Der Fang der Blau- und Schwarzfische an der Küste von Nantucket. (Siehe die 2 Bilder auf Seite 208.)

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1880
, Erscheinungsjahr: 1880
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Fischfang, Delphine, Makrelen,
Die Insel Nantucket, welche etwa 30 Seemeilen von der Kap-Cod-Halbinsel der Küste von Massachusetts in Nordamerika vorliegt und einen Flächenraum von etwa 30 Quadratmeilen hat, ist größtenteils sandig und unfruchtbar, und ihre vorwiegend aus Quäkern bestehenden Einwohner haben daher seit der Zeit der Besiedelung ihren Lebensunterhaltmeist durch Fischfang, Seefahrt und Walfischfang erworben. Letzterer ist in der jüngsten Zeit nicht mehr lohnend, dagegen ist der Fischfang noch immer ziemlich ergiebig, namentlich auf den sehr gefährlichen Untiefen der sogenannten „Nantucket-Shoals“, welche sich im Südosten der Insel in einer Länge von 50 und einer Breite von 30 englischen Meilen in den Ozean hinein erstrecken.

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Außerdem haben die Bewohner der Insel verschiedene Seebad-Etablissements gegründet, welche von solchen Familien aus den benachbarten Küstenstädten gern zur Sommerfrische benützt werden, denen es mehr um Stille, Behaglichkeit und Wohlfeilheit und um einigen Sport, als uni großstädtisches Leben und Eleganz zu tun ist. Zu solchen, Sport in Gestalt des Fischfangs, auf welchen sich die Nantucketer trefflich verstehen, geben im Hochsommer namentlich zwei Wanderfische Gelegenheit, deren Fang der Fischerbevölkerung jener Insel eine bedeutende Einnahmequelle abwirft, nämlich der sogenannte Blue-(Blau-)Fisch und der Black-(schwarz-)Fisch — jener eine Art Makrele oder Schillerfisch, dieser eine der kleinen Walarten oder Grinddelphine, also ein Wassersäugetier. Bei dem Fang dieser periodisch erscheinenden Meeresbewohner und namentlich demjenigen des Blaufisches beteiligen sich viele der seebadenden Sommergäste mit großem Eifer und nur wollen daher denselben an der Hand unserer beiden Bilder s. 208 beschreiben.
Der Blaufisch ist ein zu den Stutzköpfen gehöriger Wanderfisch des Meeres, welcher mit Beginn des Frühjahres in der Tiefsee des Atlantischen Ozeans erscheint und sich in ungeheuren Mengen an den Ostküsten von Nordamerika zeigt, während er unverkennbar den Winter in den tropischen Meeren, den Sommer in denen der gemäßigten Zone zubringt. Er erscheint im März und April an der Küste von Carolina, zu Anfang Junis an der Küste von Massachusetts und den vorliegenden Inseln, wahrscheinlich um zu laichen, und ist dann mager, schlecht bei Fleisch und äußerst gefräßig. Er erreicht eine Länge von zwei bis acht Fuß und mehr und hat ein Gewicht von zwei bis zwölf Pfund. Bis Mitte August, wo er in großer Menge an der Küste von Nantucket erscheint, ist er wieder fett und von guten, Fleisch, kommt meist in Exemplaren von vier bis sieben Pfund vor und ist auf den Fischmärkten der großen Städte sehr gesucht, wird daher eifrig verfolgt und bald mit Schleppnetzen und Grundnetzen, bald mit Angeln gefangen. Er hält sich nämlich an, liebsten an der Küste, unmittelbar hinter der Brandung ans, wo er den angetriebenen Schaltieren und kleinen Fischen nachstellt, aber auch den, Fischer leicht zur Beute wird. Der Fang mittelst der Angel geschieht in folgender Weise, lange Angelleinen, an den im Sande eingetriebenen Pfählen so befestigt, wie es auf unseren, ersten an Ort und Stelle, nämlich am Strande der Syasconsetbai auf Nantucket, aufgenommenen Bilde S. 208 zu scheu ist, werden über die Brandung hinausgeworfen und beim ersten Zucken rasch eingezogen, der gefangene Fisch dann ausgelöst, der Angelhaken frisch beködert und mittelst der Leine wieder ausgeworfen, so dass ein emsiger Fischer täglich beinahe einen Zentner Blaufische fangen kann und man die Beute in ganzen Karrenladungen zu den Schiffen schafft, welche sie nach dem Festlande bringen.
Der Schwarzfisch, Grind- oder schwarze Delphin, dessen Fang wir auf dem unteren Bilde s. 208 sehen, wird zwölf bis sechzehn Fuß lang, erreicht hinter den Finnen einen Umfang von zehn Fuß und wird bis zu vierzig Zentner schwer; er ist ein Bewohner der arktischen Meere, der aber im Frühjahr und Sommer in ganzen Zügen gen Süden wandert und von Zeit zu Zeit an den Küsten von Nantucket und auf den dortigen Shoals oder Sandbänken erscheint, um hier zu äsen. Sobald nun eine sogen. Scholle oder Trupp dieser Wale in Sicht der Küste erscheint, stechen ein Dutzend Boote in See, nähern sich in einer langen Reihe von der See her dem Trupp und treiben ihn unter Geschrei und Tücherschwenken landwärts. Die Delphine lassen sich denn auch in der Tat so einschüchtern, dass sie landwärts schwimmen und endlich stranden, so das; sie namentlich gegen Ende der Flutzeit und bei der Ebbe auf dem Trockenen bleiben. Sobald dies geschehen ist, eilen, wie auf unseren. Bilde zu sehen ist, die Fischer und die bei dem Fang sich beteiligenden Badegäste mit langen Messern herbei und versetzen den gestrandeten Grinden einen Stich in den Kopf über dem Auge, der sie alsbald tötet, worauf sie landwärts geschleppt und abgespeckt werden, denn der Speck gibt guten Tran, während Fleisch, silieren, Leber und Herz von den Fischern verspeist werden, welche namentlich letztere drei für Leckerbissen halten. Der Fang aber ist im Grunde mehr ein ekles, blutiges Gemetzel, als ein aufregender und befriedigender Sport für einen Mann von Bildung und Gefühl, allein unter vielen Klassen der amerikanischen Städter beliebt.

Fang der Blaufische an der Küste der Insel Nantucket

Fang der Blaufische an der Küste der Insel Nantucket

Fang der Schwarzfische an der Küste der Insel Nantucket

Fang der Schwarzfische an der Küste der Insel Nantucket