Bau des Kanals

Lange Zeit hören wir dann Nichts mehr von der neuen Schifffahrt. Erst aus dem Jahre 1531 berichtet eine wendische Chronik: 9) „Ys ok van der stat Wyßmare vnde dorch hertigen Albrecht van Mekellenborch beginnet worden eyn nye graue van der Wyßmer in de Swerinesken ßee vnde van daer in de Eldena vnde ßo vort in de Elue to schepende na Hamborch.“ Es ist auffallend, daß Herzog Albrecht damals den Bau eines Wasserweges unternahm, an dessen Rentabilität nicht zu denken war, wenn man nicht zu Schiffe auf der Elde über brandenburgisches Gebiet hinweg in die Elbe gelangen konnte. Albrecht hatte jedoch 1524 Anna, die Tochter des Kurfürsten Joachim I., als Gattin heimgeführt. Er mochte hoffen, bei solchen nahen Beziehungen zum brandenburger Hof die Freigabe des Passes bei Eldenburg unschwer zu erlangen, sobald man die Fahrt auf meklenburgischem Gebiet vollendet sähe.

Gleichzeitig mit dem Bau des Kanals entfaltete Herzog Albrecht eine rege Thätigkeit auf diplomatischem Gebiet. Er suchte die benachbarten Fürsten und Stände von dem Nutzen der neuen Schifffahrt zu überzeugen und sie zur Hergabe von Geldmitteln zu bestimmen. 1531 verhandelte Wismar in seinem Namen mit Magdeburg. Es fuhr ein Wismarsches Schiff mit etlichen Last Heringen „auf ungewöhnlicher und vorher ungehörter Fahrt“ von dem Nordende des Schweriner Sees durch die Stör und Elde nach Magdeburg und überbrachte das Gesuch um Vorstreckung von Geldmitteln. Aber Magdeburg lehnte jede Hülfe ab, weil es auf die Ausbesserung der Festungswerke und wichtiger Stadtgebäude zur Zeit viele tausend Gulden verwenden müsse. Nicht besser erging es Herzog Albrecht, als er 1531 durch Vermittelung der Königin Marie von Ungarn den Kaiser Karl V. für die Schifffahrt, deren Baukosten er auf höchstens 14000 Goldgulden schätzte, zu interessiren versuchte. Auch hier erhielt er Abschlag. Am 2. Februar 1532 ging der meklenburgische Amtshauptmann Jochim v. Karlewitz in besonderer Botschaft nach Hamburg und suchte wenigstens 6000 fl. zu erlangen, damit bei künftigem guten Wetter eifrig am Graben gearbeitet werden könne. Aber auch seine Bitte hatte keinen Erfolg. Der Rath vertröstete Herzog Albrecht auf die Zukunft. Wenn der Graben fertiggestellt sei und sich zuträglich für den Hamburger Handel erweise, wolle man weiter verhandeln. Und von diesem Standpunkt ließ sich der Rath sogar nicht durch die verlockendsten Zusagen an Freiheiten und Privilegien auf dem neuen Graben und durch das Versprechen, die vorgestreckte Summe sammt den auflaufenden Zinsen aus den Schifffahrtszöllen demnächst zurückzuzahlen, abbringen. Danzig umschrieb seine Ablehnung 1534 damit, daß es warten wolle, bis Hamburg sich endgültig erklärt habe. Selbst Wismar zeigte wenig Lust, erhebliche Geldbeiträge vor der übrigen Landschaft voraus zu leisten.


Zu allen diesen Mißerfolgen kam noch hinzu, daß die Verhandlungen mit Brandenburg keineswegs günstig abliefen, wie Herzog Albrecht erwartet haben mochte. Als 1533 sich das Gerücht verbreitete, der Herzog wolle persönlich die Elbe hinunterfahren und den Unterlauf des Flusses auf brandenburgischem Gebiet besichtigen, warnte ihn Kurfürst Joachim ernstlich davor. Er habe seinem Hauptmann in der Priegnitz und den Quitzows zu Eldenburg befohlen, die meklenburgischen Schiffe nöthigenfalls mit Gewalt zurückzuhalten. Durch solche Drohung ließ sich Herzog Albrecht nun freilich nicht einschüchtern. Er und seine Gemahlin, Kurfürst Joachims Tochter, zogen im Mai desselben Jahres mit zwei beladenen Schiffen die Elde hinunter und ließen die Tiefe und Breite des Flusses bei Eldenburg ausmessen, ohne daß der brandenburgische Hauptmann etwas dagegen ausrichten konnte. Einen dauernden Erfolg hatte Albrecht jedoch nicht. Kurfürst Joachim beklagte sich bitter über die Gewaltthat und forderte die Auslieferung der Schiffe, die den Frieden gebrochen hatten; er traf auch Vorkehrungen, daß sich ein solcher Vorgang nicht wiederholen konnte.

1535 starb Kurfürst Joachim I., und es folgte ihm sein Sohn Joachim II. (1535-1571). Wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt versuchte Herzog Albrecht nochmals den Weg gütlicher Unterhandlung. Die brandenburgische Landschaft, der Joachim die Sache vorlegte, berief sich jedoch 1543 auf ihre Privilegien, in denen ihnen verbrieft war, daß keine Schifffahrt auf der Elde betrieben werden sollte. So schlug denn auch Joachim II. das Gesuch ab mit der Begründung, daß er dies Gelöbniß nicht brechen könne. 1544 stellte Magdeburg nochmals bei Joachim vor, welche Vortheile er aus den Schiffszöllen auf der Unterelde ziehen werde, wenn es den Herzögen von Meklenburg gelänge, den ganzen Ostseehandel, besonders von Reval, Riga und Danzig, auf Wismar und durch die neue Schifffahrt in die Elbe zu leiten. Aber auch dies fruchtete nichts.

Ein weiteres Hinderniß für eine künftige gedeihliche Entwickelung des Verkehrs auf der neuen Wasserstraße drohten die hohen Zölle, mit denen Herzog Ernst von Lüneburg die elbabwärts oder elbaufwärts fahrenden Schiffe bei seinen Zollstätten Bleckede, Hitzacker und Schnakenburg belegte, und der Ausschluß des Baisalzhandels von der Elbschifffahrt, also auch von der Fahrt auf dem meklenburgischen Graben, abzugeben. Um dies Vorgehen lüneburgischerseits zu verstehen, müssen wir etwas in die Vergangenheit zurückblicken.

Die Stadt Lüneburg nahm von Alters her ein weitgehendes Stapelrecht für sich in Anspruch. Danach mußten alle für Oberdeutschland bestimmten Waaren von Hamburg und Lübeck und anderen elbabwärts gelegenen Städten und Staaten aus auf dem Wasser- oder Landwege nach Lüneburg geschafft und dort abgelegt werden, von wo sie dann von den Lüneburgern auf derAchse weiter nach Braunschweig, Meißen, Thüringen, Franken, Hessen gefahren wurden. Umgekehrt mußten auch die aus den oberdeutschen Ländern kommenden Waaren sich der lüneburgischen Niederlage unterziehen.

Die Herzöge von Lüneburg schützten dies Recht Lüneburgs, hielten zuwiderhandelnde Schiffer auf ihren Elbzollstätten an und wiesen sie an die Stadt, als die alte gewöhnliche Niederlage, oder erhoben selbst hohe Zölle von den vorüberfahrenden Schiffen. Dagegen vertraten hauptsächlich Hamburg und Magdeburg die Ansicht, die Schifffahrt auf der Elbe müsse als auf einem flumen publicum einen Jedem freistehen und sei auch von jeher frei gewesen, obgleich diese Städte selbst ein Stapelrecht besaßen und durch Zwangsmittel aufrecht erhielten.

1544 hegte Herzog Albrecht den abenteuerlichen Plan, die Elde unter Benutzung verschiedener kleiner meklenburgischer Wasserläufe mit der Elbe bei Boizenburg zu verbinden und also die lüneburgischen Zollstätten zu vermeiden. Es handelte sich darum, die Sude und ihren Nebenfluß, die Rögnitz, schiffbar zu machen und letztere durch einen Kanal mit der Elde bei Eldena zu verbinden. Man wollte dann auf dem weiten Umweg, die Elde aufwärts, durch die südlichen Seeen Meklenburgs, die Havel abwärts, bei Havelberg wieder in die Elbe gelangen. 10) Einzelheiten dieses Planes sind aus den Acten nicht zu erkennen. Um Michaelis 1544 fanden jedoch Unterhandlungen zwischen meklenburgischen und Hamburger Abgesandten bei Grevenhof in der Nähe Hamburgs statt, wobei wieder 6000 ft. als erstes Darlehn von Hamburg verlangt wurden. Im Ganzen wünschte Herzog Albrecht 16000 fl. nach und nach zu erhalten. Es war vorauszusehen, wie es auch geschah, daß dies weitausschauende Unternehmen, bei dem man größtentheils auf fremde Hülfe angewiesen war, ins Wasser fallen würde.




9) „Eyn kort Vttoch der Wendeschen Cronicon“ bei Lappenberg, Hamburgische Chroniken in niedersächsischer Sprache, Hamburg 1861, S. 288. Aehnlich eine Hamburger Chronik von 799-1559 bei Lappenberg, S. 428.
10) Vgl. dafür u. A. den Brief Herzog Abrechts an Hamburg von 1545 im Hamburger Staatsarchiv Cl. I, Lit.Sd, N. 14, Vol. , Fasc. 1 a.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar