Schleusen

Der Bau der Schleusen wurde den beiden Schleusenmeistern Hans Gerstenkamp und Heinrich Päpcke gegen einen Tageslohn von 8 ßl. für den Meister und 6 ßl. für einen Knecht übertragen. Die Schleusen wurden 104 Fuß (= 30 m) lang, an den Enden 18 Fuß (= 5,1 m) und in der Mitte 23 Fuß (= 6,7 m) breit geplant.

Am 10. Juni 1577 wurden der Graben und die Schleusen in Angriff genommen. Aber die von der Kommission getroffenen Anordnungen fanden Herzog Ulrichs Beifall nicht. Es macht den Eindruck, als wenn er nicht gewünscht hat, daß die Kommission selbstständig so weitgehende Bestimmungen treffe. Im Juli 1577 erging ein herzoglicher Befehl an Hans von der Lühe, die Gräber bis zum nächsten Frühjahr zu entlassen und bis dahin Vorrath an Material zu beschaffen. Erst als Brügmann am 14. Juli in einer Denkschrift die Hoffnung aussprach, daß man bei fortgesetzter Arbeit vor dem Winter von Wismar bis an den Rothen Hut und vom Schweriner See bis Loosten kommen werde, scheint Ulrich seine Verfügung zurückgenommen zu haben. Doch mußten am 25. Juli 1577 neue Verträge mit Spangenberg und Gerstenkamp abgeschlossen werden, in denen Sie die Arbeiten in Akkord übernahmen.


Spangenberg verpflichtete sich, den alten Graben des Herzogs Albrecht vom Schweriner bis Loostener See gegen 500 fl. und verschiedene Naturalien zu vollenden; doch brauche der Graben auf dieser Strecke nur zu einem Schiff eingerichtet zu werden, weil der Loostener, Lütte und Schweriner See so nache bei einander lägen, daß man sich mit entgegenkommenden Schiffen leicht über das Ausweichen verständigen könne. Gerstenkamp übernahm den Bau einer Schleuse gegen eine Vergütung von 200 Rthlr. und ausreichenden Naturalien. So nahm die Arbeit doch einen ungestörten Fortgang.

Im Sommer 1577 wurde bei Rosenthal und zwischen dem Schweriner und Loostener See, Anfang 1578 zwischen dem Loostener See und dem Moidentiner Berg 5) und zwischen dem Meklenburger Berg und Rosenthal gearbeitet, wie die erhaltenen Einnahme- und Ausgaberegister bezeugen.

Inzwischen hatte auch die Stadt Wismar die Kanalarbeiten auf ihrem Gebiet begonnen und bedeutend gefördert. Bereits am 19. Juli 1576 hatte die Stadt auf ihr Ansuchen von Hamburg 2000 Mk. lüb. in gangbaren Reichsthalern erhalten, die nicht zurückgezahlt zu werden brauchten, wenn innerhalb der nächsten fünf Jahre die Schifffahrt fertig und auch ein erträgliches Schleusen- und Hafengeld zwischen Wismar und den Herzögen vereinbart sei. Falls diese beiden Bedingungen nicht erfüllt wären, hatte Wismar sich verpflichtet, die 2000 Mk. auf Michaelis 1581 zurückzuzahlen. Im Oktober 1576 übertrug der Rath die Leitung der Grabenarbeiten einer Kommission, bestehend aus den Rathsherren Heinrich Schabbelt und Johann Reimars und zweien Bürgern. Diese ließen am 13. Juli 1577 die Schleuse bei Goder- oder Klüßer Mühle und den Graben von da bis in den Wismarschen Mühlenteich abmessen und abstecken. Vom 3. August 1577 bis zum 29. Oktober des folgenden Jahres wurde an Schleuse und Graben eifrig gearbeitet, auch der Mühlenteich vom Schlamme gereinigt. Die Kosten für diese Arbeiten beliefen sich nach dem erhaltenen Einnahme- und Ausgaberegister 6) insgesammt auf 2476 Mk., von denen nur 2030 Mk. durch die Hamburger Anleihe und geringfügige Nebeneinnahmen gedeckt waren.

Am 20. Juni 1578 nahm Herzog Ulrich mit seiner Gemahlin den Graben in Augenschein. 7) Der Herzog billigte den für den Kanal vorgesehenen Weg durch die Stadt Wismar und rieth nur, die Grube 2 Ellen (= 1,2 m) tiefer und auch etwas breiter zu machen, beide Seiten mit Brettern und Quadersteinen zu bekleiden und das Terrain längs der Grube und vor den Häusern zu ebnen und zu einer bequemen Passage einzurichten. In Meklenburg angelangt, bestimmte er, künftig zunächst die Modde aus dem Meklenburger Moor und dem Moidentinschen Teiche herauszuschaffen und die Berge bei Moidentin und Meklenburg erst dann in Angriff zu nehmen, wenn das darauf gebaute Korn, Gartenkraut und Flachs eingeerntet sei.

Bei dem Durchstich dieser beiden Berge fand Jost Spangenberg demnächst ungeahnte Schwierigkeiten. Durchweg bestanden die Berge aus hartem Lehm, an vielen Stellen aus Steinen und Geröll. Dieser schwere Grund mußte 12 1/’2 Ellen (= 7,1 m) tief mit eisenumschlossenen Keilen auseinander getrieben werden. Es war natürlich, daß die Arbeiten hier nur langsam vorwärts schritten und daß Spangenberg nach den bisher - abgesehen von den Vollendungsarbeiten an Herzog Albrechts altem Graben - grundleglichen Lohnsätzen des alten Darguner Vertrags, wonach ihm für 16 laufende Ruthen ausgebrachten Boden 2 fl. und Naturalien zukamen, seine Rechnung nicht mehr fand. Spangenberg und auch seine Gräber erklärten daher, die Arbeit verlaufen und anderswo ihr Brot suchen zu müssen, wenn man sie nicht von dem alten Verding befreie. Herzog Ulrich wollte Anfangs von einer Lohnerhöhung nichts wissen. Erst als Hans v. d. Lühe persönlich ihm in Güstrow die Nothwendigkeit einer solchen auseinandergesetzt hatte, willigte er ein, soweit der harte Boden in den Bergen reiche, für jede ausgebrachte Ruthe 26 ßl. zu zahlen. In schwarzem und moorigem Boden solle aber die alte Abmachung wieder in Kraft treten.

In den Jahren 1578 und 1579 wurde dann der Graben durch die beiden obigen Berge bedeutend weiter gefördert. Aber doch scheint Herzog Ulrich mit den Fortschritten des Baues unzufrieden gewesen zu sein, denn Anfang 1580 ertheilte er seinem Rentmeister Brügmann den Auftrag, mit Tilemann Stella, Hans v. d. Lühe und dem Rentmeister seiner Neffen, Schönermark, in Wismar zusammenzukommen und über eine energische Fortführung der Arbeiten zu berathen. Nach dem von ihnen am 27. Februar 1580 aufgestellen Arbeitsplan war noch Folgendes zu thun: der Graben mußte durch den Meklenburger und Moidentiner Berg und zwischen Rosenthal und Rothem Hut vollendet und die Schleusen auf der ganzen Strecke erbaut werden.

Im April überreichte Brügmann dem Herzog Ulrich einen Voranschlag für die Arbeiten im Sommer 1580. Danach sollten 9 Stückmeister, als Vorsteher der einzelnen Stücke, in die der unfertige Rest des Grabens getheilt war, mit 191 Knechten, im Ganzen also 200 Personen, in Arbeit stehen. Als Lohn für die 200 Personen berechnete Brügmann rund 1000 fl. monatlich, oder nach Abzug der zu liefernden Lebensmittel im Werte von 734 ft. 12 ßl., rund 300 fl. Ob dieser Voranschlag Herzog Ulrichs Billigung fand, ist aus denAkten nicht zu ersehen. Daß aber ungewöhnlich viele Leute 1580 in Arbeit standen, kann man aus einem Visitationsbericht des Tilemann Stella und des Brügmann vom 29. Juli 1580 schließen. Diese berichteten damals, daß im letzten Sommer ein ansehnliches, über Vermuthen großes Stück an der Schifffahrt vollbracht sei, so daß sich der Graben seiner Vollendung nähere. Der Berg beim Dorfe Meklenburg sei ganz, der Moidentiner Berg bis auf einen geringen Rest durchstochen. Es fehle noch eine Strecke von etwa 500 Ruthen Länge im Moidentiner und Meklenburger Berge, die aber im Laufe des Herbstes noch ausgebracht werden könne.




5) Ein undatirter Situationsplan über die fertige Kanalstrecke Loostener See - Moidentiner Berg und über den noch nicht durchstochenen Moidentiner Berg im Geh. und Haupt-Archiv wird aus dieser Zeit stammen.
6) Schifffahrtsregister 1577-1578 im Rathsarchiv zu Wismar.
7) Die bei Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler II, S. 20, abgebildete Gedenktafel vom Jahre 1578 auf Herzog Ulrichs Kanalbau, die 1840 aus der Naturaliensammlung des Schlosses in die Alterthümersammlung des Museums überging, befand sich bei Lebzeiten des Archivars Johann Schultz († 1727) nach einer Aufzeichnung von seiner Hand in camera computorum (Rentkammer, Renterei). Ich vermuthe, daß diese Tafel dem Herzog Ulrich 1578 bei seiner esichtigungsreise vorgelegt ist und demnächst als Schlußstein Verwendung finden sollte. Später wird sie der Güstrower Rentmeister Gabriel Brügmann an sich genommen und in seinen Amtsräumen aufgehängt haben, von wo sie wohl nach dem 1695 erfolgten Aussterben der Güstrower Linie mit den Güstrower Rentereiakten an die Schweriner Renterei abgegeben ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar