Warentransport

Was den Warentransport zwischen Viecheln und Wismar anbetrifft, so gab Wismar das Erachten ab, dadd schwere Waren, wie Salz, Teer, Getreide, Eisen, zu Wagen nicht vorteilhaft befördert würden und dass deshalb die baldige Herstellung des beabsichtigten Grabens nötig sei.

Wegen der Kostenerstattung übergab die Stadt eine schriftliche Denkschrift, die auf den Nutzen hinwies, den die Herzöge bei dem voraussichttich lebhaften Verkehr zwischen Nord- und Ostsee von dem Graben haben würden.


Diese Erklärungen fanden die Billigung der Herzöge nicht. Bereits am 24. Dezember 1575 wurden mehrere Gesandte mit der Antwort für Wismar beauftragt. Nach ihrer Instruktion sollten sie an dem Stapelrecht festhalten. Die Herzöge könnten nicht auf den Vorschlag der Hamburger und Magdeburger eingehen, die Güter auf einem Boden aus der See in die Elbe und aus der Elbe in die See zu schaffen, weil ihre Untertanen nicht weniger als die Fremden Nutzen aus der Wasserstraße haben sollten. Alle Waren sollten in Wismar 1-3 Tage zu Kauf angeboten werden und Landsassen und Fremde ebenso wie die Wismarschen Bürger das Recht haben, dort zu kaufen und zu verkaufen. Einen in Wismar zu erhebenden Zoll von allen in Wismar ein- und ausgehenden Waaren, desgleichen das Schleusengeld aus Wismarschem Gebiet verlangten die Herzöge für sich; doch sollten die Gesandten unter Umständen darin nachgeben, daß die Stadt die Kosten für die von ihr erbauten Schleusen zunächst aus dem einkommenden Schleusengelde zurückerhalte. Ein Hafengeld sollte der Stadt nicht zustehen. Am 2. Januar 1576 richteten die Gesandten ihren Auftrag beim Rath zu Wismar aus. Zum Schluß kam man damals nicht, weil der Rath eine geraume Frist zur Berathung mit der Bürgerschaft für nöthig hielt Unverrichteter Sache mußten daher die herzoglichen Räthe wieder abreisen, nachdem sie zuvor noch am Strande den feierlichen Akt der „novi operis nunctiatio mit Werfung des Steins und was sonst dazu mehr nöthig,“ in Gegenwart des Notars Herding Petri vorgenommen hatten - eine symbolische Handlung, durch die sie die Rechte des Herzogs an dem Theile der Ostsee, wo der Kanal mündete, wahren wollten.

Wenige Wochen später, am 12. Februar 1576, beschloß Herzog Johann Albrecht sein thatenreiches Leben. Wenn es ihm auch nicht vergönnt gewesen war, die Verbindung zwischen Nord- und Ostsee auf meklenburgischem Gebiet vollendet zu sehen, so konnte er doch am Ausgang seines Lebens mit Befriedigung auf das zurückblicken, was er dafür gewirkt hatte. Rühmend gedachte dieses seines Lebenswerkes auch der Rostocker Professor Johann Caselius in der Gedächtnißrede, 1) die er am 29. Februar bei Gelegenheit der Beisetzung des Herzogs im Dom zu Schwerin hielt. Er sagt darin: „Regium hoc est munus et fructus feret breui, vt putatur, vberrimos.“ Wie sehr übrigens Herzog Johann Albrecht der Bau des Grabens am Herzen gelegen hat, geht daraus hervor, daß er testamentarisch 2) seinen Söhnen empfahl, für die Erhaltung des Fertigen und die Vollführung des Unfertigen am Graben Sorge zu tragen.

Lange Zeit beriethen die Väter der Stadt Wismar über die Januarerklärungen der Herzöge hin und her 3), holten auch das Gutachten des Rostocker Stadtsyndikus Dr. Johann Borcholt in dieser Angelegenheit ein. 4) Endlich protestirten sie am 19. März 1576 zu Güstrow gegen alle Forderungen der Herzöge, weil sie den Privilegien der Stadt widersprächen. Und sie erreichten wirklich, daß die Herzöge nach weiteren Verhandlungen allmählich in den Hauptpunkten nachgaben. Anfang September war der Streit soweit beigelegt, daß man auf folgende Punkte übereinkam: In Wismar soll zwar eine Niederlage von Waaren bestehen, doch der Kaufmann zum Verkaufe seiner Güter nicht gezwungen werden, es sei denn, daß die Stadt unter einer Hungersnoth leide und sich anders nicht zu helfen wisse. Das Kaufrecht in der Stadt und am Strande soll den Wismarschen Bürgern allein zustehen, nur auf offenem freien Markt darf auch Gast mit Gast handeln. Doch sollen die Landesherren jederzeit, wie billig, befugt sein, Waaren für sich und zum Nutzen ihrer Aemter durch ihre Diener und Faktoren am Strande einkaufen zu lassen, wenn Sie damit keinen Handel treiben wollen. Die Zölle sollen außerhalb der Stadt an beliebigem Ort von den Herzögen angeordnet werden können. Das Hafengeld der Stadt Wismar soll in der alten Höhe von Bestand bleiben. Was die Schleusen auf Stadtgebiet anbetrifft, so übernimmt die Stadt deren Erbauung und erhält dafür die Fahrt nach der Elbe auf fünf Jahre zoll- und schleusengeldfrei.

Nach Hinwegräumung dieser Schwierigkeiten konnten beide Parteien das Werk mit Aussicht auf Erfolg angreifen.

Am 17. Mai 1577 setzte Herzog Ulrich für sich und im Namen seiner unmündigen Vettern, der Herzöge Johann und Sigismund, deren Vormund er war, den Hans von der Lühe auf Vogelsang zum Aufseher über die Graben- und Schleusenbauten zwischen Schweriner See und Wismarschen Haff ein. Er sollte im kommenden Sommer und Herbst, solange gearbeitet würde, persönlich beim Graben zur Stelle sein, die Leute annehmen und die Arbeiten leiten. Dafür wurden ihm von beiden Herrschaften je 100 fl., dazu wöchentlich für ihn und zwei Gehülfen Geld zum Unterhalt und Futter für zwei Pferde versprochen.

Ein paar Tage darauf unternahm Herzog Ulrich eine Reise nach Dänemark zum Besuche seiner einzigen Tochter Sophie, die mit dem Könige Friedrich von Dänemark vermählt war. Um während dessen die Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, trug Ulrich von Warnemünde aus einer Kommission auf, das Gelände zwischen Viecheln und Wismar zu besichtigen, die Arbeiten zu verdingen und dann mit dem Werk zu beginnen.

Am 3.Juni 1577 trat die Kommission in Wismar zusammen, und am folgenden Tage eröffnete der Rentmeister Gabriel Brügmann die Verhandlungen. Nachdem er in der Begrüßungsrede darauf hingewiesen hatte, daß alle bisherigen Kosten der Schifffahrt erst dann rechten Nutzen bringen würden, wenn man auch die Strecke Viecheln-Wismar herstelle, schlug er zunächst Verhandlungen mit dem Wismarschen Rathe vor, um dessen Ansichten über das Bauprojekt zu erfahren und mit ihm zu überlegen, welche Richtung man dem Kanal bei Wismar geben solle. Möglich waren zwei Wege. Der eine führte vor dem Mecklenburgischen und Lübischen Tore um die Stadt herum, der andere durchschnitt die Stadt und ging bei der Mühle und Grube hinunter. Am Nachmittag des 4. Juni fanden sich ein städtischer Ausschuß und die herzogliche Kommission vor dem lübischen Thore zu einer Lokalbesichtigung ein. Beide Theile erkannten zwar an, daß der Weg außerhalb der Stadt weniger Kosten verursachen würde, gaben aber doch dem andern Wege den Vorzug, weil er kürzer und geräumiger wäre, weil viele Bürger daran wohnten und weil alle Frachtgüter im Stadtbezirk eingeschlossen und so vor Raub und Beschädigung sicher wären. Vom 5. bis 7. Juni besichtigten die Kommissare die ganze Baustrecke bis Viecheln, kehrten am 8. Juni nach Wismar zurück und schlossen dort die Kontrakte mit den Werkmeistern ab. Aus diesen Kontrakten sind folgende Punkte hervorzuheben:

Dem Jost Spangenberg wurden täglich 8 ßl. zugesagt, dafür musste er aber auf 50 fl. aus seiner Anstellung an der neuen Elde verzichten. Seine drei Meisterknechte sollen täglich 8 ßl., von den Gräbern sollten zwanzig 5 ßl., die übrigen 4 ßl. erhalten. Beim Beginn der Arbeiten seien fünfzig Gräber zu halten und fünfzig Bauern aus den nächsten herzoglichen Aemtern zur Hülfeleistung heranzuziehen. An zwei Stellen - zwischen Klüßer Mühle und dem Roten Hut und zwischen Schweriner und Loostener See - soll gleichzeitig mit der Arbeit begonnen werden. Die Breite des Grabens am Grunde soll überall 20 Schuh (= 5,8 m) betragen.




1) Oratio Joannis Casclii, habita in fvnere Joannis Alberti dvcis Megap., Suerini, in summo templo pridie k. Mart. anno 1576, Rostochii, in der Schweriner Regierungsbibliothek.
2) Klüver, Beschreibung des Herzogthums Mecklenburg, III. Theil, 2. Stück, Hamburg 1739, Appendix 2, S. 97-152.
3) Wismarsches Rathsarchiv, Tit. X, N. 1, Vol. 1.
4) Wismarsches Rathsarchiv, Tit. X, N. 1, Vol. 5 b.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar