Bau der Schleusen und Stauschleusen

Bislang waren die Beiträge zum Grabenbau ohne bestimmte Regel von beiden Herrschaften geleistet worden, wie und welcher Art sie ihnen gerade zur Verfügung standen. Bald hatten sie Geld, bald Lebensmittel mannigfachster Sorte, die ohnehin von den Arbeitern gekauft werden mußten und deshalb gern an Geldes statt angenommen wurden, beigesteuert. so war allmählich jede Uebersicht verloren gegangen, wieviel eine jede Herrschaft beigetragen hatte und wieviel im Ganzen verwandt war. Mit der Ausrechnung dieser Summen beauftragte Herzog Ulrich am 7. September 1580 Brügmann, Stella und den Schwerinschen Rentmeister Jochim Schönermark. Da letzterer geschäftlich behindert war, machten sich Brügmann und Stella am 28. September in Wismar allein ans Werk. Sie stellten fest, daß in der Zeit vom 10. Juni 1577 bis 28. September 1580, alles zu Gelde gerechnet, 15250 fl. verbraucht seien, zu welcher Summe Herzog Ulrich etwa 5/7, seine jungen Neffen 2/7 beigetragen hätten. Für die Zeit vom 28. September bis 22. November 1580 kamen noch 2286 fl. hinzu, von denen die Schweriner Herzöge den größten Theil erlegten. Die Gesammtkosten des Grabens Viecheln-Wismar hatten sich also bis Ende 1580 auf 17536 fl. erhöht Das Verhältniß der Beiträge Herzog Ulrichs zu denen seiner Neffen war damals etwa 2 zu 1.

Es blieb nun noch übrig, die erforderlichen Schleusen auf dem Kanal Viecheln-Wismar herzustellen. Am 27. Januar 1581 wurde der Maurermeister Jakob Barold verpflichtet, alle Schleusen, sowohl doppelte und einfache, als auch Stauschleusen anzulegen und die Seiten und den Boden unter dem Wasserfall mit behauenen Feldsteinen, den Rest des Bodens mit gewöhnlichen Feldsteinen zu bekleiden. Er sollte für 32 Wochen Arbeit für sich 100 Rthlr., für einen Meisterknecht wöchentlich 1 Rthlr., für jeden mit der Kelle arbeitenden Knecht 1 fl. und für jeden Handlanger 12 ßl., außerdem alle Wochen Lebensmittel für zwölf Personen erhalten. Materialien und Wohnungen sollen ihm geliefert werden. Neun Schleusen wurden in Ansatz gebracht, die liegen sollten am Schweriner oder Lütten See, über und unter dem Loostener See, bei der Moidentiner Mühle, im Moidentiner Berge, im Meklenburger Berge, zu Rosenthal, über und im Rothen Hut, außerdem noch zwei Schleusen, wenn die Stauung es erfordere. Alle diese Schleusen sollten nur so breit und lang sein, daß ein Schiff hindurchlaufen könne, und da Brügmanns Schiff mit 70 Schuh (= 20 m) das längste auf dieser Fahrt ist, so hielt man es trotz des Beschlusses vom 8. Juni 1577 (S. 222) für ausreichend, den Schleusen eine Länge von 95 Schuh (= 27,3 m) und eine durchgehende Breite von 18 Schuh (= 5,1 m) zu geben. Fast gleichzeitig wurde der Wallmeister Jost Spangenberg dazu bestellt, die Gräberarbeiten im Tagelohn zu vollenden. Von der Leitung des Unternehmens trat Hans von der Lühe im März 1581 zurück, von da an besorgte ein Schreiber, Johann Nagel, die schriftlichen Arbeiten unter des Küchenmeisters Claus Hidde zu Meklenburg Aufsicht.


In diese Zeit fällt eine neue Gesandtschaft der Stadt Lüneburg an Wismar. Heinrich Husanus 8) derselbe, der schon 1572 und 1574 für die lüneburgischen Interessen thätig gewesen war, sollte im Juni 1581 dem Wismarschen Rath erklären, daß Lüneburg nicht abgeneigt sei, die Salzfuhren, wie es in alten Zeiten Gebrauch gewesen wäre, wieder auf Wismar zu leiten. Zugleich sollte er sich über die Verhältnisse des Grabens genau unterrichten. In Wismar ist Husanus zweifelsohne gewesen; das beweist seine im Wismarschen Rathsarchiv erhaltene Instruktion. 9) Was er aber ausgerichtet hat, ist nicht bekannt.

Bei der letzten Besichtigung und Ausmessung der neuen Schifffahrt, die Tilemann Stella und Gabriel Brügmann vom 21. bis 25. August 1581 vornahmen, wurde hauptsächlich beanstandet, daß man eine Stauschleuse hart am Schweriner See angelegt habe, wo Sie ihren Zweck nicht erfülle; sie gehöre an den Loostener See zu Anfang des Berges. Diesem Mangel müsse also bei Gelegenheit abgeholfen werden. Im November 1581 waren noch mehrere Schleusen zu erbauen, auch hatte die Stadt den Graben auf ihrem Gebiet keineswegs fertig, besonders war die Verbindung mit dem Haff durch oder neben der Stadt noch nicht hergestellt. Von der Höhe der Baukosten während des Sommers 1581 läßt sich aus den erhaltenen Registern ein genaues Bild nicht gewinnen, weil die Preise einiger Lebensmittel, die in Geld umgerechnet werden mußten, unbekannt sind. Annähernd waren es 2000 fl., sodaß man auf rund 20 000 fl. als Gesammtkosten der bisherigen Arbeiten an der Strecke Viecheln-Wismar kommt.

Die zu Ausgang des Jahres 1581 noch ausstehenden Arbeiten hinderten nicht, daß damals und zu Anfang 1582 Tilemann Stella auf herzoglichen Befehl eine Ichnographie, 10) nämlich einen Grundriß und eine Beschreibung der Fahrt, abfaßte und sie den an der Fahrt interessirten Fürsten und Städten übersandte. Nachweislich sind an Herzog Ulrich, den Kurfürsten von Sachsen und die Städte Hamburg, Wismar, Lüneburg, Rostock und Magdeburg nach einander Exemplare der Ichnographie mit einem Begleitschreiben abgegangen. Das für den Herzog Ulrich angefertigte Exemplar 11) wird noch jetzt im Geh. und Haupt-Archiv aufbewahrt, ist aber mit der Zeit ganz zerfallen. Dies war die Veranlassung, daß Herzog Friedrich 1764 davon eine auf ein Viertel des Originals verkleinerte Kopie 12) von dem Landmesser Schumacher nehmen ließ. Den Charakter der Schrift auf der alten Karte hat dieser nicht wiedergegeben, sondern die ihm geläufigen Schriftzüge angewandt. Die auf der alten Karte befindliche Kanalbeschreibung hat Schumacher nur zum Theil lesen können und bei den unlesbaren Worten Lücken auf seiner Kopie gelassen, doch läßt sich der genaue Wortlaut aus gleichzeitigen Abschriften leicht ergänzen. Die Zeichnung der Flüsse und Seen der Stellaschen Karte ist von Schumacher ziemlich genau getroffen worden. Die Schleusen der Strecke Viecheln-Wismar sind, wie bei Stella, so eingetragen, als ob sie sämmtlich fertig wären, doch stimmt ihre Lage nicht durchgehends mit den Angaben der Ichnographie überein. Bei Wismar ist nur der Weg um die Stadt, dem also 1582 als der billigere doch wohl der Vorzug vor dem durch die Stadt führenden gegeben war, eingezeichnet worden.

Die Ichnographie theilt die Wasserstraße in drei sogenannte Striche. Der erste Strich (neuer Graben, neue Elde) reicht von Dömitz-Eldena und ist 62 Morgen (= 2 Meilen 2 Morgen) 46 Ruthen und 6 Ellen lang und hat einen Wasserfall bei hohem Stand der Elde von 22 Ellen (= 12,6 m), sonst gewöhnlich von 21 Ellen 3 Zoll (= 12,2 m). Auf diesem Strich befinden sich elf Schleusen, nämlich: 1. Steinschleuse vor Dömitz, 2. Schleuse in der Kuhtrift, 3. Schleuse bei der Walkmühle, 4. die Schnakenschleuse, 5. Schleuse vor dem Brandleben, 6. Schleuse auf der Kalißer Heide, 7. Schleuse vor dem Witten Moor, 8. die Göhrensche Schleuse, 9. die Spitze Schleuse, 10. die Stucker Schleuse, 11. die Schleuse zu Eldena vor der Brücke.

Der andere Strich geht von Eldena die Elde und Stör hinauf und über den Schweriner See hin bis Viecheln. Die Länge beträgt zu Wasser gegen 18 Meilen, zu Lande nicht mehr als 10 Meilen. Die Schleusen auf dieser Strecke sind nicht angegeben, doch sind sechs vorhanden gewesen, deren Lage sich aus Seite 207 ergiebt.




8) Siehe S. 212 und 213.
9) Wismarsches Rathsarchiv, Tit. X, N. 1, Vol. 1.
10) Gedruckt bei Pötker, Neue Sammlung Mecklenburgischer Schriften und Urkunden, IV. Stück, Wismar und Leipzig 1746, (S. 24-30.
Ueber den nach der Ichnographie und nach anderen Ermittelungen vom Baudirektor H. Hübbe gezeichneten Plan und Längenschnitt des Kanals siehe die Anlage.
11) Für das Aufziehen desselben auf Leinewand zahlte der Herzog 3 Rthlr., vergl. Jahrb. 9, S. 201, Anm. 2.
12) Dem Aufsatz ist ein von der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei auf photographischem Wege angefertigter Ausschnitt aus der Schumacherschen Kopie in verkleinertem Maßstabe beigegeben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar