Wasserstraße

Am 28. Mai 1655 ging der Herzog, als Schweden zur Wiederherstellung der Viechelschen Fahrt Schritte bei ihm unternahm, kurz entschlossen einen Vertrag mit dem Kaufmann Hans Heinrich Gau aus Pirna 10) in Meißen ein. Dieser versprach die Wasserstraße von Viecheln bis Wismar auf seine alleinigen Unkosten anzulegen und mit den Arbeiten noch 1655 zu beginnen, auch die Weiterführung des Kanals durch schwedisches Gebiet zu vermitteln. Die vorgestreckten Gelder sollte Gau nach Vollendung des Baues mit Geld, Holz und Lebensmitteln, oder aus Zolleinkünften, wie man sich später vergleichen werde, zurückerhalten. Als Entgeld für die Arbeiten und den Geldverlag wurde dem Gau das Recht zugestanden, sechs Jahre ausschließlich die Schifffahrt zwischen Dömitz und Wismar zu benutzen. In einem Nebenreceß erklärte sich Gau bereit, zwei herzogliche Schuldforderungen, eine bei der Krone Schweden über 12 000 schlechte Rthlr. und eine Forderung von 38 000 Rthlr. aus dem Warnemünder Licent, später in Zahlung anzunehmen. Das waren größere Zugeständnisse, als der Herzog jemals erhoffen konnte. Aber gerade die Aussicht, sich dereinst nach aller Arbeit noch seine Gelder auf Grund unsicherer Obligationen zurückkämpfen zu müssen, mochte für Gau die Veranlassung sein, sich von dem Unternehmen zurückzuziehen. Nach einer Besichtigung der Strecke Fähre-Dömitz verließ er das Land und Scheint nicht wieder zurückgekehrt zu sein.

In das Ende der Regierungszeit Herzog Adolf Friedrichs fallen zeitlich die undatirten Anmerkungen 11) zur Stellaschen Ichnographie von 1581/82, die im Wismarschen Rathsarchiv erhalten sind. Aus denseIben interessirt vor allen Dingen die Beschreibung des dritten Striches, der Viechelschen Fahrt. Von den Schleusen Nr. 2 (unterhalb des Loostener Sees) und Nr. 3 (unterhalb des Moidentiner Bergs) sah man damals noch einige Reste alten Holzes unter dem Wasserspiegel. Die Schleuse Nr. 4 (im Moidentiner Mühlendamm) hatte wegen des vielen Gestrüpps daselbst nicht besichtigt werden köonnen. Von den anderen Schleusen war nur noch die Stein-Schleuse am Rothen Hut vorhanden, aber auch diese war schon etwas ruinirt. Nach der Stadt Wismar zu war wenig zur Fahrt hergerichtet; nur ein kleiner Graben, der bei feuchtem Wetter etwas Wasser enthielt, zeigte an, wohin die eigentlich hatte gehen sollen.


Unter der Regierung des Herzogs Christian Louis I., der 1658 seinem Vater folgte, bemühte sich Schweden eifrig, eine Wasserstraße von Wismar zur Elbe über den Schweriner See durchzusetzen, um so eine bequeme Verbindung zwischen Wismar und seinen neu erworbenen Herzogthümern Bremen und Verden zu erlangen. Aber der Herzog stand diesem Plan von vornherein, aus Mißtrauen gegen die Pläne seines mächtigen Nachbars, wenig wohlwollend gegenüber. Schuld daran war wohl hauptsächlich der Umstand, daß Schweden die Kanalbauangelegenheit zusammen mit der Abwehr angeblicher Uebergriffe Meklenburgs in Wismarsche Gerechtsame betrieb. Es gewann den Anschein, als ob Schweden auch mit dem Kanalbau nur eigene, nicht offen zu Tage liegende Interessen verfolge.

Bereits 1662 klopfte der schwedische Kanzler Nicolai vertraulich beim Herzog Christian Louis in Sachen der Viechelschen Fahrt an, ohne einen günstigen Bescheid zu erlangen. Damals berechnete der Lübecker Baumeister Walter die Kosten der Erbauung von elf Schleusn zwischen Viecheln und Wismar auf 250 000 - 300 000 Rthlr., die Erbauung bezw. Ausbesserung von acht Schleusen zwischen Fähre und Dömitz, falls Sie mit Ausnahme der Dömitzer Steinschleuse von Holz sein könnten, auf etwa 64 000 Rthlr. Aber die schwedische Regierung ließ von ihrem Plan nicht ab. Sie brachte ihn wieder vor auf zwei Konferenzen, 12) die 1671 und 1674 zwischen schwedischen und meklenburgischen Kommissaren wegen der Streitigkeiten zwischen Wismar und dem Herzog in Warnemünde stattfanden, und an denen auch zwei Wismarsche Rathsmitglieder theilnahmen. 1674 erklärte der schweriner Kanzler endlich, man wolle einen Termin zu weiterer Berathung in dieser Angelegenheit demnächst ansetzen. Die Berathung fand am 16. Juli des Jahres zu Schwerin statt und wurde von Wismarscher Seite mit dem Bürgermeister Caspar Schwartzkopf und dem Rathsherrn Joachim Paris beschickt. Dort verlangte die Schweriner Regierung, Wismar möge sich nach Leuten umsehen, die die Gelder zum Bau vorschießen wollten, die Regierung wolle nur mit der Stadt und diesen Leuten zu schaffen haben, und im August solle eine Kommission beider Parteien den Graben besichtigen. Die Regierung versprach hingegen, mit denen, die sich zum Verlag erbieten würden, fest abzuschließen, auf die Güter mäßige Zölle zu legen, Material an Holz und Steinen zu liefern und zu Viecheln ein Packhaus in eine „vermuthlich vor vielen Jahren zu diesem Zweck schon aufgeworfene Redoute“ 13) zu bauen. Am 12. August 1674 trat eine Kommission, worunter der Bürgermeister Schwartzkopf und der Subkonrektor Andreas Pauli aus Wismar, der Kammermeister Johann Eichholz und der Ingenieur David Weißel von seiten des Herzogs sich befanden, in Viecheln zusammen und befuhr die Flüsse bis Dömitz hinab. Ueber die Resultate der eingehenden Besichtigung, die hier nicht interessiren, erstattete Schwartzkopf an den Rath demnächst Bericht. Nur soviel sei erwähnt, daß die Regierung auf einen Kredit von 20 000-30 000 Rthlr. rechnete. Wenige Tage später, am 19. August, besichtigte auch der Hamburger Ingenieur Johann Schiltknecht, der zur vorigen Besichtigung nicht rechtzeitig hatte zur Stelle sein können, die Strecke und gab ein Gutachten 14) darüber ab. Aber alle diese Vorbereitungen scheiterten an der Abneigung des Herzogs gegen dies Werk. Er befahl 15) am 4. September seinem Kammermeister, die Angelegenheit bis zu seiner Rückkehr aus Paris aufzuschieben, da die Konjunkturen mit Schweden sehr gefährlich seien und „turpius ejicitur quam non admittitur hospes“. In dieser Meinung wurde der Herzog noch bestärkt durch ein Gutachten des Rostocker Professors Dr. Heinrich Redecker, der ihm völlig beipflichtete. Uebrigens wäre der Bau ohnehin nicht vor sich gegangen, weil Wismar wegen der gerade bestehenden Kriegsunruhen und wegen mangelnden Kredits weder in Hamburg noch in Lüneburg Kapital auftreiben konnte. 16) so hat man, wie eine Notiz 16) in den Wismarschen Rathsakten vom 5. Mai 1675 angiebt, das Werk stecken lassen und bequemere Zeit, die Gott geben wolle, zu erwarten beschlossen.

Noch einmal wurde die Wasserverbindung zwischen Ostsee und Nordsee auf den Landtagen zu Sternberg, Malchin und Rostock 1723-1725 in Berathung gezogen, ohne daß diese Berathung jedoch irgend welche praktischen Folgen gehabt hätte.

Danach ruhte die Schifffahrtsangelegenheit bis zum Ende der schwedischen Herrschaft über Wismar im Jahre 1803 ganz.

Während der schwedischen Herrschaft wird der alte Schiffgraben nur durch die beständigen Streitigkeiten zwischen der Stadt Wismar und dem Lande Meklenburg um den Abfluß des Schweriner Sees nach Wismar hin, dessen Wasser sich, seit dem Verfall des Grabens durch keine Schleusungen mehr beschränkt, durch das alte Flußbett ergoß und lediglich dem Mühlenbetrieb und Aalfang diente, in Erinnerung gebracht. Bereits 1654 klagte Wismar darüber, daß man bei Viecheln eine Aalkiste angelegt habe, die den freien Ablauf des Wassers auf ihre Mühlen hindere, 1655, daß der Müller in Meklenburg aus Mißgunst gegen Wismar das Wasser statt in den Bach in den Schiffgraben leite. 1678 bat die Stadt um Wegräumung von Fischwehren auf meklenburgischem Gebiet. 1706 protestirte Wismar gegen die Erbauung einer Wassermühle am Ausfluß des Loostener Sees. 1791 kam es zum Streit zwischen der Stadt und dem Amt Meklenburg, weil der städtische Müller zu Klüßer Mühle die Stauhöhe der dortigen Freischleuse durch eine Höherlegung des dortigen Schleusenbodens und Erhöhung der Teichdämme zum Nachtheil der Amtsrohrwerbung und der anstoßenden Wiesen der Meierei Rosenthal übergestaut und als Gegenmaßregel das Amt die Schütten des Viechelschen Aalfanges größtentheils hatte schließen lassen. 17)




10) Vergl. Tagebuch des Herzogs Adolf Friedrich von 1655: Reise des Herzogs nach dem Amt Meklenburg.
11) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2.
12) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2. Für die Verhandlungen in Schwerin . vergl. Burmeister, Ueber die Verbindung der Ostsee mit der Elbe vermittelst des Schweriner Sees, im Jahrb. 10 A, S. 198-201.
13) Die „Schwedenschanze“ (Wism. Ratsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2). Vergl. Schlie, Kunst- u. Geschichts-Denkmäler II, S. 295.
14) Wism. Ratsarchiv, Tit. XIX, N. 6, Vol. 5.
15) Schweriner Archiv.
16) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2.
16) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2.
17) Wism. Rathsarchiv, Tit. XIX, N. 6, Vol. 5, 22 und 29.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar