Abschnitt 1

Inschriften auf der südlichen Seitenwand des Mittelschiffes.


Vielleicht eine der merkwürdigsten Verzierungen des Domes sind einige kurze Inschriften am Westende des Mittelschiffes, welche im October 1866 entdeckt und von mir an Ort und Stelle untersucht wurden.


Die Inschrift stand im westlichsten Theile des Mittelschiffes in der Ansicht links neben dem letzten, vierten, obern Fenster in der südlichen Sargmauer, vor dem Thurmgebäude, über dem Bogen zum Seitenschiffe, hoch oben, so weit die Fensteröffnung zum Oberlicht unten zugemauert ist, also im Innern ungefähr über der westlichsten Seitenpforte gegen Süden, über welcher in der Außenwand auch zwei v. Bülowsche Wappen des Bischofs Friederich II. (1365-1375) als Baudenkmäler stehen.

Die Inschrift bestand aus zwei Zeilen über einander, welche 4 Fuß von einander entfernt waren, und war in schwarzer Farbe ausgeführt, während die übrigen roth, nur eine grün waren. Die Buchstaben, in guter, reiner, gothischer Minuskel, aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, waren 6 Zoll hoch.

Die Inschrift 1) war folgende:

...


Die obere Zeile mit dem Namen ... stand sehr schräge nach oben hinauf rechtshin.

Vor dem Namen stand eine segnende Hand mit drei Fingern ausgestreckt und zwei eingeboren. Dieser Name mag wohl der Name des Maurer- oder Werkmeisters („Structuarius“) sein, der diesen Bau vollendet hat. Vielleicht starb er bei oder während der Vollendung des Baues, und dies soll vielleicht die schräge Stellung nach oben hinauf, die schwarze Farbe und die segnende Hand (Gottes) andeuten. Unter dem Namen stand ein Schnörkel mit einem Haken unten, einer Hausmarke ähnlich.

Die untere Zeile enthielt die Zahl lxx???? (74). Vor dieser Zahl standen allerlei Schnörkel. Ich halte die Zahl für die Jahreszahl 1374, das Jahr der Vollendung des Baues. Mit der Zahl 74 soll wohl sicher 1374 ausgedrückt und die sogenannte „Minderzahl“ gegeben sein. Die Schnörkel vor lxx???? werden „etc.“ bedeuten und die Stelle der Zahl: „Dreizehnhundert“ einnehmen sollen, wie sehr häufig, z. B. Anno etc. 80, d. i. 1480, oder anders, je nach dem Charakter der Schriftzüge des Jahrhunderts.

Diese Inschrift ist nun insoferne wichtig, als sie bestimmt das Jahr der Vollendung anzugeben scheint, wie ich schon früher vermuthet habe, daß der Bau des Mittelschiffes in der Zeit von 1365-1375 vollendet worden sei (vgl. Jahrb. XIX, 1854, S. 401, und XIII, 1848, S. 156 flgd.). Bischof Friedrich II., unter dem der Bau, nach den Wappenschilden, ausgeführt ward, starb am 11. Septbr. 1375. Gewölbt ward dieses westliche Mittelschiff durch die Stralsunder erst im Jahre 1416 (vgl. oben S. 148). Wahrscheinlich ist das südliche Seitenschiff im Jahre 1374 zuerst fertig geworden. Am nördlichen Seitenschiffe ist wohl etwas länger gebauet, da das Refectorium (jetzt Gymnasium) erst 1392 angebauet werden konnte (vgl. Jahrb. XIII, S. 158).

Bei der letzten Restauration ist diese Inschrift wieder übertüncht.

Inschriften auf der westlichen Wand des Mittelschiffes.


An der westlichen Schlußwand des Mittelschiffes (der östlichen Thurmwand) war über der Orgel unmittelbar unter dem Gewölbe, also ungefähr 100 Fuß hoch, viel Malerei, wie es scheint, in 3 Lagen über einander, jedoch durch die wiederholte Uebermalung und den losen Kalkputz so sehr verfallen, daß eine Wiederherstellung nicht möglich war.

Am besten war die Malerei in der Spitze des Gewölbes erhalten und es stellte sich heraus, daß die erste Malerei eine Inschrift in sehr großen, rothen Buchstaben in wenigstens 3, vielleicht 4 Zeilen gewesen war. Es war leider nicht mehr als die erste Zeile dicht unter dem Gewölbe einigermaßen zu erkennen; ich habe deutlich und sicher die Worte in gothscher Minuskelschrift aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts:

...


gelesen. Ich bin drei Male die Leitern hinaufgestiegen und habe in Gegenwart des Malers diese Worte sicher gelesen, mit Ausnahme des ersten Wortes ... welches etwas verwischt war.

Die Buchstaben waren 17 Zoll hoch. Unterhalb dieser Zeile konnte ich mit Sicherheit noch die Züge von noch wenigstens 2 Zeilen erkennen, die aber nicht mehr zu entziffern waren.

Anscheinend über dieser Malerei, mit Ausnahme der beschriebenen ersten Zeile, war figürliche Malerei, von der noch ein Marienbild zu erkennen war, welches in der Mitte der 2. und 3. Zeile stand, wenn diese Malerei nicht älter gewesen und bei Anbringung der Inschrift geschont worden ist.

Darüber, jedoch mehr unterwärts, war eine dritte Malerei mit vielem Rankwerk, mehr in grünen Farbentönen, und in derselben eine sehr gesperrte Inschrift in großen lateinischen Unzialen, von der ich nur das Wort

C H O R


erkennen konnte.




1) Ich bin persönlich wiederholt die frei stehende, bis gegen das Gewölbe reichende, hohe Leiter hinaufgestiegen, um die Inschrift sicher zu erkennen, kann daher mit Ueberzeugung für die Richtigkeit bürgen. G. C. F. Lisch.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Dom zu Schwerin