Blüchers Jugendjahre. Der siebenjährige Krieg. Das Landleben

Gebhardt Leberecht von Blücher, Fürst von Wahlstadt, königlich preußischer Feldmarschall, Ritter in allen Reichen Europas, ward geboren zu Rostock, im Herzogtume Mecklenburg-Schwerin, den 16ten Dezember 1742; eintausend Jahre nach dem rasenden Roland. Der Vater unsers Helden war in kurfürstlich hessischem Reiterdienst Rittmeister worden, lebte jetzt zuruckgezogen auf dem väterlichen Erbe zu Großen-Rensow; die Unruhen des Krieges veranlassten ihn, das Landgut zu verlassen und nach der Stadt zu ziehen. Wüssten wir von dem Vater nur dies Eine, dass er gegen einige Tanten, die aus den zahmen Schäferliedern jener Zeit dem Kinde süße Namen gewählt hatten, es durchfocht, den Knaben „Gebhardt Lebrecht“ zu heißen, so würde dies den geraden, deutschen Mann genug bezeichnen, der gewiss nie die, zu sklavischem Kriegsdienste verfeilschten Hessen nach Amerika geführt, oder auf dem Landtage seines Vaterlandes, zur Schande des Jahrhunderts, für die Zurückhaltung seiner Bauern in schmähliger Leibeigenschaft das Wort genommen hätte. —

Die Mutter war aus dem Geschlechts der von Zülow, dem Vater eine rasche Gefährtin auf dem unruhigen Wege der ersten Kriegsjahre, eine sorgliche Hausfrau in dem häuslichen Kreise, die viel zu wehren hatte den wilden Knaben.


Homer nennt seine Helden nur nach dem Namen der Vater, Achilleus, der Peleide, Agamemnon, Atreus Enkel, der Telamonier Ajax; im griechischen Leben hatte die Liebe noch nicht ihre Bedeutung, die Frauen nicht ihre Würde gefunden. Erst im germanischen Leben ging dieser Stern auf; in dem Liebe der Nibelungen heißt Siegfried immer das Sigelindenkind, nach seiner Mutter Sigelinde, und so die andern Helden. — In diesem Sinne durfte die Mutter unseres Helden nicht ungenannt bleiben. —

Der führte gewiss ein betrübtes Leben, der in seinen alten Tagen nicht seiner Jugend mit Freuden gedenkt und der frohen Spiele der Kindheit. In strenger Winterzeit rufen wir gern den Schmuck des Frühlings zurück, und so wird immer, erzählen wir von den Großtaten eines Helden, nach seiner Jugend gefragt, und gern hört ein jeder, wie in dem Knaben schon vorbedeutungsvolle Zeichen erschienen, das große Schicksal, das er einst erfassen werde, ankündigend. —

Nicht immer kann diesem Wunsche genügt werden; denn selten haben die Zeugen und Zeitgenossen großer Männer, fortgerissen im Wirbel drängender Begebenheiten, so viel Besinnung und Ruhe gewonnen, um aus einer stürmenden Meerfahrt zurückzutragen nach der Heimat und dem ersten Treiben des Quelles, der, zum Strome angeschwollen, nun seine Wogen auf hoher See treibt. Von der Jugendgeschichte alter Helden gibt es wenig zuverlässige Nachricht, um den Wunsch darnach nicht unbefriedigt zu lassen, hat die Dichtung gesorgt mit Mähren und Sagen. So erzählt eine „köstliche Historie“ wie Karl, den die spätern Geschlechter den großen Kaiser nannten, unter günstigem Zuspruch der Sterne in heimlicher Liebe gezeugt, auf der Reißmühle bei Weihenstephan geboren und als ein Müllerknabe ohne Zucht aufgewachsen; wie er damals, in seinem achten Jahre, unter den Dorfbuben als Richter und Oberster einen seiner Gesellen beim Spiel als Dieb eines Pferdezaumes auf offener Straße an einen Baum gehenkt, wie er dann leichtsinnig mit den andern Knaben einem vorüberspringenden weißen Hasen nachgeeilt und der arme unschuldige Dieb am Baume verschieden, Karl aber sich klüglich zu Päl in die Dienste eines Ritters begeben, von da zu Hofe gekommen, von dem Vater erkannt und zu Ehren angenommen worden sei; wie er der Brüder Neid mit Huld und der Welt Hoffnungen mit Taten belohnt habe. —

Von Kaiser Rudolphs Gefahren, die er noch als der junge Graf von Habsburg bestanden, melden die Chroniken viel. Im Theuerdank, einem altdeutschen Gesange mit schönen Bildern, hören wir, was dem ritterlichen Kaiser Max begegnet ist in seiner Jugend. Thomas Kantzov erzahlt uns die Geschichte des abenteuerlichen Herzogs Bugslav von Pommern, der, als Kind von seiner Mutter verwahrlost, von einem Bauersmanne, Hans Lange von Rügenwalde, groß gezogen ward.

Von dem Feldmarschall erzählen die Fischer am Ostseeufer der Insel Rügen, dass ihre Väter ihn wohlgekannt, da sie noch Buben gewesen und mit dem wilden Junker und einem altern Bruder Ulrich, die der Vater von Rostock nach der Insel zu seinem Schwiegersöhne, dem Herrn von Krackwitz, unter strenge Aufsicht gegeben, so manchen Streich ausgeführt. Da sei der Junker Lebrecht immer voran gewesen; was kein anderer gewagt, hab' er unternommen, und alle hatten ihm gehorchen müssen, weil keiner so großes Herz gehabt. Ihm sei kein Baum zu hoch gewesen, er habe ihn erstiegen; in die Schluchten der Kreidefelsen, wo heutiges Tages es angeschlagen ist, dass niemand hier den Hals brechen darf, kletterte der junge Wagehals hinab zu der Brandung des Meeres ohne Schwindel. Beim Sturme rief er seine Gesellen in den Nachen und schlug mit dem Ruder gegen die empörten Wellen, als wollt' er sie schweigen heißen. — So erzählen die Leute auf Rügen, wo es sich entschied, welches Feld des Ruhmes unser Held betreten sollte. Hätt' er die See gewählt zu seiner Bahn, er würde neben Nelson genannt werden, wie jetzt neben Wellington.

Es war im dritten Jahre des siebenjährigen Krieges, da der Junker Blücher, dem die Knabenspiele nicht mehr genügten, nach ernsterer Arbeit begierig, heimlich das Haus der Verwandten verließ. Schwedische Husaren standen in der Nähe, die beiden Junker baten einen Rittmeister des jetzigen Regimentes Mörner, sie anzunehmen: vergebens war ihr Schwager ihnen nachgereist, sie blieben bei den schwedischen Husaren, die in den folgenden Jahren leichte Streifzüge in die Ukermark unternahmen. —

Einst lag der Junker Blücher mit zwölf Husaren auf der Feldwacht bei Sucow an der Uker, er war mit weniger Mannschaft vorgeritten auf Kundschaft, — da fielen aus dem Walde preußische Husaren vom schwarzen Regiment, die Schweden wichen, Blüchers Pferd stürzte von einer Kugel getroffen, der Husar, Martin Krausse, nahm ihn vor sich auf sein Pferd und brachte ihn wohlbehalten dem preußischen Obersten von Welling. Diesem gefiel der schwedische Junker, der, auch als Gefangener, den freien Mut der Rede sich erhalten hatte; er bot ihm preußischen Dienst an, Blücher erinnerte, dass er zu dem schwedischen Fahnen geschworen und das Unglück der Gefangenschaft diesen Schwur nicht löse; aber sein Ehrenwort gab er, nicht unausgewechselt zu den Schweden zurückzugehen. So war ein Jahr vergangen, während Blücher bei dem Obersten Welling blieb. In jener Gegend des Kriegsfeldes war es ruhiger, als in Sachsen, Schlesien und Hinterpommern, wo überall der Unstern über Friedrichs siegreichem Schwerte aufzugehen schien; Dresden, Colberg, Schweidnitz fielen in die Hände der Feinde.

Die Schweden unternahmen nichts Großes, nur auf Streifzügen trafen sie vor wie nach mir den Preußen zusammen. Einen schwedischen Lieutenant brachten die preußischen Husaren ihrem Obersten, der früher im preußischen Dienste gestanden und als Überläufer den Tod verwirkt hatte. Der schwedische General verwendete sich für ihn, Welling bot an, diesen auszuliefern, wenn dagegen dem Junker Blücher der Abschied erteilt würde; dies geschah, Blücher schwur nun zu den preußischen Fahnen, gerade zu der Zeit, wo die Feinde des Helden seines Jahrhunderts in Wien und Petersburg voreiliges Siegesgeschrei erhoben.

Mit dem Eintritte in das preußische Heer war für Blücher ein weiteres Feld kriegerischer Tätigkeit eröffnet, als er es unter den Schweden würde gefunden haben, wo er zurückgedrängt worden wäre als Ausländer. Auch in Rostock durfte er nicht bleiben oder im mecklenburgischen Dienst, wenn er der Feldmarschall werden wollte, der ein siegreiches deutsches Heer nach Paris führte; nach Preußen musste er ziehen, dem Staate, der in Deutschland die Schutzherrschaft der Wissenschaft und Kunst gegen päpstischen Glaubenszwang und nordische Barbarei übernehmen, das Panier der Freiheit gegen Adelherrschaft und Leibeigenschaft erheben und das Schwert einst führen sollte zur Erlösung des Vaterlandes aus der Schmach fremder Knechtschaft. —

Blücher ward in der gewöhnlichen Ordnung der Dienstfolge ältester Stabsrittmeister im Regiments des Obersten Welling, der sich fortwährend als väterlicher Freund seiner annahm. Welling hatte in jenem Feldzuge nach Polen, — wo Friedrich die unwürdigen Fesseln löste, in denen das von den deutschen Rittern an der Weichsel gegründete Deutschland an das slavische Leben gebunden war, — des Königs Ungnade sich zugezogen, sein Regiment ward dem Obersten von Lossow übergeben, in welchem Blücher den Freund nicht wiederfand, den er in Welling verlor.

Empfindlich ward Blücher dadurch gekränkt, dass die Schwadron, zu deren Führung er nach dem Dienstalter das nächste Recht hatte, einem jüngern Rittmeister von Jägerfeld übergeben ward. Der Oberst nahm keine Beschwerde dagegen an, Blücher wendete sich nun an den König selbst, der den Vorschlag des Obersten Lossow schon bestätigt hatte. „Der von Jägerfeld, — schrieb Blücher dem Könige, — der kein anderes Verdienst hat, als Sohn des Markgrafen von Schwedt zu sein, ist mir vorgezogen, ich bitte Ew. Majestät um meinen Abschied.“

Verkennen wir hierin den festen Sinn Blüchers nicht, er hatte als Junker sich gerühmt, gegen den großen Friedrich gefochten zu haben, darum wagte er nun, unter seinen Fahnen dienend, ihn bescheiden an das Rechte zu erinnern, und zu welcher Zeit wagte er es, und gegen welch einen König? In einer Zeit, wo Willkür die Gesetze schrieb, gegen die in den bürgerlichen Verhältnissen kaum ein Bedenken laut werden durfte, im Kriegsdienst schon der Zweifel an ihre Unfehlbarkeit als Verbrechen galt, in dieser Zelt schrieb der Rittmeister Blücher jene Zeilen dem Könige, der bei aller Größe, die ihn an die Spitze seines Zeitalters stellte, von menschlicher Leidenschaft nicht frei war, und dieser um so freieren Zügel ließ, da er in zagen Umgebungen keine Beschränkung fand. — Der König schrieb dem Obersten des Regimentes: „Der Rittmeister von Blücher ist seiner Dienste entlassen, er kann sich zum Teufel scheren.“ Verborgen lagen dem so scharfen Auge des Königs die zukünftigen Lose seines Staats, wie viel mehr die des einzelnen Mannes; der von ihm unbillig entlassene Rittmeister ward im zweiten Geschlecht nach ihm Feldmarschall des Rettungsheeres. Nicht kindischer Trotz, noch die für sich allein besorgte Eitelkeit war die Veranlassung, dass Blücher dem Könige schrieb; die Verletzung des Rechts, die ihn traf, traf zugleich die andern mit, hätte er sich hier allein bedenken wollen, so lag die Rücksicht ihm weit näher, sich jenem Unrecht zu fügen, da die ihm verlobte Braut schon die Hochzeitfeier bereitete und er für ein neugegründetes Hauswesen zu sorgen hatte.

Blücher gab mit dem königlichen Dienste nicht, wie die Freunde gefürchtet, die Braut zugleich auf, er hielt fröhliche Hochzeit bei seinem Schwiegervater, dem sächsischen Obersten von Mehling, der auf seinen Gütern in Polen lebte. Von diesem nahm er ein Landgut in Pacht und trieb fleißig den Landbau.

Er blieb bei dem ihm befreundeten Erze, bei dem Eisen: das Schwert ruhte in der Scheide, die blanke Pflugschar lernte er führen, eine bessere Schule für seine künftigen Meisterjahre, als wenn er irgendwo in einer Schreibstube sein Unterkommen gesucht hätte; die Herren von der Feder wurden nie seine Freunde, so wenig, als er ihr Vertrauter.

Als tätiger Landwirt gewann er bald so viel, um sich ein eignes Gut in Pommern zu kaufen; ihm war nicht beschieden, mühelos auf ererbter Scholle zu sitzen, erworben war in Anstrengung, was er besaß, auch war es der Adelsbrief seiner Urahnen nicht, der in zum Edelmann machte, sich selbst hat er diesen Brief mit fester Faust, unverlöschlich mit dem Schwerte geschrieben, die Ahnenprobe hat er nicht vor Hofschranzen, er hat sie auf dem Schlachtfelde bestanden; nicht unter des dürren Stammbaumes laublosen Ästen durfte er den traurigen Schatten eines erborgten Ruhmes suchen, denn ihm hat die heimgeführte Victoria den ewiggrünen Lorbeer um die Schläfe gewunden. —

Mit dem Pfluge lernte Blücher auch den Bauer kennen und mit ihm umgehen. Er war oft in freundlichem Gespräche mit den Landleuten durch die Saatfelder gegangen; er wusste sie auf dem Schlachtfelde nachbarlich und zutraulich zu grüßen mit einem ,,helf Gott“ und wusste ihnen zu danken nach ihrer Landessitte; — so gewann er das Vertrauen des Heeres, wodurch ihm so mancher Sieg gelungen ist. —

In jedem Kreise der Landschaften des preußischen Reichs ward, wie es noch jetzt der Fall ist, wo jedoch die freie Wahl der Landschaft eingeschränkter ist, ein Landrat gewählt, dem in Beziehung auf Verwaltung und Polizei von der Regierung die Aufsicht im Kreise anvertraut ist; im Verlauf der Zeit hat sich das Verhältnis dieses Amtes umgeändert, da sie vorher in unmittelbarer Beziehung zu den Landständen standen, die aus ihrer Mitte den Würdigsten dazu bestimmten. Die pommersche Landschaft hatte unsern Blücher gewählt zu ihrem Landschaftsrate, und sie wusste wohl, dass sie an ihm einen treuen Vertreter der Ordnung haben würde.

Fünfzehn Jahre hatte Blücher auf dem Lande gewirtschaftet: Friedrich der Große hatte sein müdes Haupt zur Ruhe gelegt, Friedrich Wilhelm der Zweite, der ihm folgte, besuchte die Landschaften seines Reichs, um Heerschau über die hier versammelten Kriegsscharen zu halten.

Der Landrat Blücher ließ sein Soldatenherz nicht Ruhe, wenn er die Trommeln wirbeln und die Trompeten schmettern hörte, er zäumte sein Ross, legte die Decke, den blanken Sattel auf und das reiche Husarengeschirr, und ritt so wild und doch gewandt, wie kein anderer, über die Heide.

„Wer ist, — fragte der König bei der Heerschau in Pommern, — da drüben der beherzte Reiter, der könnte uns was aufgeben, er ist vom Civil?“ Der Reiter ward gerufen: es war der Landrat Blücher, der verabschiedete Rittmeister, der sehr bereit war, dem Wunsche des Königs zu genügen und in das Heer zurückzutreten, da dieser ihm freundlich Genugtuung für die erlittene Zurücksetzung versprach.

In dasselbe Regiment, aus dem er früher ausscheiden musste, trat er nach seiner eigenen Wahl wieder ein, und zwar als Major vor dem Major von Jägerfeld, der einst ihn verdrängt hatte.

Selten hat die Geschichte uns ein so schlagendes Beispiel gegeben, wie wenig ihr großer Riesengang an die Erscheinung einzelner ausgezeichneter Männer, deren Arbeit nicht zugleich die Arbeit des Zeitalters war und so von den kommenden Geschlechtern aufgenommen und fortgeführt ward, gebunden ist, als sie es bei Friedrichs Tode tat. Zwar zitterte in der Grenze seines Staates die Bewegung, die er durch einen kühnen Wurf in der trägen Wasserfläche erregt hatte, noch fort; aber die Kreise, die zunächst um ihn in schäumender Brandung aufschlugen, ferner und immer ferner gezogen, verloren sie die Kraft. Gewaltigere Schläge waren im nachbarlichen Frankreich geschehen, von da schlugen empörte Wellen herüber in die mattherzige deutsche Flut.

Die französische Revolution bewegte das europäische Staatengebäude des Festlandes, dass die morsche Grundfeste zitterte. Um die Ursachen so großer Begebenheit sind die Diplomaten und historischen Pfennigkrämer nie verlegen gewesen: bald war es die Verruchtheit der Pariser, bald die Sünden des Versailles Hofes, bald die amerikanische Zeitung, bald Rousseau und Voltaire, bald das Papiergeld oder Orleans. Andere haben es noch geheimer gesucht und mit bewaffnetem Auge nachspüren wollen in jedem heimlichen Gemache; die hoffen, den rechten Aufschluss noch erwarten zu dürfen, wenn nur erst diese und jene Marquise ihre Memoiren geschrieben haben, oder so manche geheime Note des Kabinetts verlauten wird. Sie meinen: ein Regiment Schweizer mehr, und es wäre nicht so weit gekommen, nur an dem einen Tage wohlfeileres Brot und es wäre die Bastille nicht gestürmt worden.“

Doch nicht wie zu unserer Zeit die Revolution dem und jenem erscheint, kommt hier in Betracht, wo wir dem unbekümmerten Kriegsmanne folgen wollen zum Feldzuge an dem Rheine; unerwähnt will ich aber nicht lassen, wie zu jener Zeit die Bewegung Frankreichs aufgenommen wurde in Berlin, dem lebendigsten Mittelpunkte des Staats und des Hofes, dem Blücher angehörte.

Von dem ausgewanderten und vertriebenen französischen Adel hatten viele in Berlin, wo sie eine Kolonie ihrer Landsleute, freilich nur gemeines Volk, das bloß um des Glaubens Willen das Land verlassen hatte, wussten, Zuflucht gesucht. Bei Hofe waren sie gut aufgenommen; die Sache des Königs und der Aristokraten Frankreichs machten sie zur Sache aller europäischen Höfe, zumal derer, die auf französischem Fuße lebten, durch Maitressen, Günstlinge und Beichtväter ihre Befehle ausfertigen ließen. Friedrich Wilhelm II. war kräftig genug, um die Furcht, die andere Fürsten befiel, bei den demagogischen Umtrieben, die von Frankreich ausgingen, zuerst zu überwinden; öffentliche Erklärungen sprachen unverhohlen die Verachtung aus, die der Berliner Hof den Grundsätzen der Republikaner entgegensetzte, und drohten den Ernst an, mit dem man sie in die gehörigen Schranken zurückzuweisen gesonnen sei.

Auf das Heer Friedrichs des Großen, auf die Schlacht bei Rossbach ward verwiesen, und wirklich fehlte es dem Heere nicht an Kriegslust und tapferm Sinne, auch unter den höhern Führern zeigte sich manches Talent. Der Witz Kästners auf die Franzosen: —

„Da kommen sie im hohen Wolkenzuge
Und donnern auf die Deutschen los,
Der Deutsche schießt sie nun im Fluge,
Wie er sie sonst im Laufen schoss!“ —

Dieser Witz fand im preußischen Heere gute Aufnahme, aber zur Ausführung ist es nicht gekommen gegen die Luftschiffer, die für diesmal ihrer Windbeutelei das rechte Element angewiesen hatten, und von oben herab der schwerfälligen Aufgeblasenheit ihrer Gegner spotteten. —

Das Kabinett sah nur die kleinen Ursachen der großen Bewegung und auch die Pilnitzer Versammlung bedachte nicht, dass das Große in der Geschichte nur vom Großen geboren wird; nur dann fällt durch den leichten Windstoß das von Außen vielleicht mit hellen Farben übertünchte Gemäuer, wenn der Grund schon seit Jahrhunderten sank, und die alten Fugen längst getrennt waren.

Man redete bei Hofe von dem ungezogenen Pöbel und den Fischweibern der Halle, und wie es nur eines Spatzierganges nach Paris bedürfe; davon aber, dass in Frankreich durch geheimen Befehl zu jeder Stunde der Bürger in die Bastille geworfen werden konnte ohne Richterspruch, dass beliebige Steuerbefehle einem Jeden das Eigentum abforderten, dass der übermütige Adel die Bauern zur Nachtwache zwang an den Dorfpfützen, um die Frösche auf das Maul zu schlagen, die den gnädigen Herrn im Schlafe beunruhigten, von dem Ringen des Volkes nach Sicherheit der Person und Freiheit des Eigentums kam in den Pilnitzer Traktaten kein Artikel vor.

Nicht unbekannt war es dem Hofe geblieben, dass in Berlin gegen diese Ansicht eine Partei sich gebildet hatte, die aus aller Verworfenheit, die die französische Revolution bald begleitete, das heilige Gericht der Geschichte erkannten. Nicht die Jugend etwa, die eben von den hohen Schulen zurückkam, maßte sich, vom Schwindel des Gefühles fortgerissen, eine Entscheidung und Leitung der Welthändel an, in Halle und Frankfurt ließ die Rohheit des Lebens Wenige zur Besinnung kommen, und die gerechte Klage in unserer Zeit, dass die akademische Jugend zu wenig sich der Geschichte und Politik mit rechtem Ernste befleißige, traf jene Zeit noch weit mehr.

Unter den angehenden Staatsbeamten aber, unter den jungen Ärzten, die von Straßburg zurückkamen, gab es eine Partei, die die lautesten Lobredner der neuen Lehre Frankreichs war. Die Regierung sah sich genötigt, strenge Befehle gegen geheime Verbindungen zu geben, an der Jesuitenriecherei hatten feine Nasen sich geübt, um auch die Witterung der Jacobiner leicht zu erkennen, jedes freie Wort wurde belauscht, Schelmenfabrikanten verhörten rechtliche Männer zu Hochverrätern, die Schreibstuben wurden erbrochen, das Heiligtum des Siegels nicht geschont; Zerboni, der jetzige Oberpräsident in Posen, musste mit andern ohne Rechtsspruch nach Spandau und Magdeburg wandern. —

Preußen, verbunden mit Österreich, ließ unter der Anführung des Herzogs von Braunschweig sein Heer nach Frankreich aufbrechen, am 19ten August 1792 ward die Grenze überschritten.