Im Großen und Ganzen

Am 27. August 1892 wurde zu Wismar in einer öffentlichen Versammlung von einer Reihe Wismarscher, für das Wohl ihrer Vaterstadt interessirter Bürger ein Wismarscher Kanalverein begründet, der sich noch in demselben Jahr nach Vereinigung mit dem schon bestehenden Elde-Stör-Kanalbauverein zu einem Elbe-Ostsee-Kanalbauverein erweiterte und es sich zur Aufgabe setzte, den Bau eines Kanals von der Ostsee zum Schweriner See und zur Elbe zu betreiben. Der Verein ließ zunächst das Projekt einer Kanalverbindung Schwerin-Wismar von dem Regierungsbaumeister. Möller in Kiel bearbeiten und konnte den Möllerschen Entwurf bereits auf der konstituirenden Versammlung des Vereins zu Schwerin am 15. April 1893 vorlegen. Die Möllersche Arbeit ist dann noch in demselben Jahre im Auftrage des Vereins gedruckt worden.

Die Kanallinie, wie sie von Möller geplant ist, fällt im Großen und Ganzen mit dem im 16. Jahrhundert erbauten Graben zusammen; insbesondere geht auch Sie von Moidentin auf Meklenburg, Rosenthal, die Klüßer Mühle zu und vermeidet den zwischen Meklenburg und der Klüßer Mühle einen großen Bogen beschreibenden Bachlauf. Bei Wismar sollte der Kanal östlich um die Stadt, nicht westlich oder durch die Stadt, wie im 16. Jahrhundert geplant war, gehen und in der Nähe des neuen Hafens in die Ostsee münden. Der Wasserquerschnitt des Kanals sollte eine Tiefe von 2 m unter dem Normalwasserspiegel und unten 13 m, oben 21 m Breite, die Schleusen eine lichte Weite von 6,6 m, eine Länge zwischen dem Abfallboden und der Spitze der unteren Schleusenthore von 51,5 m und eine Wassertiefe auf den Drempeln von 2,5 m erhalten. 6) Der Höhenunterschied zwischen dem Schweriner See und der Ostsee von rund 38 m soll durch zwei Schleusen nahe dem Anfang und Ende der Fahrt und behufs Vermeidung von mehr Schleusen durch eine geneigte Ebene nördlich des Dorfes Meklenburg überwunden werden, und des Endes zur Konzentrirung des ganzen Gefälles auf diesen einen Punkt der Kanal nördlich vom Loostener See höher am Abhange der östlichen Berge als ehemals horizontal bis nach Meklenburg geführt werden. Die Baukosten des Kanals, einschließlich Grunderwerb, Nebenanlagen, Entschädigung, berechnete Möller auf 3 850 000 Mk., die Bauzeit nahm er auf drei Jahre an.


Der Kanalverein wirkte auch in der folgenden Zeit unermüdlich weiter für seine Sache. Durch eine Reihe von Vorträgen und Flugschriften 7) suchte derselbe den Nutzen des Kanals für die Stadt Wismar und für die meklenburgische Landwirthschaft nachzuweisen und dem Kanal neue Freunde zu gewinnen.

Am 7. Juli 1894 machte der Kanalbauverein, nachdem er durch den Distriktsbaumeister Klett zu Grabow noch eine Revision der Möllerschen Arbeit veranlaßt hatte, dem Ministerium des Innern eine Vorlage, bestehend aus den Materialien eines generellen Projektes für einen Kanal Schweriner See-Wismar, der Fahrzeuge bis zu 7000 Ctr. tragen könne, und aus einer Darlegung über die im Anschluß an den Bau erforderliche Steigerung der Leistungsfähigkeit der Stör und Elde. Die Kosten des Kanalbaues waren gemäß der Möllerschen Berechnung auf 3 850 000 Mk. angegeben, die Kosten der Erweiterung der Elde- und Stör-Wasserstraße auf 3 150 000 Mk. geschätzt. 8) Die Regierung ordnete im Sommer 1895 eine obererachtliche Prüfung der technischen Grundlagen des vorliegenden Projektes durch den Oberbaudirektor E. Mensch an und erließ dann am 7. Dezember des Jahres ein Reskript an die Stände, das den Bau des Kanals in den Abmessungen des Möllerschen Entwurfs zu den von Mensch in seinem Revisionsbericht zu 5 000 000 Mk. berechneten Baukosten empfahl. Von diesen Baukosten sollten aus Landesmitteln 2 1/2 Millionen aufgebracht werden, während den Rest die Stadt Wismar und die übrigen Interessenten beizutragen hätten.

Die Stände beschlossen auf dem Landtage zu Sternberg 1896 wegen der erforderlichen gründlichen Erwägung des Projektes, die Vorlage einer Kommitte von acht Mitgliedern zu gemeinschaftlicher Vorberathung mit dem Engern Ausschuß und Berichterstattung auf dem nächsten Landtag zu übergeben. Die Kommitte und der Engere Ausschuß traten am 17. und 18. September 1896 in die Berathungen 9) ein, nachdem inzwischen die Stadt Wismar erklärt hatte, von den auf 5 Millionen Mark veranschlagten Kosten 3/8 bis zum Höchstbetrage von 1 875 000 Mark hergeben zu wollen und auf Grund von Verhandlungen mit der Stadt Schwerin annehmen zu können, daß der Rest der Baukosten im Betrage von 625 000 Mk. von Schwerin übernommen werde. Es zeigte sich, daß die Ansichten der Versammlung auseinander gingen. Ein Theil derselben sprach sich für die Durchführung des Projektes aus; direkt würde Wismar, Schwerin und das Hinterland beider Städte Vortheil vom Kanal haben, indirekt werde aber auch eine günstige Rückwirkung auf das ganze Land nicht ausbleiben. Für die Landwirthschaft könne vor Allem Wismar wieder ein Hauptstapelplatz für Getreide werden. Ein anderer Theil war der Ansicht, daß sich die Aufwendungen von Landesmitteln für das Projekt nicht rechtfertigten. Es fehle an allem statistischen Material über die Ein- und Ausfuhr Wismars zu Wasser und zu Lande, der Handel Wismars mit Massengütern, für deren Transport Kanäle gebaut werden, sei unbedeutend. Ob die nach Wismar eingeführte englische Kohle sich dauernd gegenüber der westfälischen behaupten könne, sei fraglich. Ausgeschlossen sei es, daß Wismar später ein Hauptstapelplatz für Getreide würde. Nur das Wismarsche Hinterland käme in Betracht, das übrige Land habe feste Absatzgebiete und nähere Transportwege. Man beschloß, der Landesversammlung beide Ansichten zu unterbreiten. Falls dieselbe die Regierungsvorlage nicht ablehnen sollte, war man übereinstimmend dafür, die Vorlage spezieller Projekte für den Kanal Viecheln-Wismar und für die Erweiterung der Südlichen Wasserstraßen, aus welchen die Kosten des Baues mit Sicherheit hervorgingen, anzurathen.

Auf dieses Diarium ließ der Elbe-Ostsee-Kanalbauverein eine Erwiderung ausarbeiten und im Druck erscheinen. Gleichzeitig wurde ein Spezialprojekt von dem Distriktsbaumeister Klett ausgearbeitet und von dem Oberbaudirektor Mensch geprüft, auch von einer Düsseldorfer Firma der Entwurf eines Schiffshebewerkes auf quer geneigter Ebene vorgelegt. Auf Grund des 1897 seitens der Stadt Wismar in Druck gegebenen Hauptprojekts wurde am 11. November 1897 an die in Sternberg versammelten Stände ein Schwerinsches Reskript 10) herausgegeben, das die Bewilligung einer Landeshülfe für den Bau von 2 900 000 Mk. warm befürwortete, falls die Adjacenten noch 325 000 Mk. aufbrächten. Auf 5 150 000 Mk. seien die Gesammtkosten im Hauptprojekt veranschlagt, wovon Wismar 1 875 000 übernommen habe. Ein fester Betrag von Schwerin sei nicht gesichert, weil die Stadt die Zahlung von der Weiterführung des Kanals bis zur Elbe abhängig mache. Doch solle aus dem Domanium Terrain im ungefähren Werth von rund 50 000 Mk. unentgeltlich hergegeben werden.




6) P. Möller, Kanal-Projekt Schwerin-Wismar, 1833, S. 18 ff.
7) Die Litteratur über den Kanal von Juli 1893 bis Juli 1895 zusammengestellt vom Archivregistrator Groth in den Uebersichten über die meklenburgische Litteratur im Jahrb. 59 (Nr. 465-476) und Jahrb. 60 (Nr. 457-459). Aus späterer Zeit sind zu erwähnen: Frobenius, Wismar, Eine brennenbe Frage, Wismar 1895, und Frobenius, Eine Lebensfrage für Wismar, Schwerin 1896.
8) Schwerinsches Reskript vom 7. Dezember 1895 betreffend den Ausbau eines Schifffahrtskanals vom Schweriner See bis zum Hafen bei Wismar, Rostock 1896, S. 4, 5.
9) Diarium über die zu Rostock am 17. und 18. September 1896 geführten Verhandlungen. Rostock 1896.
10) Schwerinsches Reskript vom 11. November 1897, betreffend die projektirte Herstellung einer schiffbaren Wasserstraße zwischen dem Hafen der Stadt Wismar und dem Schweriner See, gedruckt zu Rostock.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar