Verbindung von Ostseee und Nordsee

Dagegen hat das 18. Jahrhundert für die südliche Strecke der Wismar-Dömitzer Wasserstraße noch eine wesentliche Verbesserung gebracht durch die Anlegung eines Grabens in der Lewitz von Banzkow bis zur Elde, womit man freilich das Projekt der Verbindung von Ost- und Nordsee bewußt nicht hat fördern wollen. Lediglich um Brennholz für das herzogliche Hoflager in Schwerin aus den Lewitzwäldern bequem hinaufschaffen zu können, wurde 1707 und 1708 ein Graben von Banzkow bis zur Klinkener Beke gezogen. Die Gräberarbeiten wurden durch die fürstlichen Amtsunterthanen geleistet, die dafür Brot und Bier frei geliefert bekamen. Dann entschloß sich Herzog Friedrich Wilhelm 1709, den Graben bis zur Elde weiterzuziehen und ihn mit Hülfe von Schleusen und Leinpfaden schiffbar zu machen. Diese Arbeiten leitete der Mühlenbaumeister Mercker zu Neustadt zusammen mit dem Ingenieur-Kapitän Mezner und vollendete sie 1711. Schleusen wurden an den beiden Endpunkten der Fahrt, bei Banzkow und beim Zusammentreffen mit der Elde, und wenigstens zwei Schleusen dazwischen, bei der sogen. großen Mechtel und bei der Klinkener Beke, angelegt. Es ist dieser Graben identisch mit dem Störkanal, den man bei der Regulirung der südlichen meklenburgischen Wasserstraßen 1831-37 vorfand und damals nur auszubauen brauchte. Doch ist die kurze Strecke von der jetzigen Mittelschleuse zur jetzigen Eldeschleuse erst später angelegt; der alte Kanal führte in ganz gerader Linie von Banzkow auf die Elde zu.

Am 19. August 1803 ging die Stadt und Herrschaft Wismar wieder in meklenburgischen Besitz über, nachdem am 26. Juni darüber zwischen dem König von Schweden und dem Herzog Friedrich Franz I. ein Pfandkontrakt abgeschlossen war. Bald nachher taucht der Gedanke einer Vollendung der Wismar- Dömitzer Wasserstraße wieder auf. Bereits 1804 wies der Rostocker Professor der Geschichte und Staatswissenschaften, Norrmann, in einer Schrift 18) „Ueber Wismars Handelslage und deren Benutzung in älteren Zeiten“, darauf hin, daß ein Kanal Wismar-Elbe wesentlich dazu beitragen würde, die inländische Kultur und die städtischen Gewerbe zu befördern, besonders aber den Handel der Stadt Wismar in Blüthe zu bringen. 1806 brachte der Wismarsche Bürger C. F. Schmidt, wie er selbst später behauptet hat, 19) die Sache wieder in Anregung, und 1807 dachte das französische Gouvernement des Landes an eine Ausführung des Planes. 20) Aber einerseits verhielt sich das Publikum gleichgültig, andererseits ließen die beständigen Kriegsunruhen keine weitausschauenden Friedensarbeiten zu. Erst 1810 hören wir von Neuem davon. Damals wurde Schmidt von der Wismarschen Kaufmannskompagnie, deren Mitglied er war, beauftragt, bei der Regierung und den Ständen geeignete Schritte zur Herstellung der Wasserverbindung zu unternehmen. Es ist bekannt, 21) daß Verhandlungen mit dem Regierungs-Präsidenten von Brandenstein und dem Landrath von Oertzen auf Kittendorf geführt sind, doch wissen wir nicht, welche Ergebnisse sie gehabt haben. Wahrscheinlich fand man bei der Regierung und den Ständen kein großes Entgegenkommen, weil die französische Kontinentalsperre einen lebhaften Verkehr auf dem neuen Kanal von vorneherein unmöglich machte. Dennoch hat die Stadt Wismar 1810 technische Vorarbeiten für den Bau veranlaßt. In ihrem Auftrage untersuchte der Regierungsrath Siebicke aus Berlin die Viechelsche Fahrt. Er fand, daß der alte Kanal, soweit er durch festes Land führte, noch in so gutem Stande sei, daß es nur einer geringen Aufräumung bedürfe, die keine erheblichen Kosten verursachen werde. An Schleusen seien 9 bis 10 erforderlich, um flache Fahrzeuge von 10 bis 12 Last passiren zu lassen. Jede Schleuse würde höchstens 8000 Rthlr. kosten. Ferner wird aus jener Zeit noch ein Nivellementsprofil 22)) für einen Kanal Viecheln-Wismar in der Kartensammlung des Geh. und Haupt-Archivs aufbewahrt, das der Regierungskondukteur Schmidt 1811 nach eigenen Aufnahmen gezeichnet hat. Dieses Profil ist deshalb interessant, weil es erkennen läßt, daß man damals beabsichtigte, für den Kanalbau von Meklenburg ab den Bachlauf über die bekannten fünf Mühlen zu benutzen und bei Wismar nach Art des Möllerschen Projektes östlich um die Stadt herumzugehen. In der Folgezeit nahmen die Freiheitskriege die Aufmerksamkeit auch unseres engeren Vaterlandes so in Anspruch, daß für große wirthschaftliche Unternehmungen kein Raum blieb. Kaum war der Krieg jedoch siegreich beendet und damit für ganz Deutschland die Möglichkeit eines neuen wirthschaftlichen Aufschwungs gegeben, da trat der vorhin genannte (S. F. Schmidt wieder für den Kanalbau ein. Derselbe ließ 1818 im Freimüthigen Abend-Blatt 23) einen Aufsatz „Ueber die Möglichkeit der Verbindung der Elbe mit der Ostsee und die wichtigen Vortheile derselben für die Erweiterung und den Flor des Handels in Mecklenburg“ erscheinen. Er meinte, daß der alte Graben, von dem bei Rosenthal noch Reste einer Schleuse sichtbar wären (die aus Granit ausgehauenen Wände befänden sich noch in ursprünglicher Lage, nur die Obertheile seien eingestürzt und hätten den Boden verschüttet), nach dem Siebickeschen Gutachten sehr wohl wiederherzustellen wäre. Der Nutzen läge auf der Hand. Mit nordischen Produkten würde man weit größere Handelsgeschäfte nach dem Hinterland machen. In unmittelbarer Verbindung mit Hamburg, wohin man die Waaren in 5 bis 7 Tagen, umgekehrt in 8 bis 10 Tagen befördern könnte, würden die Speditionsgeschäfte von Lübeck auf Wismar übergehen. Die Kosten für die ganze Anlage, den Brückenbau eingeschlossen, schätzte der Verfasser auf 300 000 Rthlr. Das ganze Unternehmen müßte auf Aktien gegründet und von einem Direktorium, bestehend aus einem von der Kammer zu wählenden Mitglied, einem Mitglied der Ritterschaft, falls diese als solche theilnehme, zwei Kaufleuten aus Wismar und einem Kaufmann aus Schwerin, geleitet werden. 300 Aktien zu je 1000 Rthlr. N2/3 müßten ausgegeben werden. Die Verzinsung der Aktien schätzte Schmidt in den ersten Jahren auf 5 %, später wohl doppelt so hoch. Von dem Landesherrn wäre zu hoffen, daß er das Werk durch Schenkungen und als größter Aktieninhaber unterstütze.





18) Norrmann, S. 72.
19) Freimüthiges Abendblatt 1818, Nr. 24.
20) Freimüthiges Abendblatt 1818, Nr. 22.
21) Freimüthiges Abendblatt 1843, Nr. 1148, Sp. 7.
22) Nivellementsprofil von dem . . . . Canale zwischen dem Schweriner See und dem Hafen bei Wismar, von Regierungskondukteur Schmidt 1811; kopirt und auf 1/3 des Originals verkleinert vom Kapitän von Seydewitz 1816. Schmidt hat noch Reste der alten Schleuse am Ende des dritten Berges zwischen Schweriner und Loostener See vorgefunden und ihre Lage auf seiner Karte angegeben.
23) Freim. Abend-Blatt 1818, Nr. 18 u. 19. Vgl. die Nrn. 22, 24, 46.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar