Kosten für Reparaturen

Zu einem ganz anderen Ergebniß kam der Ingenieur- Hauptmann Alexander Borrey. Er berechnete im März 1629 die Kosten für Reparaturen der Schleusen zwischen Dömitz und Fähre auf 3132 Rthlr. und schätzte die Ausbesserung der neuen Elde auf 7740 Rthlr. Was das Hamburger Gutachten anbetrifft, so war Borrey der Ansicht, daß der Schweriner See nicht genug Wasser habe, um nach zwei Seiten davon abgeben zu können, Zumal wenn man größere Schiffe benutzen wolle. Uebrigens hielt er kleine Schiffe für zwedentfprechender.

Die herzogliche Kammer wog beide Gutachten gegen einander ab. Sie war der Ansicht, man müsse vor allen Dingen im Auge behalten, daß die aufgewandten Unkosten den künftigen Nutzen des Kanals nicht überstiegen. Der Hamburger Anschlag sei übertrieben; es sei bedenklich, so viel Tonnen Gold auf ein bloßes Abenteuer zu wagen. Der Borrey’sche Anschlag sei dagegen annehmbarer, weil er den alten Verhältnissen näher komme. Früher habe eine Schleuse 200 Rthlr. und einiges Deputat gekostet; rechne man jetzt auch 400 Rthlr., so komme man für 12 Schleusen auf der Strecke Wismar-Viecheln auf kaum 5000 Rthlr., während die Hamburger dafür 12 000 Rthlr. ansetzten. Sie riethen, dem Ingenieur Borrey eine Kostenberechnung für die Bauten an der Viechelnschen Fahrt aufzutragen.


Anfang April 1629 befahl Wallenstein den Beamten zu Neustadt, die drei Neustadt zunächst liegenden Schleusen in der vorigen Art, doch einen Fuß tiefer, zu verfertigen. Später ist von dem Kanal nicht mehr die Rede. Wallenstein hat übrigens trotz des hohen Anschlages der Hamburger den Kanal in größerem Umfang herrichten wollen, wie aus einem Brief Martin Böckels vom 12. Juni 1638 hervorgeht, in dem es heißt: „Auff übergebene Relation (der Hamburger) sol der Friedländer gesagt haben, das Gelt solte dar sein vnd das Wergk solte gefertiget werden.“ Eine solche Aeußerung entspricht ganz dem Charakter Wallensteins, der schon größere Schwierigkeiten überwunden hatte und vor derartigen Geldsummen sicher nicht zurückschreckte. Aber bereits am 22. Juli 1629 war Wallenstein durch die Zeitereignisse genöthigt, dem Lande den Rücken zu kehren; er hat Meklenburg später nicht wieder betreten.

Im Andenken des Volkes ist der Name Wallensteins mit dem Kanal verbunden geblieben, trotzdem er nachweislich keine irgendwie namhaften Bauten daran vorgenommen hat. Seine ganze Persönlichkeit hat jedoch ohne Zweifel nachhaltigen Eindruck auf die Bevölkerung des Landes gemacht, und man hat seiner Zeit sicher allgemein erwartet, er werde das Werk, das er unternommen hatte, auch vollführen. Da ist es denn sehr erklärlich, daß das Volk, je mehr die eigentliche Baugeschichte des Grabens dem Gedächtniß entschwand, Plan und Ausführung des Unternehmens bei Wallenstein verwechselte und ihm den Bau des Kanals zuschrieb. So trägt der Schiffgraben, oder genauer der Abfluß des Schweriner Sees nach Wismar hin, der unterhalb Meklenburgs eine Strecke weit mit der alten Fahrt nicht zusammenfällt, bis auf den heutigen Tag im Volksmunde die Bezeichnung Wallensteingraben.

Von Herzog Adolf Friedrich sind nach seiner Rückkehr aus der Verbannung lange Jahre keine Versuche bekannt, die Verbindung zwischen Schweriner See und Ostsee fertig zu stellen. Erst 1640 sehen wir ihn dazu entschlossen. Er ließ damals durch den Amtshauptmann Wilhelm v. Warnstedt der Stadt Wismar den Vorschlag machen, Sie möchte gemeinsam mit Schwerin, Parchim, Lübz, Neustadt und Grabow die Mittel zur Bezahlung der Arbeitslöhne in der Weise aufbringen, daß ein ganzes Haus einen Thaler, ein halbes Haus einen halben Thaler und eine Bude 12 ßl. beitrage. Es scheint jedoch Nichts daraus geworden zu sein.

1645 versuchte Adolf Friedrich die alten Beziehungen zu Holland wieder aufzunehmen und, wenn möglich, von dort Hülfe für den Kanalbau zu erlangen. Der Herzog stand bereits längere Zeit mit dem holländischen Residenten in Hamburg, Heinrich Schrassert, in vertraulicher Korrespondenz über die politischen Tagesereignisse, hatte also bei ihm einen trefflichen Anknüpfungspunkt. Sein bewährter Rath Hans Heinrich v. d. Lühe begab sich Ende 1645 nach Hamburg mit dem Auftrage, Schrassert über den Graben zu unterrichten. Auf Schrasserts Wunsch arbeitete der Ingenieur Georg Friedrich v. Berg eine Denkschrift aus und überreichte sie am 18. Januar 1646. Er erklärte darin, daß auf der Viechelschen Fahrt der Graben bis auf den Grund ausgebracht und die hauptsächlichsten Schleusen gefertigt seien, man hier also nur noch ein Geringes zu thun habe. Zwischen dem Schweriner See und der Elbe rieth er die alte Straße nicht zu benutzen, sondern einen über 15 Meilen näheren Weg, der auch die Lüneburger Zollstätten vermeide, zu wählen. Er dachte an einen Wasserweg, der vom Schweriner in den Ostorfer See, durchs Rogahnsche Moor, auf Pampow, durch den Dümmerschen See, auf Warsow, die Sude und das Schwarze Wasser hinunter führen und bei Boizenburg in die Elbe münden, auch zwischen Schweriner See und Altona bei Redefin drei Schleusen haben sollte. Eine grob gezeichnete Karte 9) erläuterte diesen Plan. Man erkennt aus derselben jedoch auf den ersten Blick, daß Berg keine genaue Anschauung von der gezeichneten Gegend gehabt hat, weil er den ganz abliegenden Dümmerschen See für sein Kanalprojekt benutzen wollte. Schrassert hielt den Plan nach den Vorstellungen Lühe’s und Berg’s für praktikabel und profitabel und versprach am 20. Januar 1646 vor seiner Abreise nach Holland, ihn bei den Generalstaaten, dem Prinzen von Oranien, auch allen nach dem Osten handelnden holländischen, friesischen und gröningenschen Städten zu vertreten und dem Herzog von Zeit zu Zeit Bericht zu erstatten. Am 30. März theilte der Resident mit, aus jeder Provinz sei ein Kommissar ernannt, um mit ihm zu berathen, wie die Sache einzuleiten wäre, am 17. April, daß sowohl die Generalstaaten wie der Prinz das Werk für ausführbar hielten, jedoch dafür wären, noch eine kleine Weile damit zu warten.

Dann begann die Möglichkeit einer demnächstigen Abtretung Wismars von Meklenburg an die Krone Schweden lähmend auf die Verhandlungen zu wirken. Bereits am 23. April 1646 theilte Herzog Adolf Friedrich dem Residenten vertraulich und insgeheim mit, daß man in Münster und Osnabrück von kaiserlicher Seite damit umgehe, Wismar, das edelste Kleinod seines Landes und den besten Seehafen an der Ostsee an Schweden auszuliefern. Er könne sich aber nicht denken, daß Schweden sich also gegen einen Verbündeten vergehen und sein Gewissen belasten werde. Für Holland war die Möglichkeit einer Abtretung der Stadt aber schon Veranlassung genug, den Abschluß der Verhandlungen bis zum Friedensschluß hinzuziehen. Am 21. November 1646 schrieb Schrassert an den Herzog, man wolle nach dem Frieden die Schifffahrtsangelegenheit ernstlich vornehmen. Mündliche Besprechungen zwischen Schrassert und dem Herzoge, die dieser 1646 und 1647 wünschte, kamen nicht zu Stande.

Im westfälischen Frieden von 1648 gingen Herzog Adolf Friedrichs Befürchtungen dann wirklich in Erfüllung. Schweden erwarb Wismar und andere werthvolle Theile Meklenburgs. Man sollte nun denken, daß der Herzog jedes Interesse an der Dömitz-Wismarschen Wasserstraße verloren hätte, nachdem eine fremde Macht ihre Hand auf die Mündung derselben gelegt hatte. Dem war aber nicht so. Wir wissen, daß Adolf Friedrich in seinem hohen Alter noch zweimal einen Anlauf gemacht hat, die Kanalsache in Fluß zu bringen. 1652 berief er eine Konferenz von Magistraten und Amtsleuten nach Schwerin, um über die Herstellung der Strecke Dömitz-Schwerin zu berathen. Städtische Deputirte erschienen nur von Parchim, Schwerin, Bützow, Warin und Grabow. Diese erklärten zunächst, sich mit den übrigen Städten besprechen zu müssen, dann baten sie wegen der schwer drückenden Kriegslasten aus dem letzten Kriege um Erlaß dieser Auflage, wiesen auch darauf hin, daß einige reiche Leute in Folge der Benutzung der alten Schifffahrt zurückgekommen und ganz verarmt seien. Die Erklärung der Ritterschaft auf Herzog Adolf Friedrichs Begehren, Geld beizusteuern, ist nicht erhalten. Das ganze Land litt aber noch derartig unter den Schäden des 30jährigen Krieges, daß schon deshalb der Plan nicht verwirklicht werden konnte.




9) Zwei Exemplare werden davon im Geheimen und Haupt-Archiv aufbewahrt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar