien zu retten, würde dann in größerm Umfange erreicht worden sein. —

Treptow an der Rega, den 26sten Januar 1808.
von Blücher.“

Auf diese Aufforderung nannte sich der Oberst von Massenbach als den Verfasser, er gab zugleich in dem dritten Hefte der Lichtstrahlen ein zweite Erklärung, worin er das, was er früher gesagt hatte, noch breiter wiederholte, ohne sie fest begründen zu können. Er legt noch einmal das traurige Bekenntnis ab, dass bei dem Heer von 16 – 20.000 Mann, die bei Prenzlau das Gewehr streckten, nicht Ein Mann war: „Und wären Sie nur allein gekommen, nur für Ihre Person: — Sie allein waren uns eine Legion; Sie allein uns ein rettender Genius.“

Dieselbe Ansicht teilt auch Rühle von Lilienstern, der uns als Augenzeuge einen treuen Bericht über die Führung des dem Fürsten Hohenlohe anvertrauten Heeres gegeben hat. Im zweiten Bande seines Berichtes findet sich eine eigne Abhandlung: ,,Über das dem Generallieutenant von Blücher Schuld gegebene Versäumnis, der Colonne des Fürsten von Hobenlohe vom 26sten Oktober an nicht unmittelbar gefolgt zu sein.“ „Dieser Gegegenstand,“ sagt Rühle von Lilienstern, „der in einigen neuern Zeit- und Flugschriften zur Sprache gebracht worden ist, hat zu viel Aufsehen gemacht, als dass wir ihn gänzlich übergehen könnten, wenn wir uns schon außer Stande befinden, darüber irgend ein entscheidendes Urteil auszusprechen.“ — Weiter unten heißt es: „So viel ist gewiss, dass die Kapitulation von Prenzlau nicht Statt gehabt haben würde, wenn sich das Blücher'sche Corps bei Gransee an die Colonne des Fürsten angeschlossen hätte — man wäre alsdann auf dem geraden Wege fortgegangen. Sie hätte nicht Statt gehabt, wenn dies Corps am Mittag des 28sten vor Prenzlau angelangt wäre, oder wenn man mit Bestimmtheit gewusst hätte, dass es um diese Zeit anlangen werde; — selbst dann nicht, wenn der General Blücher in Person hätte die bei Prenzlau wirklich versammelten Kavallerieregimenter anführen können. Eben so gewiss ist es, dass der General Blücher unfehlbar mit seinem ganzen Corps oder mit einem Teile desselben, oder mit seiner Person allein, würde bei Prenzlau im entscheidenden Augenblick gegenwärtig gewesen sein, wenn er hätte ahnen können, dass dies von so ungeheuerm Einflusse sei, denn in solchen Fällen wird das Unmögliche möglich. In wie fern indessen dem General Blücher seine Abwesenheit aus irgend eine Weise zum Vorwurfe gereichen könne oder nicht, dazu werden die detailliertesten Nachforschungen und offiziellen Data erfordert und ohne sie ist es unmöglich, darüber auf eine gerechte Weise abzusprechen.“ — Die Frage wenigstens, ob die Feigheit Anderer, dem nicht gegenwärtigen Tapfern könne zugerechnet werden, entbehrt der schweren Entscheidung.

Eine gemeine Rede hochgebietender Herren, und ein kümmerlicher Trost in schlimmer Zeit war dies, dass sie sagten: es sei ja doch alles verloren! und so gaben sie sich selbst auch auf. Blücher teilte nicht solche Gesinnung, er sah das Vaterland den Feinden Preis gegeben, er sah den Ruhm des preußischen Adlers gesunken, aber an den ritterlichen Degen schlug er mit fester Faust und nahm sich selbst tüchtig zusammen, da die andern aus einander stoben. Wer sich selbst vergaß, der ist nie zur Ausführung gewaltiger Taten gekommen, die Helden, die sich an die Spitze ihres Zeitalters stellten, die Großes vollbrachten, sie haben sich selbst nicht zu gering angeschlagen, wenn sie, ob rings umher die Welt in Trümmern niedersank, trotzig ihr Haupt gegen den Himmel richteten festhaltend an der eignen Kraft. —

Blücher hatte als Kriegsgefangener sein Ehrenwort gegeben, nicht gegen Frankreich zu fechten. Er bat bei dem Könige um Auswechselung, damit er, seines Wortes entbunden, wiederum an die gesammelte Kriegsschaar sich anschließen könnte. Was vielen damals verweigert wurde, ward ihm bald gewährt. In preußischer Gefangenschaft befand sich der französische Marschall Victor, den der kühne Schill festgenommen hatte, er wurde dem Kaiser angeboten gegen den gefangenen General. Der Tausch wurde angenommen, Napoleon selbst empfing den General Blücher auf dem Schlosse Finkenstein, wo er während der Belagerung von Danzig längere Zeit verweilte.

Bei der Eröffnung des neuen Feldzuges 1807 hatte Blücher den Verbündeten bemerkbar gemacht, wie von entscheidendem Erfolg es sein würde, den Feinden den Rücken und die linke Seite zu bedrohen, so bald sie von der Weichsel weiter vorrückten. Kolberg, wo Schill und Gneisenau die preußischen Waffen den Feinden furchtbar machten, war der feste Punkt, von wo aus man, gemeinschaftlich mit den Schweden, die schon einmal von Stralsund aus dem Kaiser viel Besorgnis erregten, gegen das französische Heer ein Unternehmen vorbereitete.

Eine starke Abteilung englischer Truppen und eine Division Preußen unter Blüchers Anführung wurden nach Schwedisch - Pommern gesendet, sie sollten zu dem dortigen schwedischen Heere stoßen und dem Könige von Schweden der Oberbefehl gegeben werden, um ihn desto fester für den Bund zu gewinnen, da er eben geneigt schien, abzutreten und seinen General von Essen bevollmächtigt hatte, einen Waffenstillstand mit dem Marschall Mortier zu schließen. Napoleon war sehr daran gelegen, Schweden mit sich zu versöhnen. In dem 72sten Bülletin von Zinkenstein, den 23sten April heißt es: „Der Friede, und selbst nur ein den Schweden bewilligter Waffenstillstand würde des Kaisers teuerste Wünsche erfüllen, der stets einen wahren Schmerz empfand, dass er gegen eine großmütige, tapfere, geographisch und historisch mit Frankreich befreundete Nation Krieg führen soll. Und in der Tat, soll das schwedische Blut für die Freiheit der Meere oder für ihre Unterjochung fließen? Was hat Schweden von Frankreich zu fürchten? Nichts. Was hat es von Russland zu fürchten? Alles. Diese Gründe sind zu einleuchtend, als dass bei einem so einsichtsvollen Kabinett und bei einem aufgeklärten Volke, das Verstand und eine öffentliche Meinung hat, der gegenwärtige Krieg nicht schnell beendigt werden sollte. Unmittelbar nach der Schlacht bei Jena gab der Kaiser seinen Wunsch nach Wiederherstellung der alten Verbindungen zwischen Schweden und Frankreich zu erkennen. Diese ersten Eröffnungen wurden dem schwedischen Minister zu Hamburg gemacht, aber zurückgewiesen. Stets ging die Instruktion des Kaisers an seine Generale dahin, die Schweden als seine Freunde zu behandeln, mit denen wir zerfallen sind, mit denen aber uns die Natur der Dinge bald wieder versöhnen wird. Die teuersten Interessen beider Völker bringen dies mit sich. Fügten sie uns Übel zu, so würden sie es eines Tages beweinen; eben so würden wir das Übel wieder gut machen wollen, was wir ihnen, zufügten. Das Interesse des Staats behält über kurz oder lang die Oberhand über die kleinen Zwistigkeiten und Leidenschaften.“ Dies sind die eignen Worte und Befehle des Kaisers.

In dieser Denkungsart lag der Grund davon, dass der Kaiser die Operationen zur Belagerung von Stralsund contremandirte und die von Stettin hingesandten Mörser und Kanonen zurückkommen ließ. Er schrieb dem General Mortier wörtlich folgendes: „Ich bedaure, dass schon etwas geschehen ist, die Verbrennung der schönen Vorstadt von Stralsund tut mir leid. Sind wir es, die Schweden Übel zufügen sollen? Dies alles ist nur ein Traum. Es ist unsere Sache, Schweden zu verteidigen nicht ihm Böses anzutun. Tun Sie ihm also so wenig an, als sie können, schlagen sie dem Gonverneur von Stralsund einen langen, einen kurzen Waffenstillstand vor, um einen Krieg, den ich als Verbrechen ansehe, weil er unpolitisch ist, minder blutig zu machen und dessen Folgen zu mildern.“ —

Aber der König von Schweden verkannte ganz die vernünftigen Worte Napoleons. Er war unklug genug, neunzehn Tage nach der Schlacht bei Friedland und dreizehn Tage nach dem Waffenstillstand der großen Heere den Krieg wiederum für den 13ten Julius gegen Frankreich anzukündigen, wodurch er den von dem General Essen auf seinen Befehl unterzeichneten Waffenstillstand brach. — Zu Schlatkow auf schwedischem Gebiete hatte der König den Marschall Brune schon am 4ten Junius zu einer Unterredung einladen lassen und ihm hier den Antrag gemacht, er solle sich mir ihm vereinigen, um Napoleon zu fangen und des Thrones zu entsetzen. Wie Marschall Brune diesen entehrenden Antrag aufgenommen, hat er laut genug in seinem Tagesbefehl aus dem Hauptquartier Stettin vom 10ten Julius 1807 ausgesprochen. Diese und ähnliche Unternehmungen des Königs von Schweden und zuletzt seine unrühmliche Flucht von Stralsund geben freilich wenig Hoffnung, dass unser Feldherr, der so eilig, als nur möglich, mit seiner Division, zu der das versuchte Corps des Majors von Schill gehörte, nach Schwedisch-Pommern aufgebrochen war, unter dem schwedischen Befehle sich wohl befunden haben würde. Der Waffenstillstand am Niemen, rief Blüchern mit seinen Preußen ab von dem schwedischen Heere. Mit Verdruss warf unser Held das schon wieder aufgehobene Schwert in die Scheide zurück, aber beim Eisen schwur er gar zornig und hart, dass kein Rost an der Klinge nagen sollte, bis das Vaterland wieder frei sein werde.