Kleinmut und Hoffnung

Nur wenige Menschen mögen wohl die Wahrheit des Spruches: dass unser Herz ein trotzig und verzagtes Ding sei, so oft, so lebendig an sich erfahren haben, als ich. Vor Allem ist mir dieses während meines Aufenthaltes in Mecklenburg geschehen. Was waren doch dort die kleinen Anfechtungen, die ich nach Kap. 12 von Andersgesinnten zu erdulden hatte, gegen die Taufe der Feindseligkeiten und öffentlichen Lästerungen, welche über den treuen Harms kam, was waren alle die äußeren Veranlassungen zum Missmut und zur Ungeduld, welche mir zustießen, im Vergleiche mit jenen, welche viele meiner weiter geförderten Freunde getroffen hatten. Und dennoch gab ich mich, wie ich oben S. 171 es beschrieben, einer Verzagtheit und Traurigkeit hin, welche keinesweges jene göttliche war, die zum Leben, sondern die irdische, die zum Tode führt.

Ich hätte die Wahrheit dieses Ausspruches über die Folgen einer Traurigkeit der Welt im wörtlichen Sinne an mir selber wahrnehmen und fühlen können; ich wurde von einem leiblichen Übel ergriffen, welches sich öfters zu der grämlichen, ärgerlichen Stimmung der Seele zu gesellen pflegt: einem Leberleiden, das zehn Jahre nachher, während einer länger anhaltenden, gleichartigen Stimmung zu einem Gefahr drohenden Ausbruche kam. Da wirkten dann Leib und Seele zusammen. Wenn ich, im Freien gehend oder in meinem Zimmer allein war, so wie in den schlaflosen Nächten, von denen ich öfter heimgesucht wurde, grub ich mich immer tiefer in meinen Kummer hinein, überließ mich ganz der Pein der inneren Vorwürfe darüber, dass ich mich selber, wie ich meinte, durch eigene Wahl und Schuld in meine jetzige Lage hineingebracht habe. Und hierbei habe ich an mir einen Wechsel der Stimmungen erfahren, die mit einander im vollkommensten Widerspruche standen; denn wenn ich unter den nahen Bekannten und Freunden war, vor denen ich das Gewimmel der Sorgen und trübseligen Gedanken in meinem Inneren nicht sehen lassen wollte, da gewährte ich öfters dem Hange meines Naturells zum Scherz und Mutwillen so ungehemmten, freien Lauf, dass ich mich dieser Anwandlungen eben so sehr zu schämen hatte, als der entgegengesetzten zum Kleinmut und zur Verzagtheit.


Es kam auch noch eine andere schwere Heimsuchung über mein Haus und mein Herz. Mein einziges Kind, meine Tochter Selma, erkrankte an einem heftigen Nervenfieber, welches damals viele Erwachsene und Kinder der Gegend dem Grabe zuführte. Auch sie schien diesen Weg gehen zu sollen; der Arzt, den ich zu Hilfe gerufen, gab wenig, ja fast keine Hoffnung. Welche Nächte waren das, die ich am Krankenbette des Kindes durchwachte. Und dennoch brach in das innere Dunkel ein Licht der Hoffnung und des Trostes herein, das mir ja niemals ganz verloschen war; das Kind genas zu unserer Freude und lebt noch jetzt als glückliche Gattin, Mutter und Großmutter.

Eine andere Hoffnung noch, welche nicht ohne Erfüllung blieb, ging mir nahe um diese Zeit wie ein Morgenstern auf, der das Nahen eines neuen, heiteren Tages verkündet. Auch Schelling, nach S. 173, hatte mich ermahnt, an den edlen, so wohlwollend gegen mich gesinnten Minister von Lerchenfeld zu schreiben, diesem meine peinliche, unsichere Stellung in Mecklenburg aufrichtig zu schildern und ihn um seine Hilfe zu bitten aus meiner Not. Ich hatte mich zu diesem Schritte nicht sogleich entschließen können. Eine Scham, zur Unzeit, hielt mich davon ab. Wie hatte sich der für meine Wahl so ernstlich besorgte Lerchenfeld, der die Welt so wie mich besser kannte, als ich, so angelegentlich bemüht, mir von dem Hinaustreten aus meinem angemessenen Berufe abzuraten und mich in Bayern fest zu halten und wie war ich gegen alle seine Vorstellungen und Anerbietungen so taub gewesen, ja, wie ich meinte, in unverzeihlicher Weise gegen alle seine Güte so unerkenntlich und gefühllos. Wie durfte ich es jetzt wagen, mich dem verehrten Manne, wenn auch reumütig, mit einer solchen Bitte zu nahen, die mit meinem früheren Benehmen in so grellem Widerspruche stand? Da geschah mir etwas, das ich noch jetzt zu dm beachtenswerten Erfahrungen meines inneren Lebens zähle. In einer meist schlaflos zugebrachten und mit Sorgen durchkämpften Nacht gedachte ich jener Stelle des Propheten Jesaia 49, V. 15, in welcher sich das ewige Erbarmen mit der Liebe einer Mutter vergleicht, die ihres Kindes nie vergessen kann, mit dem trostreichen Schlusse: „und ob sie sein vergäße, will ich doch Deiner nicht vergessen.“ Diese Worte aus dem Munde der Wahrheit ergriffen mich so lebendig und so tief, wie noch niemals. Ich fasste jene ewige Mutterliebe bei ihrem gegebenen Worte, gleichwie bei der Hand an und mir war es in meinem Inneren, als ob mich Jemand versichere: noch heute soll sich dir ein Weg der Rettung auftun. Mit diesem Gefühle der Hoffnung stand ich auf, wartete mit Ungeduld auf den Postboten, dieser kam wie gewöhnlich am Vormittag, brachte einen Brief aus Nürnberg; ich erkannte die Hand, es war die meines lieben, brüderlichen Freundes Tobias Naumann, Kießlings Neffen. Ich dachte: „Was kann dir dieser liebe Mensch sagen, das eine trostreiche Aussicht auf Rettung aus deiner Lage gäbe,“ las den recht aus warmem Herzen gekommenen Brief selber mit warmem Herzen und fand zwar in seinem Hauptinhalte nichts Anderes, als den teuren lieblichen Nachklang aus dem Zusammenleben mit den Nürnberger Freunden in Geist und Gemüt, an seinem Schlusse aber noch eine dringende Aufforderung im Namen aller dieser Freunde, mich an den Herrn Minister von Lerchenfeld zu wenden, mit der Bitte, mir wieder in Bayern eine Werkstatt und Ruhestätte für mein Leben zu eröffnen. Da wurde mir es auf einmal zur vollen Gewissheit, dass dieser Schritt nach Gottes Rat und Willen sei: ich schrieb an den vielvermögenden Freund.

Ich leugne nicht, dass mir es ein wenig bange war vor der Antwort. Es war mir zu Mute, wie einem reumütigen Knaben, der, seinem Vater unfolgsam, einen ganz anderen Weg gegangen ist, und ein ganz anderes Geschäft verrichtet hat, als das, was der Vater ihm angeraten hatte und welchem es bei, diesem Verlaufen aus dem Elternhause gar nicht sonderlich nach Wunsch ergangen ist. Während dieser dem Vater seine Unfolgsamkeit bekennt und ihn um Wiederaufnahme unter das elterliche Dach und in seine Pflege bittet, macht er sich zugleich gefasst auf einen wohlverdienten väterlichen Verweis. Auch ich dachte es mir nicht anders, als dass Lerchenfeld mich zunächst daran erinnern werde, wie er mir ja Alles, was mich jetzt betroffen, vorausgesagt, und mich vor dem Verlaufen von dem mir angewiesenen Wege so treulich gewarnt habe, ich aber sei hartnäckig auf meinem Plan und Willen bestanden. So aber tat mein hochsinniger Freund in seiner zartfühlenden, schonenden Liebe nicht. Ich kann mir es nicht versagen, hier einige Stellen aus seinem Briefe mitzuteilen, den ich nicht erst etwa nach langem Warten und Harren, sondern, wenn man die Entfernung der beiden Orte von einander, an denen wir lebten, und den damaligen Lauf der Posten in Anschlag brachte, in möglichst baldiger Zeit erhielt. Ist doch jener Brief ein Hauptdokument aus der Geschichte meines Lebens und zugleich dazu geeignet, den Leser einen Blick in dieses reine, treue Herz tun zu lassen, das nur von Gott und von den nächsten Freunden ganz gekannt und gewürdigt war.

„Mit inniger Teilnahme habe ich, mein lieber teurer Schubert, Ihren herzlichen und vertrauensvollen Brief gelesen. Wohl dachte ich mir, dass es einen tiefen Grund haben müsse, warum Sie mir so lange gar keine Nachricht gaben und da ich Sie nicht ohne Besorgnis so fern von Ihren Freunden und von den Ihnen so lieb gewordenen Verhältnissen ziehen sah, so besorgte ich jene düstere, schmerzlich wehmütige Empfindung, die Ihr lieber Brief dem Freunde darstellt. Ja, mein guter, lieber Schubert, es ist ein ungemein schmerzliches Gefühl, sich in einem Verhältnisse zu finden, das uns eine unser Inneres nicht befriedigende Tätigkeit anweist und wo wir demnach selbst fühlen, dass wir in diesem engen Kreise uns nicht mit der nötigen Freiheit und Sicherheit bewegen, um ihn ganz auszufüllen und in demselben wenigstens so viel als möglich zu leisten.“

Von Lerchenfeld spricht hierauf zuerst von meinen literarischen Arbeiten und da ich ihm von dem Wunsche, der schon damals mich erfüllte, ein Werk von dem ohngefähren Inhalte meiner Geschichte der Seele zu schreiben, Einiges gesagt hatte, wünscht er mir die Vollendung desselben in einer heiteren Gemütsstimmung — — „denn Gott wird auch Ihren innigen Wunsch, jener Wissenschaft, die den Geist erhebt und das Gemüt veredelt, Ihr ganzes Leben, Ihre ganze, ungeteilte Kraft zu weihen, gewiss erfüllen.“

Und dass dieses bald geschehen möge, dazu hatte der edle, in seiner treuen Fürsorge unermüdete Freund bereits die Einleitung getroffen. Er hatte sogleich mit jenen anderen Männern im Ministerium gesprochen, welche hierbei von bedeutendstem Einflusse waren und hatte diese sehr geneigt gefunden, mich für Erlangen zu ernennen, sobald die Verhältnisse der dortigen Universität festgestellt seien. Ich solle, nach dem Wunsche des Kultus- und Studienministers, eine Vorstellung übergeben, darin ich, auf meine früheren Verhältnisse in Bayern mich beziehend, meinen Wunsch ausspräche. „Er schätzt sie sehr und wird mit Freuden dazu mitwirken, Sie Ihrem wahren Berufe wiederzugeben.“ Er selbst, Lerchenfeld, erbietet sich, meine Vorstellung an die rechte Behörde zu fördern, und verspricht, dass, sobald die Verhältnisse dieses nur immer gestatteten, mein Wunsch erfüllt werden solle. „Und bis dahin, mein guter, lieber Schubert, seien Sie gutes Mutes und machen Sie, dass, wenn Sie den kälteren Norden verlassen, Sie dennoch daselbst ein tiefes Andenken in den Herzen Ihrer Zöglinge zurücklassen, was bei Ihnen zuverlässig der Fall sein wird. Auch bei Hofe wird Ihnen die gerechte Anerkennung nicht entgehen.

Suchen Sie nur selbst alle Schüchternheit zu entfernen, und in ruhiger Bescheidenheit, ungezwungen und natürlich sich in diesem Kreise zu bewegen, indem bescheidene, anspruchslose Menschen zwar nie eine Hauptrolle spielen, aber dennoch oft von allen Teilen zum meisten geehrt sind. ... Bis Ihr Unterricht bei der Prinzessin geschlossen ist, hoffe ich zuverlässig, dass auch Ihre Anstellung im alten Vaterlande verwirklicht werden kann.“ Hierauf folgen Nachrichten von meinen Freunden in München: von Schweigger, welcher den tätigen Beruf als Lehrer dem eines Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften gerne vorgezogen habe und deshalb dem Rufe an die Universität Erlangen gefolgt sei; von unserem gemeinsamen Freunde Emil von Herder; Mitteilungen aus dem lieblichen Kreise seiner eigenen Familie, dann der Schluss: „Nun leben Sie wohl, guter, lieber Schubert! Vertrauen Sie auf Gott, der Sie Ihrer Bestimmung wieder geben wird, behalten Sie guten Mut, heiteren Sinn und den festen Vorsatz, so lange Sie in Ihren Verhältnissen noch bleiben, sich ihnen mit Liebe und herzlicher Ergebung zu widmen, dann wird Alles recht werden. Schreiben Sie von Zeit zu Zeit Ihrem herzlich ergebenen Lerchenfeld.“

Dieser Brief, der so ganz in dem herzlich liebevollen Tone der früheren Briefe war, rührte mich tief und gab mir neuen, frischen Lebensmut. Ich schrieb sogleich die „Vorstellung“ an das königliche Ministerium nieder, zu welcher mein edler Freund mich aufgefordert hatte und gab sie mit meinem Dankschreiben an diesen zur Post. Ich lebte jetzt vergnüglich auf der sonnigen Höhe meiner Hoffnungen, wie das Murmeltier in der reinen Himmelsluft seiner Alpen, hielt mich aber wie dieses gerne vom Geräusch des Tieflandes zurückgezogen, führte im Umgang mit einigen der nächststehenden Freunde ein stilles Leben. Aber die Entscheidung auf mein Bittgesuch, aus München, ließ lange auf sich warten. Der Winter von 1817 auf 1818 war vergangen; ich hatte noch keine Antwort. Endlich, im Frühling kam eine, die das große Amtssiegel als Abzeichen an sich trug. Ich erhielt dieses Schreiben am Morgen eines Tages, den wir zum Annahen an den Altar des Herrn, zum Genusse des heiligen Abendmahles bestimmt hatten. Nach der damals in Ludwigslust bestehenden Einrichtung war dieses zwar ein Wochentag, doch hielt ich es für unrecht, seine hehre Feier durch Gedanken an mich selber und an das arme, irdische Leben zu entweihen; ich legte das Schreiben uneröffnet zur Seite. Und es war wohl gut, dass ich mich vorher mit anderer Kraft angetan hatte, als die eigene ist; der Inhalt des Schreibens würde mich sonst in fast zerschmetternder Weise niedergeschlagen haben. Es kam nicht vom k. Ministerium in München, sondern vom akademischen Senat in Erlangen, welchem wahrscheinlich meine Vorstellung vom Ministerium mit der Weisung zugegangen war, auf mein Bittgesuch möglichste Rücksicht zu nehmen. Der Senat konnte jedoch nichts Anderes tun, als mir mit Bedauern anzeigen, dass keine Stelle an der Universität für mich offen sei, indem auch die zweite, bisher noch freie Stelle der naturgeschichtlichen Lehrfächer durch Nees von Esenbeck besetzt sei.

Welche Nachricht war das für mich! Vorher voll so freudiger Hoffnungen, im Vollgenuss so naher, lieblicher Aussichten; wie ein Wanderer nach den Alpen, der diese, was leider nur ein Vorzeichen des bald ausbrechenden Regenwetters war, ganz nahe vor sich sah, und nun auf einmal ein Dunkel der niederströmenden Wolken, in welchem man kaum 10 Schritte vor sich hinschauen konnte und ein hochangeschwollenes Wasser, das alle Brücken hinweggerissen hatte, zwischen dem Wanderer und dem Ziele seines Weges. Aber, wie ich schon sagte, ich hatte mich mit einer anderen Kraft angetan, als meine eigene war; ich nahm die betrübende Botschaft mit ziemlich stiller Fassung und Ergebung auf. Doch das eigene Wollen und Fühlen trat gar bald wieder hervor und wie Einer, der die Wunden, die er im Kampfe empfangen, im Feuer der Aufregung anfangs nicht empfunden, fühlte ich ihre Schmerzen jetzt in verdoppeltem Maße. Man fragte mich wohl, warum ich so niedergeschlagen, so traurig sei, ich hatte die Freuden meiner vermeintlich nahen, guten Aussichten mit keiner Seele als mit der meiner treuen Hausfrau geteilt; so tat ich auch mit den Schmerzen meiner Enttäuschung.

Doch war meine Stellung, die innere wie die äußere, jetzt bodenloser geworden, denn jemals. Ich hatte mich in der mutigen, ja fast übermütigen Stimmung, darein ich durch die vermeintlich nahen, guten Aussichten geraten war, von dem Boden, in welchem ich mich niemals fest gewurzelt fühlte, völlig losgerissen. Ich war fest entschlossen, wieder nach der Heimat all' meiner Neigungen und Wünsche zurückzukehren. Oft fiel mir der Gedanke ein: ach wärest du doch lieber Zeugschmied oder irgend ein anderer Eisenarbeiter geworden, wie du es in deiner Jugend (nach I S. 133) wolltest: das Handwerk hat einen güldenen Boden; der fleißige Arbeiter findet da überall sein Brod und kann als Bürger in der Stille und Zurückgezogenheit leben. Nun wohl, dachte ich weiter, du hast ja auch als Student ein Handwerk erlernt, du bist ja Arzt und promovierter Doktor, als solchem steht dir, zwar nicht, wie es in der (damaligen) Promotionsformel lautete, das ganze h. römische Reich, wohl aber irgend ein Ländchen oder Örtchen offen, wo du für dich und dein Haus dein Brod und wohl auch noch Zeit finden kannst, so wie du gern möchtest, als Schriftsteller zu wirken. — Das letzte der drei Jahre, auf deren Dauer der Unterricht bei meiner hohen, lieben Schülerin vorausbestimmt und berechnet war, hatte jetzt (im Frühling 1818) begonnen, mir schien es unerlässliche Pflicht, meinen Entschluss, die mir übertragene ehrenvolle Stellung zu verlassen, frei gegen meine Herrschaft auszusprechen. Der gegen mich immer so wohlwollende, freundlich gesinnte Hofmarschall von Oertzen fragte mich, wohin ich gehen wolle? Ich konnte das nicht sagen, denn ich wusste es selber nicht; man hielt meine Erklärung f?r die Eingebung einer vielleicht bald vorübergehenden trüben, hypochondrischen Stimmung, die man aus Nachsicht nicht weiter beachten wollte. Man begriff nicht, aus welchen vernünftigen Gründen ich meine äußerlich so vorteilhafte Stellung aufgeben möchte, und ich selber, wenn ich so nach allen Seiten hin meine Gegenwart und die Zukunft bedachte, der ich entgegengehen wollte, begriff mich auch nicht. Würde doch auch der Vogel im goldenen Käfig, darin er sein reichliches Futter und die sorgsamste Pflege hat, den Naturdrang nicht begreifen, der ihn, selbst beim Herannahen des Winters, wo es für ihn draußen im Felde nur wenig oder kein Futter gibt, so mächtig hinauszieht ins Freie, und doch ist und bleibt dieser Drang ein unwiderstehlicher.

Bei dieser Gelegenheit musste ich abermals, mit recht dankbarem Herzen es erkennen, wie beständig mein lieber Herr Erbgroßherzog in seiner wohlwollenden Gesinnung gegen mich geblieben sei. Wohl mag es gerade nicht nach seinem Sinne gewesen sein, dass ich mit, so wie ohne meinen Willen nach so manchen Seiten hin Anstoß gab, auch sah er mich etwas seltener als sonst, aber sein Zutrauen gegen mich als zu einem Menschen, der guten Willen und brauchbare Gaben besitze, hatte sich nicht vermindert. Auch der Großherzog Friedrich Franz gab mir um diese Zeit einen Beweis seines großen Vertrauens und seiner Bereitwilligkeit, mich auf eine Weise zu beschäftigen, die meinem natürlichen Berufe und meinen Neigungen recht zusagen könne. Wie sich dieser Herr während seiner ganzen Regierungszeit als ein sorgsamer Hausvater erwiesen hatte, welcher alle Naturgaben und Kräfte seines Landes wohl zu Rate halten und für den gemeinsamen Wohlstand benutzen wollte, so war ihm auch, bei dem starken Verbrauche der Kohlen durch die damals eben beginnende Dampfschifffahrt auf der Elbe der Gedanke eingekommen, die Kohlenlager, von denen sich hin und wieder in seinem Lande deutliche Spuren zeigten, bergmännisch genauer untersuchen zu lassen, und sie wo möglich nutzbar zu machen*). Friedrich Franz konnte nie müßig sein, Pläne und Gedanken von solch' landesväterlicher Art griff er nicht nur mit der ihm natürlichen Lebhaftigkeit auf, sondern hielt auch fest an ihrer Ausführung durch alle dazu nötigen Mittel. In einer Hügelkette unweit der Elbe hatte man schon seit älterer Zeit Kohlen gefunden, welche zwar, wie die tiefere Untersuchung zeigte, nur zu einem ziemlich weit verbreiteten Braunkohlenlager gehörten, dennoch aber dem Landesherrn einer sorgfältigeren Beachtung wert schienen. Einige Handstücke (angeblich) aus der Gegend von Bockup, welche man zeigte, näherten sich ihrem Aussehen nach sehr der nutzbaren Pechkohle, das unweit von Bockup, bei Karenz zu Tage ausstehende Flötzgebirge, schien einige Hoffnung selbst auf das Vorhandensein von Schwarzkohlen zu geben. Ich ließ mich alsbald und gerne dazu bereit finden, das Geschäft der gründlicheren Erforschung des Bockuper Revieres zu leiten. Einige treffliche Bergleute, namentlich ein sehr verständiger Steiger (Namens Mengebier) wurden von auswärts her berufen und in den Dienst des Landesfürsten genommen. Der Hügel von Bockup wurde durch sorgfältige Bohrversuche bis zu einer nicht unbedeutenden Tiefe erforscht, ein Schurfschacht zu dem Kohlenlager hinabgesenkt. Es traf dieser Versuch freilich in die letzte Zeit meines Aufenthaltes in Mecklenburg; ich habe seine Beendigung dort nicht erlebt, doch ist wohl derselbe für die genauere Bekanntschaft mit dem Braunkohlenlager jener Gegend nicht ohne Nutzen gewesen**). Mir selber aber hat dieser kleine Streifzug in das Gebiet und die Geschäftigkeit des „Bergbaues“ in meiner damaligen trüben und gedrückten Stimmung ganz überaus wohlgetan; die einzelnen Stunden oder Sonntage, welche ich, zuweilen in Gesellschaft der Meinigen, so wie einiger junger Freunde bei Bockup zubringen durfte, sind mir recht liebliche Ausruhe- und Friedensstunden für Leib und Seele gewesen. Namentlich gedenke ich noch gern des freundlichen Obdaches in einer benachbarten Mühle, welche den langen Namen „Finden wir uns hier“ führt, wie man sagt, weil zwei Brüder, die in tödlichen Hass gegeneinander entbrannt waren, hier unvermutet zum Zweikampf mit blutigem Ausgange sich zusammenfanden. Ich aber und mein lieber, junger Freund Zahn fanden uns hier, so wie in der Kirche des treuen gläubigen Pfarrer Müller in Dömitz nicht zum Kampfe, sondern zum Friedensgenusse zusammen.

*) M. s. über diesen Gegenstand Dr. G. A. Brückners obenerwähnte Schrift S. 64 u. f.

**) Ich hatte, in einem schriftlichen Berichte auf die Möglichkeit hingedeutet, dass sich, vielleicht selbst auf Braunkohlenlagern noch ein wertvollerer Gegenstand als die Kohlen sind, finden könne. Hiermit hatte ich aber den Bernstein gemeint, der selbst in weiter von der Küste abgelegenen Gegenden von Mecklenburg, obwohl sparsam gefunden wird, keineswegs, wie man mir aufbürden wollte, andere Kostbarkeiten.


Freilich ward dann, wenn ich wieder zurückkam, in mein alltägliches Leben, das Gefühl der Heimatlosigkeit in demselben nur desto peinlicher, und nur in den Stunden, die ich als Lehrer der jungen Herzogin oder als belehrender und erzählender Freund der jüngeren Kinder des Erbgroßherzogs zubringen durfte, vergaß ich mein Heimweh, denn bei diesen jungen Seelen fand ich fortwährend die gleiche Teilnahme und kindliche Anhänglichkeit, die noch jetzt in der Erinnerung ein Trost und eine Freude meines Alters ist.

Der edle v. Savigny hatte meiner, im Drange seiner großen Geschäftigkeit, nicht vergessen, ich erhielt in der Zeit meiner größten inneren Unruhe von ihm einen Brief, der mir mit anderem freundlichen Troste auch die Aussicht auf eine amtliche Anstellung in Preußen eröffnete. Aber ich hatte mehr denn jemals, seit meiner Verirrung von dem Wege des inneren wie äußeren Berufes, der mir durch angeborenen Trieb, so wie durch die Führungen meines Lebens angewiesen war, diesen Beruf lieb gewonnen und schätzen gelernt; ich wollte, sei es auf welche Weise? im Dienste der Naturwissenschaften bleiben; die mir so wohlwollend angetragene Stelle hätte mir zwar Brot und Ehre gegeben, was ich ja beides auch in Mecklenburg genoss, zugleich aber hätte sie mir für meinen eigentlichen Beruf weder Zeit noch Kräfte übrig gelassen. Dieses schrieb ich dem so gütig für mich besorgten Freunde in meiner dankbar ablehnenden Antwort.

Ich habe es in meinem Leben nicht nur einmal, sondern öfters erfahren, dass irgend ein sehnlicher Wunsch, irgend eine scheinbar sichere Hoffnung meines Herzens so lange unerfüllt blieben, bis die leidenschaftliche Heftigkeit und Unruhe, welche ich dabei fühlte, mir vergangen waren. Wenn ich dann kaum mehr an die Gewährung meines Verlangens dachte, wenn ich die liebe, schöne Hoffnung ganz aufgegeben hatte, dann auf einmal fiel mir ohne mein Bemühen und Suchen die Erfüllung, wie eine Gabe von oben in den Schooß, ja sie ward mir wie im Schlafe gegeben. So ist mir es auch mit meinem Wunsche ergangen, zurück nach Erlangen zu meinen Freunden und auf die verlassene Bahn meines Berufes zu kommen. Die Erfüllung schien Anfangs so sicher und so nahe, unversehens war sie in meinen Augen unmöglich geworden. Ich hatte mich jetzt in diesen Wechsel ergeben, ich war darüber in meinem Herzen still und ruhig geworden, ich hatte ein anderes „Stillesein und Hoffen“ gelernt, das nicht auf einem Rufe nach Erlangen oder anderswo beruhte, sondern auf einem allgemeineren, festeren Grunde, und dieses gerade war es, was ich erst noch lernen sollte, ehe mein Führer mich weiter fortschreiten ließ auf meinem Wege. Ehe ich hier von meiner ganz unverhofften Berufung an die Lehrstelle der Naturgeschichte in Erlangen rede, muss ich zuerst einen Blick auf diesen mir so lieb gewordenen Ort und auf die Freunde richten, mit denen ich mich dort wieder zusammenfand.

Ich habe schon im vorhergehenden Bande dieses Buches, in der Geschichte meines Lebens und Wirkens in Nürnberg, mehrmals der glücklichen Führung erwähnt, welche namentlich uns vier nahe befreundete Männer: Schweigger, Pfaff, Kanne und mich als Lehrer am Realinstitute zusammengesellte. In dem Berichte über meinen Abschied aus dem lieben Nürnberg (Bd. II S. 517) erwähnte ich auch bereits vorläufig, dass wir nach Verlauf von drei Jahren uns alle vier in Erlangen wieder zusammenfanden. Ehe jedoch dieses geschah, waren wir in ganz wunderlicher Weise so nach Süd, Nord und West auseinandergestreut worden, dass Keiner von uns an ein neues Zusammentreffen an gemeinsamem Wohnorte denken konnte. Denn Schweigger war als Mitglied an die Akademie nach München gekommen, ich nach Mecklenburg, unseren Freund Pfaff hatte man vorerst an die Universität nach Würzburg versetzt, Kanne zögerte noch in Nürnberg. Da machte sich zuerst Schweigger (nach S. 201) wieder aus München los und trat, seiner vorwiegenden Neigung folgend, in das Lehramt an der Universität Erlangen ein, dann folgte Kanne und jetzt kam auch die Reihe an mich. In der Tat, unser Zusammensein musste in einem providentiellen Rate vorausbedacht und beschlossen sein!

Es war an einem schönen, heiteren Herbsttage, gegen Ende des Septembers 1818, da befand ich mich, ausruhend von den Geschäften des Tages, mit den Meinigen in unserem Feldstücke, das außer dem Städtchen lag. Ich hatte mich an den Boden gelehnt, sah dem Zuge der Wolken zu, welche der Wind aus Nord nach Süden führte, hörte die Töne der Wandervögel, die desselben Weges mit den Wolken flogen. Mir war dabei recht wehmütig wohl zu Mute und ich mochte wohl an die Worte aus dem guten Liede des Paul Gerhard denken: „Der Wolken, Luft und Winden bestimmet ihre Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ Nun, ich weiß eben nur, dass ich recht wohlgemut wurde und in solcher Stimmung am Abende nach Hause ging. Da erhielt ich einige Tage nachher einen Brief von meinem lieben, treuen Schweigger in Erlangen vom 28. September. Ich habe aus dieser Freundeshand, namentlich während meines Aufenthaltes in Mecklenburg, manchen Brief voll warmer Liebe und Tröstungen erhalten, davon ich keinen ohne Rührung lesen kann; solche unerwartete Freude brachte mir aber keiner, wie der vom 28. September. Schweigger schrieb mir, dass er, von Karlsbad zurückkehrend, von meinem mir eben so herzlich treugesinnten Emil v. Herder in einem Briefe dringend ermahnt worden sei, doch einen kräftigen Schritt dafür zu tun, dass ich zu einer Professur an die Universität Erlangen vorgeschlagen werde, welcher so eben von der königl. Regierung ein jährlicher Zuschuss von 15.000 fl. bewilligt worden war. Mein guter Schweigger hatte sogleich sich bemüht, den einflussreichsten Männern im akademischen Senate mich für die bis dahin vernachlässigte Lehrstelle der Anthropologie (und Psychologie) zu empfehlen, als einen solchen, welcher die hierzu nötigen philosophischen, physikalischen und medizinischen Einsichten in sich vereine, hatte auch die Theologen der Hochschule darauf hingewiesen, dass wohl gerade ich der geeignete Mann sein möchte, Religionsphilosophie und Ethik in christlichem Sinne zu lesen. Er fährt hierauf in seinem Briefe, darin er mir von diesem seinem Bemühen erzählt, so fort:

„Aber sieh nur, sogleich am folgenden Tage bietet sich eine weit bestimmtere Aussicht dar, Dich bei uns zu sehen. Unser Dr. Goldfuß hat den Ruf als Professor der Naturwissenschaft nach Bonn erhalten. Er geht in wenigen Wochen ab. Eben hat er seine Entlassung verlangt. Sogleich ging ich nun zu unserem Prorektor Mehmel, welcher sich wirklich bisher sehr tätig der Universität annahm und einen sehr großen Einfluss gewonnen hat. Dieser, welcher Dich vielleicht weniger gern als Lehrer eines eigenen philosophischen Faches*) hier gesehen hätte, versprach, Alles zu tun mit dem größten Eifer, damit Du als Professor der Mineralogie und Zoologie hier angestellt werdest. Überhaupt ist der Wunsch, dass Du hierher kommen mögest, allgemein unter den hiesigen Professoren.“

*) Mehmel war selbst Lehrer der Philosophie.

„Am Abende desselben Tages, wo alles dieses so frohe Aussichten und Hoffnungen für mich Erregende eingeleitet ward, erhalte ich einen Brief von unserem vortrefflichen Minister von Lerchenfeld.“ Schweigger teilt mir hierauf eine Stelle aus diesem Briefe mit, welche auf mich sich bezog und deren Inhalt sich aus S. 201 erraten lässt und fährt dann weiter fort: „Ich gestehe Dir, dass mich diese Gesinnung unseres trefflichen Minister von Lerchenfeld ungemein freute; besonders in den gegenwärtigen Augenblicken mir doppelt willkommen war u. s. w.“

Ich war bei dem Lesen dieses Briefes nicht, wie man zu sagen pflegt, „wie aus den Wolken gefallen“, sondern wie in, ja über die Wolken gehoben, und meiner lieben Frau ging es ebenso. Sogar den beiden Kindern teilte ich es ganz geheimnisvoll mit, dass wir vielleicht bald wieder einmal eine Reise nach dem lieben Nürnberg machen würden und der Mund der beiden Mägdlein war voll Jauchzens. Sonst erfuhren nur einige der nächsten Freunde etwas von der Sache; wir warteten in der Stille den weiteren Verlauf ab. Und dieser kam denn auch wenig Wochen nachher zu seinem erwünschten Ende. Schweigger schrieb mir am 20. Oktober: „So eben war H. Prorektor Mehmel bei mir und brachte mir die frohe Nachricht, dass deine Vokation gekommen sei. Du wurdest nicht bloß einstimmig, sondern einzig (nicht wie gewöhnlich mit noch zwei anderen wählbaren) vom Senate bei der königl. Regierung in Vorschlag gebracht. Dein Dekret ist schon von Sr. Majestät dem König unterzeichnet.“ Der liebe, auch für meine äußere Stellung sehr besorgte Freund gibt mir dann in diesem Briefe noch allerhand Ermahnungen darüber, dass ich nicht so, wie ich ihm geschrieben, mit allen Bedingungen zufrieden sein, sondern nur getrost Das fordern sollte, dessen Gewährung nicht mehr denn recht und billig sei. „Denn“, so schreibt er mir, „da wir einmal gefallen sind auf diese Erde, dürfen wir über dem Geistigen und Höheren auch des Gemeinen und Alltäglichen nicht vergessen, besonders darf dieses ein Familienvater nicht.“ Bald darauf meldete er mir denn auch Pfaffs Einberufung aus Würzburg nach Erlangen und in einem noch späteren Briefe schreibt er mir: „Gestern am Abend kam Dein Brief, unmittelbar nachdem unser Pfaff hier eingetroffen war. So sollen wir denn, durch eine höhere Notwendigkeit geführt, wie es scheint, wieder zusammenkommen. Aus den verschiedensten Richtungen hatte man uns hingezogen nach Nürnberg, wir fanden uns in der ersten Viertelstunde zusammen, wie alte Bekannte, obwohl wir uns nie zuvor gesehen hatten, und verlebten dann Jahre in derselben ungestörten Eintracht und glücklichen Zusammenstimmung. Ich flog zuerst aus unter Euch, in so ferne wenigstens meine Reiseangelegenheit und mein Ruf nach München zuerst entschieden waren; ich musste auch zuerst wieder zurück; dann kam Kanne, fast mit Gewalt hierher gedrängt, jetzt unser Pfaff und bald auch Du. Nochmals werden wir aus den verschiedensten Richtungen zusammengeführt durch ein wirklich eigentümliches Geschick, und gebe Gott, dass diese zweite Auflage unseres Zusammentreffens der ersten wenigstens nicht nachstehe, vielmehr eine vollkommenere und vermehrte Edition sei. Pfaff war gestern nach seiner Ankunft, so dunkel und regnigt es auch war, doch in der ersten Vierstunde bei mir; Kanne, der in meiner Nachbarschaft wohnt, fand sich von selbst sogleich dazu. Dieser, welcher bisher immer hinwegtrachtete vom Universitätsleben, obwohl ihn die Studenten recht gern und fleißig hören, erkennt nun, nicht bloß hingebend und folgsam, sondern auch werktätig und freudig, die höhere Führung an. Und so, mein lieber Schubert, komme denn auch Du, recht eigentlich zur Vollendung des Ganzen, in unseren Kreis wieder zurück, nicht eigenwillig, sondern, ich wag' es mit Vertrauen zu hoffen, einem höheren Willen folgend“ u. f. f. In einem noch späteren Briefe, dem letzten, den er mir über die Angelegenheit meiner Übersiedelung aus Mecklenburg nach Erlangen schrieb, meldet mir mein für mich so viel bemühter Freund, dass auch Nees von Esenbeck dem Rufe von Erlangen nach Bonn gefolgt sei; Wilbrand in Gießen, welcher eingeladen war, seine erledigte Stelle anzunehmen, habe den Ruf nicht angenommen, und so wünsche man, dass ich zu den beiden anderen Lehrfächern der Naturgeschichte vorläufig wenigstens auch noch das dritte, die Botanik, übernehmen möge.

Die Forderungen, die man in Erlangen an mich machte, waren, wie man hieraus ersehen wird, gerade nicht gering, die äußeren Vortheile aber, die man mir dagegen versprach, waren eben auch nicht groß. Überhaupt waren dieses damals die Besoldungen der jüngeren Professoren in Erlangen nicht. Mein Vorgänger Goldfuß hatte für seine zwei Lehrfächer (Mineralogie und Zoologie) 800 fl. jährlich bekommen, Nees von Esenbeck, der nach Bonn mit 1.500 Thaler Preuß. berufen ward, gewiss nur wenig mehr. Die alten Herren standen sich freilich zum Teil etwas besser, so dass man ihnen wohl manchmal mit Falstaff hätte zurufen mögen: junge Leute wollen auch leben. Mich schien man auch zu den jüngeren zu rechnen, denn der Senat hatte mich mit einer ziemlich jungen Besoldung in Vorschlag gebracht. Nun hatte mich zwar Schweigger dringend ermahnt, ich möge, wie einige andere von auswärts hereinberufene Lehrer, eine höhere Forderung stellen, ich konnte mich aber dazu nicht entschließen, denn ich war gar zu froh, dass ich wieder nach meinem lieben Bayern und zum Lehramte der Naturgeschichte kam. Ich schrieb deshalb an den Senat, er solle mir wenigstens halb so viel geben als ich, wenn ich Alles zusammenrechnete, in Mecklenburg hatte, und dieses ist mir auch gewährt worden, ich bin im zweiten Jahre nach meiner Vokation mit einer etwas höheren Summe in den Etat gekommen, als in meinem Einberufungsdekrete stand. Nun, ich habe eben immer gedacht, aufs Geld kommt nicht so gar viel an, ich bin ausgekommen, als ich gar nichts hatte, bin ausgekommen, da ich etwas Weniges hatte, und auch in Mecklenburg, wo ich recht sehr viel hatte, bin ich so eben ausgekommen. Es kommt hierbei am Ende Alles nur darauf an, dass man glücklich und in Frieden, so wie mit Ehren aus der Welt hinauskommt, herein wird man, wenn man einen guten Abschied genommen hat, ohnehin nicht mehr mögen.