Wassergraben

1545 unternahmen Brandenburg, Meklenburg und die Städte Hamburg und Magdeburg gemeinsame Schritte, um die lästigen Fesseln abzuschütteln, die Herzog Ernst von Lüneburg ihrer Schifffahrt auferlegte. Als ein wider ihn ausgebrachtes kaiserliches Mandat wirkungslos blieb, kamen Gesandte dieser Reichsstände in Stendal zusammen und verabschiedeten daselbst am 27. Juni des Jahres, daß man Gewalt gegen Gewalt setzen und die Schiffe an den Lüneburger Zoltstätten von Bewaffneten vorübergeleiten lassen, im Uebrigen aber dem Herzog den gewöhnlichen Zoll nicht vorenthalten wollte. Aber dem Beschluß folgte die Ausführung nicht und alles blieb beim Alten.

Trotz dieser zahlreichen Widerwärtigkeiten hat Herzog Albrecht an dem Wassergraben von Wismar nach Dömitz fortarbeiten lassen. Uns sind zwar keine Register, Berechnungen oder Pläne aus seiner Zeit erhalten. Doch wissen wir aus den Aufzeichnungen Tilemann Stellas, der bei dem Kanalbau unter der Regierung der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich eine bedeutende Rolle spielte, daß Herzog Albrecht drei Anhöhen nördlich des Schweriner Sees hat durchstechen, die Elde oberhalb Eldenas reguliren und Aufräumungsarbeiten im Fluß vornehmen lassen. Diese unter so ungünstigen Umständen erzielten Erfolge machen Albrechts Unternehmungsgeist und Thatkraft alle Ehre. Hätten ihm günstigere Verhältnisse zur Seite gestanden, hätte er sich auch mit seinem Bruder, Herzog Heinrich, über ein gemeinsames Handeln einigen können, was nach Tilemann Stellas Darstellung nicht zu erreichen stand, wohl aus dem Grunde, weil Herzog Heinrich in späteren Jahren vor Allem die Schiffbarmachung der Nebel 11) am Herzen lag, so wäre das Unternehmen damals unzweifelhaft vollendet worden. Jedenfalls haben den Herzog Albrecht nicht etwa, wie Simon Pauli 12) 1555 in seiner oratio de oppido Sverino unter Anspielung auf das bekannte, den Knidiern bei der Durchgrabung der ihr Gebiet mit dem Festland verbindenden Landzunge ertheilte Orakel 13) naiv meint, die schließliche Einsicht zurückgehalten, daß Menschenwerk die Natur nicht verbessern dürfe.


Unter der Regierung der Söhne Herzogs Albrecht, der Herzöge Johann Albrecht I. und Ulrich, die 1555 die väterlichen Lande theilten und zu Schwerin und Güstrow selbstständig regierten, beginnt und vollendet die Wismar-Dömitzer Fahrt ihre Glanzzeit. Beide Fürsten gehören entschieden zu den hervorragendsten Persönlichkeiten, die den meklenburgischen Herzogshut getragen haben. Ihre Charaktere waren grundverschieden. Johann Albrecht thatkräftig und, wenn er etwas für richtig erkannt hatte, rücksichtslos durchgreifend, wie er dies besonders bei der Unterdrückung der katholischen Kirche im Lande bewiesen hat. Ulrich mehr überlegend und Rücksicht auf seine finanziellen Mittel nehmend, was man von Johann Albrecht nicht behaupten kann. Und doch ergänzten sich ihre Charaktere, wenn sie dasselbe Ziel vor Augen hatten, so beim Kanalbau, auf das Glücklichste. Herzog Johann Albrecht hat vielfach seinen Bruder mit fortgerissen, wenn er in seinem Entschluß zu vorsichtig war und nicht zur Entscheidung kommen konnte. Herzog Ulrich hat mäßigend auf Johann Albrecht eingewirkt, wenn er, allzu schnell und stürmisch, den gegebenen Verhältnissen zu wenig Rechnung trug. So kam häufig der richtige Mittelweg zu Stande.

Das Verdienst, die Schifffahrtsangelegenheit von Neuem in Fluß gebracht zu haben, kann Wismar für sich in Anspruch nehmen. Am 2. Juni 1562 fand eine Besichtigung des Terrains zwischen Schweriner See und Ostsee durch städtische Abgesandte statt. Bis Loosten fanden diese schon einen Graben aus Herzog Albrechts Zeit vor, woran freilich noch manches zu thun war. Von Meklenburg an schien es ihnen nicht empfehlenswerth, beim Kanalbau den Bach zu benutzen, der über fünf Mühlen, die Meklenburger Mühle, die Walkmühle, die Rothethor-Mühle an der Stadt Landwehr, die Neue (Steffin-) Mühle und die Karower (Grönings-) Mühle, in weitem Umweg dahinfloß, sondern gerade auf den Rothen Hut, wie ein stehen gebliebenes Stück Wall an einem alten abgelassenen Teich genannt wurde, und auf die Klüßer Mühle zu durchzustechen. Danach trat Wismar mit Magdeburg in Unterhandlung und schlug vor, gemeinsam auf Mittel und Wege zu sinnen, wie man die Schifffahrt in Gang bringen könnte. Man möchte vor allen Dingen eine kaiserliche Konfirmation für die Schifffahrt erwirken, die jede Störung derselben verbiete. Aber Magdeburg hielt es für angebrachter, wie es ja auch entschieden war, zunächst sich mit den Herzögen von Meklenburg, ohne deren Rath und Wissen in der Sache doch Nichts vorgenommen werden könnte, in Verbindung zu setzen. 14)

1564 überreichte deshalb Wismar den Herzögen eine wohlausgearbeitete Denkschrift, in der es seine und Magdeburgs Wünsche wegen der ihnen zu gewährenden Privilegien und Gerechtigkeiten auf dem neuen Graben darlegte. Wismar verlangte u. A. für sich, als eine landsässige Stadt, auf dem neuen Graben Freiheit von den Zöllen, die die fremden Städte zu erlegen hätten. Die Herzöge, ihre Amtleute und der Adel sollten nicht das Recht haben, Korn, Bau- und Brennholz oder andere Waaren auf dem Graben anders als nach Wismar zu verfahren; denn dies verstoße gegen die städtischen Privilegien, schädige den Kaufmann und vertrage sich auch nicht mit dem Ansehen und der Reputation eines Fürsten, eines Beamten oder Adligen. Außerdem verlangte Wismar, daß die Herzöge den Kaufmann gegen Gewaltthat und Ueberfall sicherten, ihm zum Ersatz des auf herzoglichem Gebiet erlittenen Schadens behülflich wären und zum Einlagern der Güter in Dömitz und Viecheln Depothäuser errichteten. In Viecheln dürften die Waaren aber nur ab- und aufgeladen, nicht auch zu Kauf angeboten werden, denn die Stapelgerechtigkeit stehe Wismar allein zu. Wismar wollte zehn Schiffe von je zehn Last Tragfähigkeit in Viecheln halten, das Gleiche möchten die Herzöge in Dömitz thun. Die Schleusen zwischen Wismar und Meklenburg wünschte der Rath zu erbauen und davon auch die Zölle zu erheben. Bis die Schleusen zwischen Wismar und Viecheln erbaut wären, wollte die Stadt einen Damm für Fuhrwerke zwischen beiden Orten gegen Erhebung eines Dammgeldes von 3 ßl. für die Last Waaren unterhalten. Die nach Wismar hineingehenden Waaren sollten von dem Dammgeld jedoch frei sein und nur den gewöhnlichen See-, Strand- und Landzöllen unterliegen. Schließlich erklärte sich die Stadt damit einverstanden, daß die Herzöge bei den Schleusen am Graben von den aufwärts, nach der Elbe zu, fahrenden Schiffen einen mäßigen Zoll im Betrage von 2 ßl. für die Last oder den Packen Güter erhöben. Wegen der Kanal abwärts fahrenden Schiffe könnten die Herzöge einen Zoll mit Magdeburg vereinbaren.

Interessant sind die der Wismarschen Denkschrift eingefügten Zollberechnungen, weil man aus ihnen die Waarengattungen kennen lernt, die nach Ansicht des Raths hauptsächlich auf der neuen Wasserstraße befördert würden. Es werden aufgezählt:

Fische, wie Störe, Aale, Heringe, Dorsche, Kabeljau, Rotschar (Stockfisch); Metalle, wie Eisen, Stahl, Kupfer, Blei; Laken und Wolle aus Mecheln, Amsterdam, Rotterdam, Deventer, Maastricht; außerdem Korn, Häute, Wachs, Talg, Honig, Theer, Zucker, Rosinen, Mühlsteine und andere behauene Steine, Hölzer für Schiffsmaste und Brennholz, Salpeter, Schwefel und Pulver.

Wie vorauszusehen war, gingen die Herzöge auf solche übermäßigen Forderungen Wismars, die ihnen ein- für allemal die Hände gebunden hätten, nicht ein. Sie verabredeten vielmehr Ende 1564, Wismar und Magdeburg keinen Antheil am Bau des Kanals, wofür sie Privilegien und Freiheiten fortgeben müßten, zu gewähren, sondern ihn allein mit Hülfe der anwohnenden Amtsunterthanen ausbringen zu lassen.




11) Franck, Alt- und Neues Mecklenburg, IX. Buch, Güstrow und Leipzig 1755, S. 215.
12) Simon Pauli, oratio de oppido Sverino, Rostochii 1555; auch abgedruckt in Davidis Chytraei orationes, Hanoviae 1614, S. 554 ff. Uebersetzt von Bernhard Hederich, Schwerinische Chronica, 1598. Vergl. zu der Rede: Otto Krabbe, David Chyträus, Rostock 1870, S. 90 n.
13) Herodot, historiarum lib. I, 174.
14) Vergl. für die Verhandlungen von 1562-64 besonders Wismarsches Rathsarchiv Tit. X, N. 1, Vol. 1 und Vol. 5 b.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar