Abschnitt 2

Die erste gothische Inschrift ist ohne Zweifel eine Bau-Inschrift auf die Wölbung des westlichen Mittelschiffes und des Kreuzschiffes durch die Stralsunder nach dem Jahre 1407 gewesen; die jüngste Inschrift hat sicher Bezug auf die Erbauung der Orgel und des Orgel-Chors in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehabt. Hiermit scheint auch die Nachricht übereinzustimmen, welche Hederich in seiner Schwerinischen Chronika S. 19 flgd. giebt. Nachdem er die bekannte Geschichte erzählt hat, wie die Stralsunder im Jahre 1407 drei Priester verbrannt haben, sagt er, daß die Untersuchungsrichter „der Stadt Stralsund diese Poen zur Buße auflegten, daß sie die Thum-Kirche zu Schwerin vom Chor an bis zum Glocken-Thurm in die hundert und funftzig Schuhe lang welben sollen und zum ewigen Gedechtnis ihre mordliche That sambt der Peen zu Ende des Gewölbes schreiben lassen, welches auch also vollenzogen und geschehen. Die Worte am Ende des Gewölbes über der Orgel nach dem Glockenthurm lauteten also:

„Jesus Maria“.

...


„Diese Worte syn im Jahre 1560, da die neue Orgel gebauet (vgl. S. 41 flgd.), mit Farben und anderen Gemälden überstrichen worden, sollten aber billig zum Gedächtniß auf einen andern Ort gleichslauts zuvor geschrieben worden sein!!“

Die von Hederich mitgetheilte Inschrift ist also ohne Zweifel die oben erwähnte erste Inschrift auf die Wölbung des Chors. Aber sie stimmt in der jetzt wieder entdeckten ersten Zeile mit der ursprünglichen Inschrift im Wortlaut nicht überein.

Ohne Zweifel zuverlässiger ist der Wortlaut, den Reimar Kock in seiner Chronik, nach einer vielleicht gleichzeitigen Abschrift auf der Regierungs-Bibliothek zu Schwerin, folgendermaßen giebt:

...



...


Grautoff Lüb. Chron. II, S. 614, theilt die Stelle aus einer andern Handschrift eben so mit, giebt aber im Einzelnen kleine Abweichungen. Diese Inschrift ist ohne Zweifel die richtigere, da Reimar Kock sie noch selbst gesehen hat. Auch Otto Fock in den Rügensch-Pommerschen Geschichten IV, S. 135, hält diesen Text für ursprünglicher, als den von Hederich mitgetheilten. Bei Hederich fehlt die Jahreszahl, und er hat im Anfange auch nicht richtig gelesen, oder eine mangelhafte Abschrift gehabt. So las er im Anfange: ... statt ... Aber auch Reimar Kock lieset im Anfang unrichtig: Na deme iare Christi, statt In deme iare gades.

Wir erfahren durch Reimar Kock wohl die richtige Jahreszahl (1416) der Vollendung der Wölbung; die früher angenommenen Jahre 1407 oder 1430 können wohl nicht richtig sein.

Mit der jetzt aufgefundenen Zeile der Inschrift stimmt auch die Beschreibung des stralsundischen Chronikenschreibers Johann Berckmann (S. 7) überein, welcher um die Mitte des 16. Jahrhunderts (noch vor dem Orgelbau) berichtet:

„Dar steitt noch heutiges dages mit g roten roden
bockstauen angeschreuen: „Dit hebben de Sundeschen
moten buwen datt se de papenn vorbrantt hadden“. De
dar gewest hofft, de mugo dath sehen unde leßen“.

Vgl. Jahrb. XIII, S. 158.

Unterhalb dieser Malerei fand sich wieder eine andere Inschrift in großen, rothen Buchstaben, von denen sich nur eine Jahreszahl

1342


erkennen ließ; die drei ccc und das x waren ziemlich deutlich. Dies würde ungefähr die Jahreszahl 1342 geben, welche, freilich etwas früh, in gothischer Minuskel geschrieben war.

Noch etwas weiter unterwärts auf der Orgelwand, ungefähr in der Höhe der Friese unter den (Ober-) Fenstern des Mittelschiffes, wo die Bauinschrift mit der segnenden Hand stand, ungefähr in der Höhe der Orgelkrönung, stand mit rothen Buchstaben (zur rechten Hand in der Ansicht):

...


Vielleicht bezieht sich diese Inschrift auf einen frühern, nicht so hohen Orgelbau, oder auf den Baumeister der Stralsunder Wölbung. Die Buchstaben waren 6 Zoll hoch.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Dom zu Schwerin