Fortschritte des Grabenbaues

Die bedeutenden Fortschritte des Grabenbaues veranlaßten die Stadt Lüneburg zu Anfang des Jahres 1572, mit Wismar wegen der künftigen Benutzung der neuen Fahrt in Verbindung zu treten. Am 21. Januar begab sich der meklenburgische Kanzler Heinrich Husanus, der, des Hofdienstes müde, damals gerade mit der Stadt Lüneburg wegen Uebernahme des dortigen Syndikats unterhandelte 8) und aus diesem Grunde der Stadt sicher gern zu Diensten war, in geheimer Botschaft nach Wismar und sondirte, ob der neue Graben von den Lüneburgischen Salzschiffen vortheilhaft zu befahren sei und welche Lasten dieselben zu tragen hätten. Husanus erstattete dem Rath eine ausführliche Relation 9) und rieth ihm, entweder schriftlich oder beschickungsweise mit Wismar weiter zu unterhandeln.

Ende Februar des Jahres 1572 war die neue Elde im Wesentlichen fertig. Am 1. März trat zu Schwerin eine Kommission zusammen, die in mehrtägigen Sitzungen den Verdienst des Jost Spangenberg für seine Arbeiten an der neuen Elde von Anfang 1568 bis zum 28. Februar 1572 feststellte. Man fand, daß ihm nach dem Verding der Arbeiten 7264 fl. baares Geld und bedeutende Naturallieferungen, wie 3632 Tonnen Bier, 605 Drömbt 4 Scheffel Roggen, 72 640 Pfd. Speck, je 14 528 Pfd. Rotschar und Butter, je 3632 Schock Heringe und Käse, je 75 Drömbt 8 Schfl. Erbsen und Grütze und 151 Tonnen 2 Schfl. Salz zukämen. Ferner hätte er für außerordentliche Arbeiten noch einige kleinere Beträge zu fordern. Alles zu Geld gerechnet kam eine Summe von 35 005 fl. 8 ßl. heraus.


Als erstes Schiff fuhr am 9. August 1572 das des Heine Mutze in die neue Elde bei Eldena ein und legte am 11. August glücklich bei der alten Brücke in Dömitz an. Damit war die Fahrt von Eldena bis Dömitz eröffnet. Zu einem regen Schiffsverkehr konnte es vor der Hand jedoch noch nicht kommen, weil sich noch manche Reparaturen und Umbauten als nöthig erwiesen, und die Verwaltung und Aufsicht über den Kanal geregelt werden mußten.

Die Hauptereignisse der nächsten Zeit sind kurz folgende:

Im Juni 1573 fuhr Herzog Johann Albrecht mit zwei Schiffen von Schwerin aus nach Dömitz herunter. Er urtheilte, daß die Schleusen zwischen Eldena und Dömitz Kästen von 106 Fuß (= 30,5 m) Länge und 45 Fuß (= 13 m) Breite erhalten müßten, weil man bei ihrem jetzigen Zustand nur langsam hindurchkommen könnte.

Im April 1574 wurde Jost Spangenberg von beiden Herzögen zum Verwalter der gemeinschaftlichen neuen Fahrt eingesetzt Er sollte auf seine Kosten zwei tüchtige Knechte, einen Gräber- und einen Zimmergesellen, annehmen und mit ihnen einmal im Jahr die Fahrt besichtigen und kleinere Mängel ausbessern. Wenn größere Arbeiten nöthig würden, sollten ihm die erforderlichen Leute gestellt werden, doch hätten er und seine Knechte dann ohne Vergütung mitzuarbeiten. Ein Haus sollte auf der Kalißer Heide nahe dem neuen Graben für ihn erbaut werden. Als Jahresbesoldung sagte ihm jeder Herzog 75 fl., 1 Drömbt Roggen und 5 fl. zu einem Hofkleid zu.

Am 23. und 24. Juni 1574 weilte Tilemann Stella auf Einladung des bekannten Lüneburgischen Stadtsyndikus Heinrich Husanus in Lüneburg und überreichte dem dortigen Rath eine summarische Relation von dem neuen Graben, die einen Ueberblick über die verschiedenen Bauperioden und eine Schilderung von dem Graben und seiner Umgebung giebt. Stella ist auch später noch in enger Verbindung mit Lüneburg geblieben. Im Jahre 1576 hat er für die Stadt zu ihrem Gebrauch eine Karte 11) von der neuen Schifffahrt angefertigt, die noch heute im dortigen Stadtarchiv aufbewahrt wird.

Im Sommer und Herbst 1574 wurde der Graben zwischen Dömitz und dem Witten Moor vom eingetriebenen Sande gesäubert, die Schleusen ausgebessert und eine Deichordnung für die Dömitzer Elbdeiche erlassen. Damit hatten die Arbeiten ihr Ende erreicht. Am 15. März 1575 konnten die Herzöge den Städten Magdeburg und Hamburg mittheilen, daß künftigen Sommer ungehindert auf- und niedergefahren werden könnte.

Die nächste Aufgabe der Herzöge bestand darin, alles das hinwegzuräumen, was einem lebhaften Schiffsverkehr auf der neuen Wasserstraße noch hemmend im Wege stand. Dazu gehörten vor allen Dingen die hohen herzoglich lüneburgischen Elbzölle und das Stapelrecht der Stadt Lüneburg. Wir haben oben gesehen, daß der 1545 von Gesandten Brandenburgs, Meklenburgs, Hamburgs und Magdeburgs bezogene Stendaler Tag beim Herzog von Lüneburg Nichts hatte durchzusetzen vermocht. Ebensowenig hatte es genutzt, daß 1549 von Kommissaren des römischen Königs und Gesandten der interessirten Mächte auf einer Tagfahrt zu Jüterbogk nochmals festgestellt war, die Schifffahrt auf der Elbe wäre für Jedermann frei. Erst in den Jahren 1566 und 1568 hatten die Herzöge Heinrich und Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg auf ferneres Anhalten Hamburgs und Magdeburgs bei einer Reihe von Waarenarten, wie Kupfer, Blei, Asche, englische Tücher, die Niederlage zu Lüneburg aufgegeben. Da Sie die Niederlage aber nach wie vor bei allen Eßwaaren, besonders auch bei dem Baisalz forderten, so konnte von einer völlig freien Schifffahrt auf der Elbe noch immer nicht die Rede sein.

1570 verfochten beide Parteien ihre Sache angelegentlich auf dem Reichstag zu Speier. Die Gesandten des Herzogs Wilhelm von Lüneburg wiesen vor Allem darauf hin, daß mit Freigabe der Elbschifffahrt der lüneburgische Salzhandel, der vielen Geistlichen einen Theil ihrer Einkünfte gewähre, vernichtet werde. Hamburg und Magdeburg, auf deren Seite auch die Herzöge von Meklenburg standen, machten gegen die lüneburgischen Forderungen Gründe der Billigkeit und des allgemeinen Nutzens geltend. In Speier einigte man sich jedoch nicht. Ebensowenig kam man zum Schluß auf einer im Mai 1571 abgehaltenen Tagfahrt zu Magdeburg, weil etliche Gesandte keine ausreichende Vollmacht besaßen, etliche die erforderlichen Zollregister nicht zur Stelle geschafft hatten. Der Magdeburgische Abschied am 12. Mai 1571 mußte dem Kaiser die Ansetzung eines neuen Tages anheimgeben, und die Schifffahrtssperre blieb von Bestand.

So lag die Sache noch 1574, als die Herzöge von Meklenburg die neue Elde auf meklenburgischem Gebiet fertiggestellt hatten. In der ersten Hälfte dieses Jahres theilte der Rath von Magdeburg dem Herzog Johann Albrecht auf seine Bitte vollständige Kopieen der bisher in der Sache erwachsenen Akten und Schriften mit, die noch heute im Schweriner Archiv erhalten sind. Herzog Johann Albrecht hatte schon damals vor, eine Gesandtschaft an Herzog Wilhelm von Lüneburg zu schicken. Da aber bereits gütliche Verhandlungen zwischen den Streitenden Parteien am kaiserlichen Hofe zu Wien in naher Aussicht standen, begnügte sich Herzog Johann Albrecht damit, ein Fürschreiben für Magdeburg und Hamburg an den Kaiser ergehen zu lassen. In Wien willigte 1574 der Herzog von Lüneburg darein, die zwischen Magdeburg und Hamburg gehandelten Waaren von der Lüneburger Niederlage zu befreien, jedoch unter der Bedingung, daß dafür die Zölle zu Bleckede und Schnakenburg ebenso hoch wie der zu Hitzacker gesetzt würden und das Baisalz fernerhin von der Elbschifffahrt ausgeschlossen bliebe. Magdeburg erklärte sich einverstanden, doch Hamburg protestirte heftig. Bei weiteren Verhandlungen, die im Januar 1575 zu Zelle gepflogen wurden, hielt jedoch der Herzog von Lüneburg seine Forderungen aufrecht, und zwar auch bei Waaren, die aus dem meklenburgischen Graben kommend oder dahin gehend die lüneburgischen Zollstätten passirten.




8) J. Merckel, Heinrich Husanus (1536 bis 1587), eine Lebensschilderung, Göttingen 1898, S. 194.
9) Blatt 166/7 des großen Donats im Stadtarchiv zu Lüneburg. (Nach Mittheilung des Stadtarchivars Dr. Reinecke.)
11) Das Original dieser Karte hat das Stadtarchiv zu Lüneburg dem Verfasser dieses Aufsatzes für eine Verviefältigung zur Verfügung gestellt. Der in der Anlage in verkleinertem Maßstabe wiedergegebene Ausschnitt ist auf photographischem Wege von der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei hieselbst angefertigt und entspricht der Vorlage genau.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar