Erfolge beim Bau des Grabens

Bereits im folgenden Jahre, 1565, übertrugen sie dem aus Siegen in Westfalen stammenden Mathematiker Tilemann Stella, der 1552 in die Dienste des Herzogs Johann Albrecht getreten war, und dessen unermüdlicher Arbeit alle späteren Erfolge beim Bau des Grabens zu verdanken sind, die Besichtigung des Terrains zwischen Viecheln und Wismar. Nach Stellas Memorial hätte sich der Graben von Viecheln durch den Lütten und Loostener See zu den Dörfern Moidentin und Meklenburg zu erstrecken. Vom Meklenburgischen Burgwall an könnte man entweder dem alten Wasserlauf und den fünf Mühlen daran folgen, oder den Graben über den Rothen Hut und die Klüßer Mühle weiterziehen; doch verdiene der letzte Weg den Vorzug, weil er licht, geräumig und gerade sei. Von der Klüßer Mühle sollte der Graben weiter nach dem Wismarschen Mühlenteich geführt werden. Auf der beschriebenen Strecke brauchte man zwischen Schweriner und Loostener See nur Herzog Albrechts Graben - drei Berge von 50, 70 und 170 Schritt Länge waren schon durchstochen - aufzuräumen, zwischen Loostener See und Moidentin wäre theilweise dichtes Holz zu entfernen, bei Moidentin und Meklenburg wären Anhöhen zu durchgraben, jenseits Meklenburg fände sich wohlgeräumter Grund vor. Zur Erläuterung seines Berichts wird Stella eine mit Tinte ausgeführte Stizze angefertigt haben, die noch heute im Archiv aufbewahrt wird.

Zur Ausführung kam der Stellasche Plan jedoch vor der Hand noch nicht. Während der nächsten Jahre nahm die Herstellung einer schiffbaren Wasserstraße zwischen der Schweriner Fähre und Dömitz die Herzöge ganz in Anspruch.


Im Herbst 1566 hatte Herzog Johann Albrecht auf seinem Gebiete vier Schleusen an der Stör und Elde fertig. Herzog Ulrich zögerte dagegen noch mit dem Bau seiner beiden Schleusen Zu Grabow und Eldena. Er wollte zuvor seines Bruders Zustimmung haben, daß die künftig einkommenden Zölle nicht nach der Zahl der von jedem erbauten Schleusen zwischen ihnen getheilt würden, sondern jedem zur Hälfte zu Gute kämen. Nach einigem Sträuben gab Johann Albrecht nach. Am 13. Mai 1567 wurde zu Doberan ein freundbrüderlicher Vertrag 1) zwischen beiden Herzögen zu ihrer gegenseitigen Sicherheit geschlossen, wonach ein jeder in seinen Aemtern auf seine Kosten die Schleusen bauen und die Ströme räumen lassen sollte. Die Kosten sollten nach den Registern ausgeglichen, auch die Einkünfte auf beide gleich vertheilt werden. Die Bestimmungen dieses Vertrages sind für die Zukunft grundleglich geblieben.

Demnächst trat auch Herzog Ulrich mit zwei Schleusenmeistern wegen der Schleusen zu Grabow und Eldena in Unterhandlung. Es wurde mit ihnen im Frühjahr 1567 verabredet, daß jede Schleuse 65 Ellen 2) (= 37,4 m) lang, 12 Ellen (= 6,9 m) breit und 4 Ellen (= 2,3 m) hoch erbaut und dem Schleusenmeister dafür 200 Rthlr., 1 Centner Speck, 4 Scheffel Roggen, 4 Tonnen Bier und ein frischer grüner Käse gegeben werde. In 8 Wochen, so meinte man, könne ein Schleusenmeister mit 7 Knechten, 15 Tagelöhnern zum Rammen und 6 Teichgräbern eine Schleuse erbauen.

Gleichzeitig mit der Verdingung der Schleusen besichtigte eine Kommission die Fahrt von der Fähre bis Dömitz. Sie setzte sich zusammen aus Tilemann Stella, dem Vertreter Johann Albrechts, aus Ulrichs Rentmeister Gabriel Brügmann und aus dem Bürgermeister Matthias Koch und zwei Bürgern Wismars. Diese fuhren am 23. Mai 1567 in einem Boote von 1 Elle (= 0,6 m) Tiefgang von Viecheln ab und langten am 27. Mai nach mühseliger Fahrt - sie hatten das Boot über viele flache Stellen hinüberziehen müssen - in Dömitz an. Auf der Rückkehr nach Wismar besichtigten die Kommissare auch die Strecke Viecheln-Wismar und gaben dann ihr Urtheil dahin ab, daß die Schifffahrt ohne erhebliche Kosten angerichtet werden könnte. Man müßte hauptsächlich darauf Bedacht nehmen, die flachen Stellen in der Stör zwischen Banzkow und Goldenstädt für einen Tiefgang der Schiffe bis zu 2 Ellen (= 1,2 m) zu vertiefen und zur Erleichterung des Treidelns der Schiffe das Buschwerk auf beiden Flußufern 10 Schuh (= 2,9 m) breit zu entfernen. Auf der Strecke südlich des Schweriner Sees hielt die Kommission 6 Haupt- und 2 Stauschleusen, und zwar Hauptschleusen zu Banzkow, Neustadt, Grabow, Eldena, Gorlosen und Eldenburg, Stauschleusen zu Plate und Banzkow, für erforderlich, von denen die Hauptschleusen zu Banzkow und Neustadt und die Stau- Schleuse zu Plate 3) bereits fertig waren. Auf der Strecke nördlich vom See brachte die Kommission sieben Hauptschleusen in Ansatz. Für die letzteren würde es jedoch ausreichen, wenn sie ein Schiff zur Zeit aufnehmen könnten.

Auffallend ist es, daß man im Anschlag von einer Schleuse bei Eldenburg trotz der früheren schlechten Erfahrungen mit Brandenburg nicht absah, vielmehr deswegen eine neue Sendung an den Kurfürsten anempfahl. In Brandenburg regierte noch Joachim II., der 1543 die Eldeschifffahrt auf seinem Gebiet dem Herzog Albrecht gewehrt hatte. Und er hatte seine Ansicht inzwischen nicht geändert. Als am 3. Februar 1568 die Herzöge Johann Albrecht und Ulrich um Freigabe der Schifffahrt nachsuchten und zugleich einen Abriß für eine Schleuse zu Eldenburg vorlegten, erfolgte aus denselben Gründen wie früher wieder eine abschlägige Antwort.

Die Folge war, daß der Bau der Schleuse zu Gorlosen sofort eingestellt wurde, und daß die Herzöge sich anderweitig zu helfen suchten. Am 6. April 1568 rieth der Wismarsche Rathsherr Heinrich Schabbelt in einem von ihm erforderten Gutachten, man möchte die Waaren vor der Hand von Gorlosen nach Dömitz über Land gegen ein mäßiges Fuhrgeld fortschaffen und zwar solange, bis der Kurfürst den Zollausfall merke und selbst um das nachsuche, was er jetzt abschlage. Tilemann Stella war dagegen für endgültiges Aufgeben der Unterelde und für Anlegung einer Wasserstraße zwischen Elde und Elbe auf meklenburgischem Gebiet. Die Herzöge entschieden sich zunächst für eine Besichtigung des Geländes zwischen Eldena, Gorlosen und Dömitz, und trugen sie einer Kommission, zu der Stella, Brügmann und Schabbelt gehörten, auf. Diese erkundete vom 29. April bis 1. Mai 1568, daß die direkte Verbindung zwischen Eldena und Dömitz, die durch viele Gräben und Brüche, durch das Witte Moor und ein sumpfiges Gehölz, Brandleben genannt, führte, vor sieben anderen möglichen Wegen den Vorzug verdiene. Zwar müßte man dort lange Strecken durch tiefen Treibsand graben, auch errege es einiges Bedenken, einen Fluß zum Schaden des Nachbars abzuleiten, doch käme dies gegen die bedeutenden Vortheile der Fahrt nicht in Betracht. Der Weg wäre der kürzeste, die ganze Wasserstraße läge auf meklenburgischem Boden und alle Zölle hätten die Herzöge zu erheben. Am 11. Mai überreichte Stella dem Herzog Ulrich zu Wismar den Kommissionsbericht und erlangte dafür die Genehmigung der beiden Herzoge.

So konnten denn noch in demselben Monat Stella und Brügmann mit Hülfe des Wallmeisters Jost Spangenberg und zweier Schleusenmeister den Graben ausmessen. Sie bestimmten am 27. Mai die Länge auf 62 Morgen 4) 280 Schuh. Für die Breite hielten sie 2-3 Ruthen 5) (16 - 24 Ellen oder 9,2 - 13,8 m), für die Tiefe 2 - 3 Ellen (1,2 - 1,7 m) für ausreichend. Die Gesammtkosten berechneten Sie auf 6942 oder 5145 1/4 fl., je nachdem man für die laufende Ruthe 8 oder 6 ßl. bezahle.




1) Original auf Papier in zweifacher Ausfertigung im Geh. und Haupt-Archiv, pacta domus.
2) 1 Elle = 2 Rostocker Fuß zu je 0,2876 m gerechnet. Der Rostocker Fuß scheint nach S. 210, Anm. 1 den Längenangaben für den Kanal im 16. Jahrhundert zu Grunde zu liegen.
3) Außer den 1567 fertigen drei Schleusen sind später die in Ansatz gebrachte Hauptschleuse zu Grabow und Stauschleuse zu Banzkow, außerdem eine Stauschleuse bei der Fähre ausgeführt worden, sodaß man zwischen Grabow und Fähre insgesammt auf sechs Schleusen kommt.
4) 1 Morgen = 300 Ruthen.
5) 1 Ruthe = 8 Ellen = 16 Fuß oder Schuh.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar