Erste Schifffahrt von der Elbe bis in den Schaalsee

Erst in den Jahren 1550-1560 wurde die Schaale regulirt, Schleusen darauf angelegt und derart eine Schifffahrt aus der Elbe bis in den Schaalsee ermöglicht. Recht in Aufnahme ist die Schaalfahrt aber auch nach Vollendung des Werkes nicht gekommen. Nach wie vor blieb das Abflößen des Holzes das Meklenburgs Waldungen in großen Mengen lieferten und das die Lüneburger Saline zum Betriebe ihrer Salzpfannen nicht entbehren konnte, auf der Schaale die Hauptsache. 6) Noch viel weniger wurden Schaalsee und Ostsee bei Wismar durch einen Kanal, wie 1430 in Aussicht genommen war, verbunden. Der breite Landrücken, der sich quer durch Mektenburg hinzieht und erst in Schleswig-Holstein verläuft, mußte zwischen Schaalsee und Wismar durchstochen werden, wobei kein Wasserlauf die Arbeiten erleichterte. Dazu machten der Herzog von Lauenburg, das Stift Ratzeburg und andere Interessenten alsbald gegen die Benutzung des Schaalsees mannigfache Einwendungen, zu deren Hinwegräumung nur geringe Aussicht vorhanden war. Vor allen Dingen wurde aber bald nach Vollendung der Schaalfahrt von den Herzögen von Meklenburg und der Stadt Wismar eine andere Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee zur Umgehung der Stecknitzfahrt thätig in Angriff genommen, die der Schaalfahrt in jeder Weise den Rang abzulaufen schien. Sie beruhte auf viel breiterer pekuniärer Grundlage, wurde von der Natur außerordentlich begünstigt und bot den Lüneburgern mindestens dieselben, wenn nicht noch größere Vortheile. Das war die Wasserfahrt Dömitz-Wismar.

In ziemlich gerader Linie zwischen beiden Städten erstreckte sich auf mehr als 2 1/2 Meilen in die Länge von Norden nach Süden der wasserreiche, in allen seinen Theilen schiffbare Schweriner See. Nach Süden hin war derselbe bereits mit der Elbe durch natürliche Wasserläufe verbunden. Die Stör floß aus dem südlichsten Zipfel des Sees, der Bucht bei der Fähre, ab und vereinigte sich 1/4 Meile oberhalb Neustadt bei Hohewisch mit der Elde, die ihrerseits über Neustadt, Grabow und Gorlosen weiterfloß und, nachdem sie unterhalb Gorlosen eine kurze Strecke auf brandenburger Gebiet übergetreten war, nahe Dömitz in die Elbe mündete. Vertiefte und räumte man diese Flüsse und versah man sie mit den nöthigen Schleusen, so war eine Schifffahrt vom Nordende des Schweriner Sees bei Viecheln bis in die Elbe möglich. Nach Norden hin bestand eine natürliche Wasserverbindung des Schweriner Sees mit der Ostsee zwar noch nicht, aber auch hier hatte die Natur der Schifffahrt in mancher Hinsicht vorgearbeitet. Aus dem ganz nahe dem Schweriner See gelegenen Loostener See floß nach Norden ein Bach 7) ab, trieb mehrere Mühlen und ergoß sich in den Wismarschen Mühlenteich. Sümpfe, Moore und kleine Teiche waren auf der Strecke mehrfach vorhanden. Schwierigkeiten bot die Durchstechung einiger Anhöhen zwischen Loostener und Schweriner See und bei Moidentin und Meklenburg und die Ueberwindung des bedeutenden Höhenunterschiedes zwischen den Wasserspiegeln des Schweriner Sees und der Ostsee. Aber auch diese Schwierigkeiten waren hinwegzuräumen, wenn man die Kosten nicht scheute.


Die Vortheile, die sich aus der Fahrt nach ihrer Fertigstellung für den Handel Meklenburgs ergeben mußten, lagen auf der Hand. Der Durchgangshandel von der Elbe her würde das Lüneburger Salz wieder, wie früher, auf Wismar anstatt auf Lübeck leiten, und von Wismar her würden die Waaren der Ostseegebiete auf dem neuen Weg ins Innere Deutschlands gehen. Auch auf eine erhebliche Ausfuhr aus dem Lande, besonders an Holz und Wild, konnte man rechnen. Zu beiden Ufern der Elde zogen sich weite Waldungen, die Lewitz, der Zuckhut, der Horn, der Jastram u. A., hin, die nach einem Bericht aus der Mitte des 16. Jahrhunderts an Eichen, Buchen, Ellern und anderem Nutzholz die Fülle hatten. An Wild gab es darin nach demselben Bericht Hirsche, wilde Schweine, Rehe, Hasen, Füchse, Birk-, Reb- und Haselhühner, Tauben, Enten, Schnepfen, Krammetsvögel, selbst Biber und Wölfe.

Die ersten Versuche, eine Schifffahrt auf der Elde zu Stande zu bringen, gingen von den Herzögen Magnus II. (1477-1503) und Balthasar (1480-1507) von Meklenburg aus. Sie bemühten sich, soweit die für jene Zeit recht lückenhaften Quellen erkennen lassen, mehrfach, die Benutzung der brandenburgischen Eldestrecke frei zu bekommen. Bereits mit dem Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg (1470-1486) pflogen sie, nachweislich zuerst 1480, deswegen Verhandlungen und behaupteten später auch, auf einer Zusammenkunft zu Wilsnack, die Gewährung ihres Wunsches von ihm erlangt zu haben. Wie dem nun auch sei, sein Sohn und Nachfolger, Kurfürst Johann Cicero (1486-1499) nahm von vorne herein eine ablehnende Stellung den meklenburgischen Plänen gegenüber ein. Er ließ durch die zu Eldenburg angesessenen Quitzows den Fluß sperren und ließ, als meklenburgische Unterthanen, von ihren Vögten unterstützt, trotzdem von der Schifffahrt nicht abstanden, 1488 durch Jürgen Bischwang am meklenburgischen Hof energisch aus Abstellung der Uebergriffe dringen. Alle Berufungen meklenburgischerseits auf ihr vermeintliches, ihnen von Alters her zustehendes Recht und auf die Bewilligungen des Kurfürsten Albrecht fruchteten Nichts. Auch die Absendung mehrerer Räthe mit Schiffen die Elde hinunter im Jahre 1490 8) scheiterte an dem Widerstand des jüngeren Dietrich von Quitzow. Da werden denn die Herzöge Magnus und Balthasar ihren Plan für aussichtslos gehalten und aufgegeben haben. Wenigstens ist uns von weiteren Unternehmungen der Herzöge keine Kunde geworden. An die Aufräumung und Kanalisirung der Elde sind sie nicht gegangen. Diese Arbeiten hatten auch nicht eher Zweck, als bis man Gewißheit hatte, daß sie später Nutzen bringen würden. Und schließlich hatten die Herzöge von Meklenburg mit der Unterwerfung und Demüthigung der aufsässigen Stadt Rostock lange Jahre hindurch vollauf zu thun, daß sie für eine eingehendere Beschäftigung mit der Schifffahrtsangelegenheit wenig Zeit übrig haben mochten. Dies blieb ihren Nachfolgern überlassen.

Aus dem Jahre 1512 hören wir, daß die Herzöge Heinrich V. (1503-1552) und Albrecht VII. (1503-1547) wieder mit Brandenburg, wo seit 1499 Johann Ciceros Sohn, der Kurfürst Joachim I., regierte, wegen der Eröffnung des Eldenpasses bei Eldenburg unterhandelten. Die Herzöge knüpften also da wieder an, wo ihr Vater vergeblich sich bemüht hatte und woran er schließlich erlahmt war. Kurfürst Joachim holte den Rath seiner Getreuen ein, die zum Theil schon unter seinem Vater gedient hatten, und ließ sich schnell überzeugen, daß sowohl sein Großvater als sein Vater auf ähnliche Gesuche der meklenburgischen Herzöge stets Abschlag ertheilt hätten. Er benutzte dies gern als Vorwand, um auch seinerseits die Genehmigung zur Eldeschifffahrt zu versagen, in Wirklichkeit bewog ihn wohl lediglich nachbarliche Eifersucht zu diesem Schritte.

Uebrigens hatten sich die Herzöge zu gleicher Zeit, da sie mit Kurfürst Joachim unterhandelten, auch mit der Hansestadt Hamburg in Verbindung gesetzt und Geldbeiträge zur Vertiefung der Elde erbeten. Aber Hamburg hatte augenscheinlich kein Vertrauen zum Fortgang des Werkes, solange Brandenburg in seiner ablehnenden Haltung verharrte. Der Rath erklärte am 24. April 1513, er könne der Herzöge Begehren nicht erfüllen, bevor man nicht die Fortschritte beim Bau der Wasserstraße vor Augen habe. so ist es nicht zu verwundern, daß das Unternehmen wieder volltändig ins Stocken gerieth.




6) Manecke, Beschreibungen der Städte, Aemter und adelichen Gerichte im Fürstenthum Lüneburg, I. Band, Celle 1858, S. 57.
7) Vergl. Crull, Die Bisthums- und Kirchspielsgrenzen bei und in Wismar, im Jahrb. 41, S. 115-116.
8) Das Original des im Geh. und Haupt-Archiv aufbewahrten Quitzowschen Briefes hat deutlich die Jahreszahl LXXX. Diese muß jedoch verschrieben sein, da der Kurfürst Johann darin erwähnt wird, der erst von 1486 an regierte. Wahrscheinlich ist ein X aus Versehen fortgelassen und muß demgemäß 1490 gelesen werden, was auch am Besten zu dem Inhalt des Briefes passen würde.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar