Mecklenburgische Gewässer

Zu einem ganz anderen Ergebniß kam der Kammer- und Jagdjunker E. v. Storch in einer 1825 ausgearbeiteten Denkschrift 1) über die Verhältnisse der meklenburgischen Gewässer und ihre richtige Ausnutzung. Er führte darin aus, es seien zur Ueberwindung des Höhenrückens zwischen Elbe und Ostsee auf der Wasserstraße Dömitz-Wismar 28 Schleusen erforderlich, wenn die Schifffahrt nur einigermaßen bequem betrieben werden solle. Jede Schleuse komme einschl. der Materialien unbedingt auf 30 000 Rthlr. zu stehen, die 28 Schleusen zusammen also 840 000 Rthlr., ohne daß damit zugleich die Kosten für Geradelegung der Ströme und für Brückenanlagen und die Entschädigungsgelder für durchgrabene Ländereien gedeckt wären. Und wenn alle diese Ausgaben gemacht seien, bürge noch Niemand dafür, daß genug Wasser zum Betriebe vorhanden sei und daß die Frequenz ausreiche, um durch Zolleinkünfte die Zinsen aufzubringen. Daher werde nie eine Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee von Nutzen und Bestand sein. Meklenburgs sicherste Erwerbsmittel, ja eigentlich die einzigen, lägen in der Produktionskraft seines Bodens. Ehe man nicht ausreichend für die Verbesserung der Ländereien und der Viehzucht gesorgt habe, sei der Versuch thöricht, auf anderen Wegen künstlich die Erträge des Landes zu erhöhen.

Die Storchsche Ansicht von der uneingeschränkten Nutzlosigkeit aller Wasserbauten in Meklenburg fand seiner Zeit manche Anhänger, vermochte sich jedoch allgemeine Anerkennung nicht zu verschaffen. Die Regierungen und Stände waren vielmehr entschieden einem weiteren Ausbau der meklenburgischen Wasserstraßen geneigt. Und wenn die von ihnen begünstigte Unternehmung der 30er Jahre dieses Jahrhunderts auch nicht eine Verbindung zwischen Dömitz und Wismar in ihr Programm aufnahm, so hat sie diese Verbindung doch indirekt insofern wesentlich gefördert, als Sie u. A. den Ausbau der südlichen Strecke von Dömitz-Fähre in größeren Dimensionen bezweckte und auch zu Wege brachte.


Nachdem noch in den 20er Jahren eine herzogliche Kommission zur Schiffbarmachung der Elde, Havel und Stör eingehende Erhebungen und Ermittelungen rücksichtlich des Zustandes dieser Wasserläufe angestellt hatte, bildete sich 1831 eine Aktiengesellschaft unter dem Namen „Elde-Actien-Societät“. Nach dem am 6. Juni durch die Landesherren genehmigten Aktienplan 2) stellte sich die Gesellschaft die Schiffbarmachung a) der Elde aus dem Müritzsee über Eldenburg, Plau bis in die Elde bei Dömitz, b) der Havel aus demselben See bis Fürstenberg und c) der Stör aus dem Schweriner See bis in die Elde zur Aufgabe. Die Fahrbahn sollte auf mindestens 4 Fuß Tiefe und 40 Fuß Breite erweitert und mit den erforderlichen Schleusen und Leinpfaden versehen werden, also daß Kähne von 20 Last oder 800 Centner darauf verkehren könnten Die Kosten hatte man a) für die Elde auf 284 479 Rthlr., b) für die Havel auf 70 000 Rthlr., c) für die Stör auf 26 678 Rthlr., zusammen auf 381 157 Rthlr. veranschlagt und weiter angenommen, daß die Summe von 400 000 Rthlr. nicht oder nicht erheblich überschritten werde. Zu dieser Summe sagte das Land 130 000 Rthlr. zu, der Rest von 270 000 Rthlr. sollte auf Aktien zu je 100 Rthlr. N2/3 aufgebracht werden. Die Aufsicht über die Verwendung der Gelder und über den Bau sollte seitens der Gesellschaft durch ein Direktorium von fünf Mitgliedern, nämlich zwei landesherrlichen Kommissaren und drei von den Aktieninhabern gewählten Mitgliedern, ausgeübt werden. Da die Zeichnung der Aktien eine genügende war, konnte alsbald mit den Arbeiten unter Leitung des Oberbauraths Wünsch, der von der Gesellschaft damit beauftragt wurde, begonnen werden.

Unter den Arbeiten der Gesellschaft, die hier interessiren, ist besonders der Bau eines neuen Lewitzkanals hervorzuheben, der von der Eldeschleuse bis nahe vor Neustadt eine Meile weit durch die großen Lewitzwiesen führt und die besonders zahlreichen Windungen des Eldelaufes auf dieser Strecke abschneidet. Derselbe wurde von 1832-1834 ausgeführt und erhielt die stattliche Breite von ca. 60 Fuß und eine Tiefe von 6-7 Fuß. Unterm 13. August 1833 wurde dem Kanal auf Antrag des Direktoriums der Gesellschaft vom Großherzog der Name „Friedrich Franz-Kanal“ beigelegt. 3) Mit der Vollendung dieses Kanals ist die Begradigung der Stör und Elde, die seiner Zeit dem Tilemann Stella als erstrebenswerthes Ziel vorschwebte, aber damals aus Mangel an Geldmitteln nicht ausgeführt werden konnte, wiederum ein erhebliches Stück vorgeschritten.

Außerdem wurde von der Gesellschaft der alte Störkanal von Banzkow bis zur Elbe vertieft, auf 44 Fuß verbreitert und bewallt und auch die übrigen Theile der Stör und Elde in den beabsichtigten Maaßen erweitert. Schleusen wurden auf der Strecke zwischen Dömitz und Fähre neu angelegt bezw. ausgebaut zu Dömitz (Fang- und Stauschleuse), Fabrik (Fangschleuse), Findshier (Fangschleuse), Eldena (Fang- und Stauschleufe), Grabow und Neustadt (Fangschleusen), am Friedrich Franz-Kanal (zwei Fang- und eine Stauschleuse), am Ende desselben die Eldeschleuse, bei Banzkow (Fangschleuse), bei Plate und Fähre (Stauschleusen). Bis 1837 waren alle von der Gesellschaft geplanten Bauten fertiggestellt worden.

Leider hatten die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel zur Vollendung des Werkes nicht ausgereicht. Außer den im Aktienplan vorgesehenen 400 000 Rthlrn. hatte man noch 202 000 Rthlr. verbraucht Davon hatte freilich der Großherzog von Strelitz 25 000 Rthlr. auf Aktien übernommen, auch der Landtag im Jahre 1834 weitere 65 000 Rthtr. bare Unterstützung bewilligt. Für die übrigen 112 000 Rthlr. hatten die Landesherren aber nur die nöthige Garantie geleistet und ihre Verzinsung der Gesellschaft überlassen. Somit trat die Gesellschaft in den Betrteb der Wasserstraße mit einer erheblichen Schuldenlast ein. Trotzdem reichten in den ersten Jahren ihres Bestehens die einkommenden Schleusengelder zur Zahlnng der Zinsen und für die Betriebskosten aus, ja, es konnten sogar geringe Abträge auf das Kapital gemacht werden. Als sich aber vom Ende der 40er Jahre an der Frachtverkehr mehr und mehr den neu gebauten Eisenbahnen zuwandte, konnte die Gesellschaft bald ihren Verpflichtungen nicht mehr genügen. Sie sah sich daher Ende 1857 genöthigt, alle ihre Rechte an den Wasserstraßen sammt ihrem Vermögen an die Landesherren abzutreten, wogegen diese auch die Schulden und die eingegangenen Verbindlichkeiten übernahmen. Die Verwaltung der Wasserstraßen wurde einer gemeinsamen Flußbaukommission übertragen.

Schon zur Zeit des Bestehens der Elde-Aktien-Societät hatte sich bei den Rhedern und Schiffsführern das Bestreben geltend gemacht, zur Ersparung von Zeit und Kosten die neuen Wasserstraßen mit größeren Lasten als 20 Last oder 800 Ctr., wie sie im Aktienplan von 1831 zugelassen waren, zu befahren. Es hatten sich bald nach Eröffnung der Wasserwege Kähne von 25-30 Last eingefunden. Anfänglich war die Verwaltung nicht dagegen eingeschritten. Erst als sie wahrnahm, daß durch solche unvorschriftsmäßig großen Fahrzeuge die Flußbauwerke erheblich geschädigt wurden, hatte Sie am 1. Januar 1839 ein Regulativ erlassen, daß die höchst zulässige Belastung der Schiffe auf 25 Last oder 1000 Ctr. festsetzte, und hatte bald nachher noch genauere, von Neujahr 1841 an gültige Vorschriften über die Größenmaße der Schiffe auf den meklenburgischen Wasserstraßen gegeben. Auf diese Weise war zwar die Gefahr für die Kanalbauten beseitigt, aber den Klagen über Unzulänglichkeit der Wasserwege war ihre Berechtigung nicht genommen.




1) Im Großherzoglichen Geh. und Hauptarchiv zu Schwerin.
2) Offizielles Wöchenblatt von 1831, 24. Stück.
3) Offizielles Wochenblatt von 1833, 33. Stück.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar