Die Schleusen

Der dritte Strich (Viechelsche Fahrt, Schiffgraben) erstreckt sich von Viecheln bis Wismar und ist 54 Morgen (= 1 Meile 24 Morgen) 41 Ruthen 4 Ellen lang. 68 Ellen 10 1/2 Zoll (= 39,6 m) liegt der Schweriner See höher als das Haff. Schleusen sind hier zwölf geplant und zum größten Theil fertig gewesen: 1. Schleuse am Ende des dritten durchgrabenen Berges, 2. Schleuse am Abfluß des Loostener Sees, 3. Schleuse am Ende des Moidentiner Berges, 4. Schleuse im Moidentiner Mühlendamm, 5. Schleuse am Meklenburger Teiche, 6. Schleuse am Ende des Meklenburger Berges, 7. Schleuse am Ablauf des Plessen-Teiches, 8. doppelte Schleuse am Rothen Hut, 9. Schleuse bei Rosenthal, 10. Schleuse an der Klüßer Mühle, 11. Schleuse vor dem Meklenburger Thor, 12. Schleuse an der Sägemühle beim Lübschen Thor. Soll die Fahrt durch die Stadt gebaut werden, so muß die 11. Schleuse unter der Fallbrücke beim Altwismarschen Thor und die 12. Schleuse bei der Mühle in der Stadt liegen; dann ist der Strich nur 53 Morgen 43 Ruthen 5 1/2 Ellen lang.

Im Ganzen befanden sich zwischen Dömitz und Wismar 29 Schleusen.


Nachdem die Arbeiten an der Schifffahrt soweit fortgeschritten waren, mußte man ihre Vollendung für die nächste Zeit bestimmt erwarten. Trotzdem ist dies nicht eingetreten. Sucht man nach den Gründen, die dies veranlaßt haben, so findet man, daß in erster Linie die Schuldenlast der jungen Herzöge Johann und Sigismund August, doch auch die des Herzogs Ulrich, irgend welche namhaften Aufwendungen für den Kanal damals nicht zuließen. Die Landtage vom Januar und Juni 1583 zu Neubrandenburg und Sternberg 13) verweigerten jede Beihülfe. Herzog Ulrich mochte jedoch ohnehin nicht geneigt sein, den Kanalbau erheblich zu fördern, dessen Kosten beiden Herrschaften nach dem Vertrage vom 13. Mai 1567 gleichmäßig zur Last fallen sollten, und die er bisher zum größeren Theile getragen hatte. Und Wismar? Wismar stand seit dem Herbst 1581, als der Kanal nicht fertig war, unter dem Druck fortwährender Mahnbriefe Hamburgs, das die vorgestreckten 2000 fl. zurückhaben wollte. Aus den Jahren 1581-1605 sind nicht weniger als achtzehn immer dringender werdende Mahnbriefe 14) Hamburgs und noch mehr Antwortschreiben Wismars, die die Noth der Stadt recht erkennen lassen, im Wismarschen Rathsarchive erhalten. Daß deshalb bei der Stadt kein Muth zu weiteren Ausgaben für den Kanal vorhanden war, läßt sich verstehen. Schließlich verließ Tilemann Stella 1582 den meklenburgischen Hofdienst, nachdem er 18 Jahre unermüdlich für die Kanalsache thätig gewesen war. Fortan fehlte es an einem Mann, der wie Stella als Fürsprecher für den Kanal aufgetreten wäre und die ins Stocken gerathenen Arbeiten wieder in Fluß gebracht hätte.

Trotzdem hielt man zunächst noch an der Hoffnung fest, den Graben in absehbarer Zeit vollendet zu sehen, hat auch vielleicht langsam daran fortarbeiten lassen. Als Herzog Ulrich 1586 das heimgefallene Lehngut Moidentin dem Adam von Preen übertrug 15) behielt er sich den Mühlenteich und Graben mit 2 Ruthen (= 9,12 m) Land zu beiden Seiten des Grabens vor, damit die Schiffe nach Vollendung desselben unbehelligt vorüberfahren könnten. Damals war also der Graben noch nicht fertig.

Weitere Auskunft über die Schicksale des Grabens im 16. Jahrhundert gewährt das hiesige Archiv nicht. Nun hat aber der Bürgermeister und Stadtsyndikus Dr. Leonhard Elver zu Lüneburg (gest. 28. Dezember 1631) eine Chronik geschrieben, in der er auch der meklenburgischen Schifffahrt gedenkt. Er erzählt über die weiteren Schicksale des Grabens, daß 1594 der Lüneburger Barmeister versucht habe, mit einigem Salz zu Wasser nach Wismar zu gelangen, was Erfolg gehabt habe. Nachher sei aber der Kanal zwischen Viecheln und Wismar wieder schadhaft geworden, weil die Erde nachgeschossen sei, und von Wismar der Kanal trotz der von Lüneburg angebotenen Hülfe nicht ausreichend reparirt sei. 16)

Diese Elversche Nachricht läßt einen interessanten Schluß auf den Zustand des Grabens im Jahre 1594 zu. Möglich war die Durchfahrt der lüneburgischen Schiffe nur dann, wenn damals die sämmtlichen Schleusen bis zum Wismarschen Mühlenteich in den Häuptern vollendet waren. Dagegen konnten die Steinwände zwischen den Häuptern sehr wohl noch fehlen und die unbekleideten Seitenwände vorläufig aus Sand und Erde aufgeführt sein. Auf diese Weise erklärt sich am besten der schnelle Verfall des Grabens. Bald stürzten die Seitenwände der Schleusen ein, sodaß die Durchfahrt von Schiffen zuerst schwierig, dann ganz unmöglich wurde. Später gaben dann auch lange Uferstrecken des Kanals auf sandigem Boden nach, die hölzernen Schleusenthore verfaulten Mangels jeglicher Reparatur, um die Steinwände der Schleusenhäupter herum bahnte sich das Wasser einen neuen Weg. Schließlich war der Graben ganz verschlammt und verkrautet. Das trug natürlich nicht dazu bei, die Vollendung des Grabens den betheiligten Kreisen nahe zu legen und anzuempfehlen. Am 12. August 1595 schrieben bereits die Hamburger in einem Mahnbrief an Wismar, daß fast keine Hoffnung auf Vollendung des Werkes bestehe, und am 28. Januar 1597, daß die Schifffahrt längst aufgegeben sei. Auch Elver erwähnt in seiner Chronik, daß man seit etlichen Jahren Zweifel trage, ob diese Schifffahrt empor kommen werde. Damit ist eins der größten nationalökonomischen Werke zu Grabe getragen, die unser engeres Vaterland jemals unternommen hat.

Die Ergebnisse der bisherigen Ausführungen lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: die Baukosten für die neue Elde von Dömitz bis Eldena betrugen rund 35 000 fl., wobei die Arbeiten an den Schleusen, über welche bestimmte Angaben fehlen, nicht mitgerechnet sind. Die bisherigen Baukosten der Viechelschen Fahrt machten rund 20 000 fl. aus.




13) Geh. und Haupt-Archiv, Acta convocationis ad comitia aus dem Güstrower Archiv.
14) Wism. Rathsarchiv, Tit. X, N.1, Vol. 1.
15) Geh. und Haupt-Archiv, Feud. Moidentin.
16) Die Elversche Chronik im Lüneburger Stadtarchiv (ex libris Francisci Henrici Reimers) Bd. I, S. 248 ff., giebt wörtlich an: „In den letzten Jahren Herrn Herzog Wilhelms zu Braunschweig und Lüneburg Regierung ist eine neue Schiffahrt im Lande zu Mechlenburg, welche viel Jahr vorher angefangen, ferner zu Werk gestellet, und ist es bei Anfang Herzog Ernsten Regierung Ao. 1594 soweit kommen, daß man auch aus dieser Stadt durch den damaligen Barmeistern mit Abschickung etliches sommergoßen Salzes ein Versuch thun lassen, ob man damit von hinnen bis auf Wismar fortkommen und sich solcher Schifffahrt gebrauchen können - welches denn feliciter von statten gangen.“ Und weiter: „Es ist zwar solche Fahrt insonderheit oberwärts zwischen der Fichtell und Wismar etwas unfertig worden, und weil der Grund nicht fest, die Erde zu etlichen Malen nachgeschoßen, auch an der Reparation etwas Mangel erschienen, weil sich die Hülfe bei denen von Wismar nicht erfolget; wie man denn auch deswegen etlichemal vergeblich angehalten und auf gewisse conditiones mit Geldhülfe zu succurieren begehret, also daß nun etliche Jahr hero von solcher Fahrt, daß es damit recht im Schwange sollte kommen können, gezweifelt.“ (Nach Mittheilung des Stadtarchivars Dr. Reinecke zu Lüneburg.) Vergl. Kraut, Geschichte der Lüneburgischen sogen. Schaalfahrt, in Annalen der Braunschweig-Lüneburgischen Churlande, Hannover 1787, 1, 2. Stück, S. 20 bis 22, wo auf S. 22 die Zahl 1592 offenbar verdruckt ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar