Entschluss der Herzöge von Mecklenburg

Da entschlossen sich denn die Herzöge von Meklenburg im Oktober 1575 durch eine eigene Gesandtschaft auf Herzog Wilhelm von Lüneburg einzuwirken. Jürgen von Below zu Kargow und Magister Andreas Mylius bekamen den Auftrag, darauf hinzuweisen, daß Lüneburgs Einnahmen sich in Folge des Schiffsverkehrs auf dem meklenburgischen Graben an sich, auch ohne die Zollerhöhung und die Ausschließung des Baisalzes, erhöhen würden. Falls die Bemühungen der Gesandten aber erfolglos blieben, sollten Sie damit drohen, daß alsdann auch die Abfuhr von Holz aus den meklenburgischen Landen auf der Schaalfahrt verboten werden würde. Aber auch diese Drohung blieb ohne Eindruck auf Herzog Wilhelm. Er erklärte auf die meklenburgischen Vorstellungen am 31. Oktober 1575, die neue Schifffahrt bringe nach seiner Ansicht ihm lediglich Schaden, weil die Waaren, die bisher auf Lübeck und von da auf Lüneburg geleitet wären, künftig ihren Weg von Wismar aus, ohne die lüneburgischen Zölle zu berühren, nach Oberdeutschland nehmen würden, und die Lüneburger Niederlage Abbruch erleide; deshalb könne er in die geforderten Zugeständnisse nicht willigen. Diese abschlägige Antwort überbrachte ein herzoglich meklenburgischer Gesandter im November 1575 dem Rath zu Hamburg. Der Gesandte schlug vor, die Schiffe durch Bewaffnete, wie im Stendaler Abschied vorgesehen war, zu schützen, und, falls man Widerstand fände, beim Kreisobersten des niedersächsischen Kreises, auch beim kaiserlichen Kammergericht klagbar zu werden. Aber Hamburg hatte vor der Hand augenscheinlich keine Lust, sich in fernere nutzlose Gesuche wegen der Schifffahrt einzulassen. Der Rath erklärte, vor Erbauung der Strecke Viecheln-Wismar böte der meklenburgische Wasserweg überhaupt dem Baisalzhandel wenig Vortheile; falls man die Viechelsche Fahrt jedoch in Angriff nehme, wollten Hamburg und die meklenburgischen Herzöge sich auf Grund der bereits ergangenen lüneburgischen Dekrete, d. h. also unter Gewährung des erhöhten Zolles, mit dem Herzog von Lüneburg vergleichen. so mußte der meklenburgische Abgesandte unverrichteter Sache heimkehren.

Am 31. Dezember 1575 empfahl Kurfürst August von Sachsen den Herzögen, die Sache beim Kaiser anhängig zu machen, damit dieser die Kurfürsten und Stände am Elbstrom noch vor kommendem Reichstag zur Berathung zusammenrufen könne. Ob dies geschehen ist, wie Herzog Johann Albrecht nach einem Briefe an seinen Bruder vom 15. Januar 1576 allerdings zu thun Lust hatte, läßt sich aus den Akten nicht ersehen. Genützt hat es jedenfalls nicht. Denn noch am 10. März 1579 mußte Kaiser Rudolf auf Bitten Hamburgs ein Verbotsmandat in dieser Angelegenheit an den Herzog von Lüneburg erlassen.


Doch nicht nur an die Hinwegräumung der lüneburgischen Hindernisse, sondern auch an die alsbaldige Festsetzung der Zölle auf der neuen Wasserstraße mußten die Herzöge denken, wenn der Schiffsverkehr sich aufnehmen sollte. Deshalb forderten sie in ihrem Schreiben vom 15. März 1575, worin sie die Eröffnung der neuen Fahrt Hamburg und Magdeburg anzeigten zugleich diese Städte auf, ihnen ein mäßiges Schleusengeld zur Erstattung ihrer Unkosten und zur Erhaltung des Grabens und der Schleusen vorzuschlagen, auch zum 25. April zu einer mündlichen Besprechung der Angelegenheit Gesandte nach Wismar abzuordnen. Die Herzöge hatten ursprünglich die Absicht, selbst auf diesem Tage zu erscheinen, standen dann aber in Folge einer Erkrankung des Herzogs Johann Albrecht und in der Annahme, daß die städtischen Abgesandten bei dieser ersten Verhandlung doch keine Vollmacht zu einer endgültigen Erklärung hätten, beide von ihrem Plane ab. Uebrigens hatte auch, wie vorausgesehen, die Zusammenkunft den gewünschten Erfolg nicht.

Die städtischen Abgesandten trafen zwar am 27. April sämmtlich in Wismar ein, empfahlen jedoch nur allgemein, das Schleusengeld nicht von den Waaren, wie die Herzöge wollten, sondern von den Schiffen zu erheben, und ließen sich auf Einzelheiten auftragsmäßig nicht ein. Wichtig für die späteren Verhandlungen ist dagegen das am 27. April 1575 übergebene schriftliche Bedenken der Hamburger und Magdeburger rücksichtlich dessen, „was zuvor (d. h. bevor die Städte sich zu einer Benutzung des Grabens herbeilassen wollten) mit den Herzögen erblich auf die neue Graft zu verrecessen sei.“ Auf den Inhalt wird später zurückgekommen.

Am 28. April zogen die von Wismar heimkehrenden fremden Gesandten die Fahrt hinauf und übergaben beim Abschied in Dömitz ein Verzeichniß der von ihnen gefundenen geringfügigen Mängel am Graben. Nach ihrer Schätzung brauchte künftig ein leeres Schiff zur Fahrt von Wismar-Schwerin 1 Tag, von Schwerin-Dömitz 2 Tage, von Dömitz-Hamburg 2 Tage und umgekehrt von Hamburg-Dömitz 3 Tage, von Dömitz-Schwerin 4 Tage, von Schwerin-Wismar 1 Tag. Für ein beladenes Schiff müßte man auf die Fahrt von Wismar-Schwerin 2 Tage, von Schwerin-Dömitz 4 Tage, von Dömitz-Hamburg 3 Tage und umgekehrt von Hamburg-Dömitz 3 Tage, von Dömitz- Schwerin 6 Tage, von Schwerin--Wismar 2 Tage rechnen.

Inzwischen hatte sich immer mehr die Nothwendigkeit herausgestellt, auch auf der Strecke Viecheln-Wismar eine fahrbare Wasserstraße anzulegen. Seitdem Schiffe von Viecheln zur Elbe hinunterfuhren, hatte man die Güter von Wismar bis zum Nordende des Schweriner Sees und umgekehrt auf Wagen fortgeschafft, die nach herzoglicher Verordnung die benachbarten Amtsunterthanen gegen ein feststehendes Fuhrgeld zu stellen hatten. Diese waren ihrer Verpflichtung jedoch stets, besonders zur Saat- und Erntezeit, wo sie ihre Pferde auf längere Zeit nicht wohl entbehren konnten, nur ungern nachgekommen. Nicht weniger waren die Kaufleute und Schiffsherren mit dieser Einrichtung unzufrieden. Sie behaupteten, daß trotz des mäßigen Fuhrgeldes bei vielen Waaren der ganze Gewinn durch die Wagenfracht verloren ginge.

Hingewiesen war auf diesen Uebelstand mehrfach von berufenster Seite: 1568 seitens der Stadt Wismar in einem ausführlichen Erachten, am 29. Januar 1573 von Stella und Brügmann. Bisher war man jedoch auf Herzog Johann Albrechts Rath, der ein zersplittern der Kräfte vermeiden wollte, nicht darauf eingegangen. Als aber 1575 an der Strecke Viecheln- Dömitz nichts Wesentliches mehr zu thun war, traten die Herzöge sogleich mit der Stadt Wismar, von deren Zugeständnissen die Ausführung des Baues hauptsächlich abhing, in Unterhandlung.

Nach längeren Vorberathungen, auf die hier einzugehen zu weit führen würde, traten am 20. September 1575 Herzog Johann Albrecht und eine Reihe seiner hervorragendsten Beamten mit den Wismarschen Bürgermeistern Dionysius Sager und Matthias Koch und einigen Rathsherren,. darunter Heinrich Schabbelt, in Wismar zu einer Besprechung zusammen. Man unterhandelte über drei Punkte:

1) über die Hamburger und Magdeburger Artikel vom vergangenen April,

2) über den Waarentransport von Viecheln nach Wismar bis zur Vollendung des Grabens,

3) über die Erstattung der Unkosten an die Herzöge.

Zu dem ersten Punkt gehörte hauptsächlich das von den Herzögen geforderte Stapelrecht in Wismar, d. h. das Recht, daß dort die Kaufleute alle Waaren ausschiffen und zu einem von der Behörde festgesetzten Preis zu Kauf anbieten mußten. Wismar schloß sich hierin der Ansicht Hamburgs und Magdeburgs an: die Herzöge dürften ein solches Vorkaufs- oder Anhaltungsrecht nicht fordern. Eine Art Niederlage der Waaren würde in Wismar ohnehin eintreten, weil die Waaren dort aus den großen Seeschiffen in die kleinen Kanalschiffe und umgekehrt umgeladen werden müßten. Ein Schleusengeld mochte man, so war Wismars Ansicht, von den Schiffen und nicht von der Ladung erheben, weil letzteres zu umständlich sei. Die Höhe des Schleusengeldes könnte man nach den Schleusenrollen der Stecknitz bestimmen. Da zwischen Viecheln und Wismar ein Schiff nicht über 12 Last Waaren tragen könne und täglich den Graben wohl 10 Schiffe auf- und niederführen, würde nach den Sätzen der Stecknitzfahrt genug Geld einkommen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar