Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin. 09. Die „große Zeit“ und die „großen Dinge“.

Berlins chronisches Übel sind seit Menschengedenken die mangelhaften Verkehrsmittel im Innern der Stadt.
Autor: Glagau, Otto (1834-1892) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller., Erscheinungsjahr: 1875
Themenbereiche
Enthaltene Themen: zum HImmel schreien, ihr Treiben gerichtet, begeisterte Lobredner, Verherrlichung, trotz Übergriffe und Auswüchse, Weltstädter, Reihe von Gründerwerken, chronisches Übel
Nicht nur, daß die Gründer bei Beginn ihrer Tätigkeit von der Presse in jeder Weise unterstützt und gefeiert wurden: selbst heute, wo ihr Treiben gerichtet ist und ihre Werke zum Himmel schreien, selbst heute finden sie hie und da noch mutige Verteidiger und begeisterte Lobredner. So lasen wir neulich in einem Berliner Blatte folgende Verherrlichung: „Trotz aller Übergriffe und Auswüchse, die alle großen Zeiten mit sich bringen, war es doch eine erhebende Sache, als sich endlich das Capital der Industrie zuwandte, als endlich das Gefühl der deutschen Nationalität und des Weltstädters große Dinge erdachte und in solcher Weise ausführte , daß sie bestehen werden für lange Zeit.“

Dieses Diktum soll heute unser Thema bilden. Wir wollen reden von der „großen Zeit“, und von den „großen Dingen“, die „das Gefühl der deutschen Nationalität und des Weltstädters erdachte“; wir wollen betrachten eine Reihe von Gründerwerken, die ausschließlich den Interessen des Publikums dienen sollten, und zunächst auch allgemein angesehen und begrüßt wurden als verdienstliche Taten und gemeinnützige Schöpfungen; und wir wollen untersuchen, ob diese „großen Dinge“ „bestehen werden für lange Zeit“, oder ob sie nicht bereits schon wieder verfallen und zerbröckeln, sich vor unsern Augen auflösen in eitel Dunst.

Ein chronisches Übel, an dem Berlin seit Menschengedenken leidet und das sich auch dem Fremden sofort fühlbar macht, sind die mangelhaften Verkehrsmittel im Innern der Stadt, ist namentlich das altehrwürdige Institut der Droschke. Wagen, Pferd und Kutscher ringen mit einander um den Preis. Der Wagen ist ein unförmlicher, enger, unsauberer Marterkasten, das Pferd ein lebensmüder, traurig stimmender Invalide, der Kutscher der geborene Feind des Fahrgastes, mit dem er fast regelmäßig Händel anbindet. Da hatten die Gründer ein Einsehen und sprachen: Diese Droschke ist der Hauptstadt des neuen deutschen Reiches unwürdig, und überdies ist sie nicht einmal in genügender Anzahl vorhanden. Auf, lasst uns ein Gefährte schaffen, das der Kaiserstadt zur Ehre und dem Publikum zur Wollust gereiche!

Heinrich Quistorp, allezeit voran, verwandelte im Juni 1872, mit Hülfe des Bankiers Moritz Goldstein und des Betriebsdirektors Julius Lestmann, das Fuhrgeschäft der Gebrüder Ernst und Wilhelm Besckow in eine Aktiengesellschaft und nannte sie – höre es und staune, Europa! – Zentral-Bazar für Fuhrwesen. Dieses Fuhrgeschäft nebst Firma(!) kostete den Actionären circa 550,000 Taler. Trotzdem wurden die Aktien wie eine Gunst gegeben und empfangen: auf 5 Aktien der Vereinbank Quistorp gewährte man 1 Aktie des „Zentral-Bazar“. Mit 105 kam das Papier an die Börse; heute steht es circa 20.

Allein Quistorp und der „Zentral-Bazar“, die es beide mit ihren Versprechungen nicht so genau nahmen, machten die Droschken nicht besser, eher schlechter und teurer. Die Droschkenkutscher, welche gleichfalls den Geist der „großen Zeit“ verspürten und die Gründer immer fetter und schwerer werden sahen, erhöhten täglich die Taxe und die Trinkgelder, und verfuhren mit dem Publikum nach dem Wahlspruch der französischen Könige: car tel est notre plaisir. Die Polizei ließ ein neues Reglement erscheinen, und die Droschkenkutscher antworteten mit einer Revolution. Am 1. März 1873 stiegen an 3000 Rosselenker vom Bocke und gingen, wie der Berliner sagt, „zu Muttern“, setzten sich auf die Ofenbank und überließen sich den Freuden der Häuslichkeit und der Familie, indem sie ihre Kinder im Striken unterrichteten und in den Busen der unschuldigen Kleinen glühenden Hass ergossen gegen Madai, den neuen Polizeipräsidenten. Verschiedene Tage war Berlin ohne Droschken, und an allen Straßenecken hörte man Rufen und Jammern. Ein großer Theil der Feiernden suchte das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und meldete sich zur Verbüßung der Polizeistrafen, von denen der Berliner Droschkenkutscher jeder Zeit ein halbes Dutzend auf dem Kerbholz hat. In jenen Tagen waren die Gefängnisse mit strikenden Rosselenkern vollgestopft, die hinter ihren Gitterfenstern hohnlachend auf die in Scharen vorbeipilgernden Fußgänger blickten.

Da traten als rettende Engel wieder die Gründer auf. Inmitten des Droschkenstrikes erließen die Herren Gustav Thölde, Karl Stöter, Ferdinand Strahl, Direktoren der „Zentralbank für Genossenschaften“, Kaufmann Gustav Röhll, Direktor Wilhelm Horn und Rechtsanwalt Ewald Hecker den Prospekt der „Aktiengesellschaft für öffentliches Fuhrwesen“, worin sie erklärten: „Eine radikale Reform ist auf dem Wege der polizeilichen Intervention nicht erreichbar; hierzu bedarf es anderer Mittel. Es muss der Betrieb des öffentlichen Fuhrwesens in die Hände der Großindustrie gelegt werden, die allein befähigt ist, wirklich bedeutende Resultate zu erzielen.“ Der Prospekt verhieß 1200 neue Droschken und forderte dafür ein Aktienkapital von – zwei Millionen Taler, das heißt viermal mehr als „Zentral-Bazar“. Da man an Dividende mindestens 15½ Prozent heraus rechnete, „mit Sicherheit“ aber „einen weit höheren Ertrag“ erwartete, war es nur in der Ordnung, wenn der 40procentige Interimsschein mit 50 aufgelegt wurde, was einem Kurse von 125 entspricht. Leider hat sich diese Rentabilitätsberechnung als nichtig erwiesen. Zu einer Dividende kam es nicht, vielmehr schloss das erste Geschäftsjahr mit einem Defizit von 73,000 Talern. Aber der „Aufsichtsrat“ weiß sich zu helfen. Um die Unterbilanz aus der Welt zu schaffen, beschloß er, die Aktien zusammenzulegen und so das Capital zu reduzieren – ein nach dem „Krach“ sehr beliebtes und in der Tat auch ganz probates Verfahren. Es wird einfach so und so vielen Aktien der Hals umgedreht. Trotz dieser sinnreichen Manipulation gilt der einst mit 50 bezahlte Interimsschein nur noch circa 10.

Die Gesellschaft eröffnete ihren Betrieb erst im Juni 1873, kam also für den Strike viel zu spät, und statt der verheißenen 1200 Droschken stellte sie etwa 200, die sie zu hohen Preisen angeschafft hatte, und die sie nun auch zu hohen Preisen wieder vermieten wollte. Die Pächter fanden ihre Rechnung nicht, kündigten in Masse, oder sie fahren die Pferde erbarmungslos zu Schanden. Abgesehen von den großen Verlusten, die dadurch die Gesellschaft erleidet – jeder Kutscher bestellt nur eine Kaution von 25 Talern – müsste hier der Verein gegen Tierquälerei einschreiten, und die Herren Aufsichtsräte sollten sich einmal die Lehre von der Seelenwanderung erklären lassen.

Auf den Strike und das Droschkenwesen überhaupt hatte weder Quistorp’s „Zentralbazar“, nach Thölde’s „Öffentliches Fuhrwesen“ den geringsten Einfluss. Zwischen den Droschkenkutschern und dem Polizeipräsidenten kam ein Friedensvertrag zu Stande; der Tarif wurde bedeutend erhöht, und im Übrigen blieb Alles beim Alten. Die „große Zeit“ der Gründungen hat Berlin mit Droschken erster Classe beschenkt, die aber auch inzwischen stark auf den Hund gekommen sind, indem sie sich von denen zweiter Classe in Betreff des Angespannes nicht mehr unterscheiden. Die Pferde sind ebenso miserabel und erwecken in dem Fahrgaste dieselben bösen Ahnungen.

Verwandte und ganz ähnliche Gründungen sind:

Aktiengesellschaft für Möbeltransport und -Aufbewahrung. Ging gleichfalls aus einem Fuhrgeschäft hervor, das den Actionären mit 220,000 Talern berechnet wurde. Emissionshaus: Moritz Ed. Meyer. Heutiger Kurs circa 20.

Berliner Spediteurverein. Aktienkapital 550,000 Taler. Emissionshaus: Alwin Philipp. Sechs Spediteure: Rosenberg u. Löwe, Borchardt u. Sachs, Herm. Cohn u. Comp., Arnheim, Isaak u. Comp., Moreau Vallette, R. Bergemann u. Comp. warfen ihre Geschäfte zusammen und ließen sie sich, das heißt blos die Kundschaft, mit 400,000 Taler bezahlen. Das eingebrachte Mobiliar wurde besonders vergütet, und aus der Reihe der Verkäufer mehrere Direktoren mit hohem Gehalte und Tantième angestellt. 16½ Prozent Dividende wurden versprochen, und 6 Prozent für die drei ersten Geschäftsjahre garantiert, auch bisher bezahlt, indem die früheren Inhaber die nöthigen Zuschüsse leisteten. Cours noch circa 30.

Allgemeine Transportgesellschaft. Wahrscheinlich von denselben Spediteuren gegründet und geleitet. Weiteres nicht bekannt.

Außer der Droschke hat Berlin den Omnibus und die Pferdebahn nach Charlottenburg; neuerdings auch die Große Pferdebahn mit einer Anzahl von Linien außerhalb und innerhalb der Stadt. Omnibus und Charlottenburger Pferdebahn sind Aktiengesellschaften, die schon aus der Zeit vor der Schwindelperiode datieren, und daher menschliche Gründungen. Bis 1870 rangen sie auch um ihre Existenz; mit dem Anwachsen und steigenden Verkehr der Hauptstadt haben sie sich, trotz mancher Mängel, ziemlich gut entwickelt und in den letzten Jahren hohe Dividenden verteilt.

Die Große Berliner Pferdebahn konstituierte sich im November 1871, eröffnete die erste Linie im Juli 1873 und schreitet seitdem ununterbrochen und ziemlich rasch vor. Die ersten Zeichner waren: Bankier Joseph Pincuß, Dr. Martin Ebers, Assessor a. D. Plewe, Konsul Kreismann und Dr. Georg Kurs. Schon die Namen dieser Herren, die sämtlich noch bei verschiedenen anderen Gesellschaften beteiligt sind, bürgen dafür, daß es keine billige Gründung war. Das Aktienkapital ist neuerdings auf 3 Millionen Taler erhöht worden. Dennoch gehört die Große Berliner Pferdebahn zu den wenigen Schöpfungen der Gründungsperiode, die einem wirklichen Bedürfnisse entsprechen und die eine Zukunft haben. Wiewohl die Dividende pro 1874 nur 4¾ % betrug und solch’ hohe Dividenden wie bei der Charlottenburger Pferdebahn, aus mehrfachen Gründen, nicht zu erwarten sind – notiert das Papier 115.

Daneben gebar die „große Zeit“ aber noch andere Pferde-Eisenbahn-Gesellschaften, die sich nicht besonders lebensfähig erwiesen haben:

Continental-Pferdebahn, mit Linien in Dresden und Hannover. Gründer, respektive Aufsichtsräte: Ingenieur von Etlinger, Fabrikbesitzer Gustav Schöpplenberg und Karl Egells, Bankiers M. J. Levinstein, Paul Gravenstein, Volkmar und Bendix, J. Mamroth, Julius Grelling, Alfred Wolff (M. Schie Nachfolger in Dresden). Kurs circa 30.

Große Internationale Pferdebahn, mit Linien wo? Gründer: Hermann Geber, Ed. Stahlschmidt, Hermann Leubuscher, Stadtrath Harnecker und Bankier Ferd. Jaques. Cours?

Deutsche Pferdebahn, mit Linien in Elberfeld-Barmen. Gründer: Heinrich Quistorp, Regierungsrat a. D. Albert Bühling, Ingenieur Johannes Büsing. Die Gesellschaft ist in Konkurs; die Bahn kam kürzlich unter den Hammer, fand jedoch keinen Bieter. Quistorp, der Unsterbliche, wollte sie zurückkaufen, seine Propositionen scheinen jedoch vom Gerichte abgelehnt worden zu sein.

Die Gründer, immer besorgt für das Gemeinwohl, und daneben auch bedacht auf den Komfort ihrer Mitbürger, riefen ferner noch zwei ganz besondere Institute ins Leben: Admiralsgartenbad und Flora.

Im September 1872 verbanden sich die Herren Kreisgerichtsrat a. D. und Bankier Rudolf Parrisius („Deutsche Genossenschaftsbank“), Bureauchef R. Bensemann, Baumeister Walter Kyllmann, Dr. med. Engmann, Dr. Alexander Jürgens und Dr. Bodinus, – zur Errichtung einer eleganten Badeanstalt mitten in der Stadt, auf der Friedrichstraße. Das Grundstück hat die Gesellschaft sehr teuer erworben, und noch teurer hat sich der Bau gestellt. Das ursprünglich ausgeworfene Capital von 600,000 Talern (500,000 Taler Aktien und 100,000 Taler Hypothek) war gewiss hoch bemessen; trotzdem ist es um circa 90,000 Taler überschritten, und neuerdings wurde wieder ein „Betriebsfonds“ von 40,000 Talern gefordert. Die Einnahmen im „Admiralsgartenbad“ betrugen vom 1. Januar bis 1. Juni 1875 circa 12,500 Taler, die Ausgaben circa 11,000 Taler, was also einen überaus winzigen Reingewinn ergibt. Wenn die Einnahmen nicht noch wachsen, was bei der sonstigen Nützlichkeit des Unternehmens wohl zu wünschen wäre, kann bei der außerordentlichen Belastung der Anstalt auf eine angemessene Dividende nicht gerechnet werden. Das Papier notierte in der letzten Zeit 25 Brief.

Noch trüber und grauer sind die Aussichten für die Aktionäre der „Flora“, die eine lange ununterbrochene Leidensgeschichte hat.

Der im Sommer 1871 veröffentlichte Prospekt enthält Folgendes: Es soll ein der Kaiserstadt würdiges großartiges Vergnügungslokal mit Sommer- und Wintergarten, Palmenhaus etc. errichtet werden. Zu diesem Zweck ist in Charlottenburg der prächtige von Eckardtstein’sche Park nebst Schloss angekauft worden. Rentabilität mindestens 12 Prozent, und freier Eintritt für die Aktionäre, respektive deren Familien. Unterzeichnet: Fürst zu Putbus, Polizeipräsident von Wurmb, Hofgartendirektor Jühlke, Direktor Noodt, Geh. Kommerzienrat F. W. Krause, Konsul H. Kreismann, Legationsrat Freiherr von Steffens, Rittergutsbesitzer Ludwig Ellers, Assessor a. D. G. A. Plewe.

Dieser Prospekt wurde nicht durch die Zeitungen veröffentlicht, sondern kuvertiert und über Stadt und Land versandt, den Leuten ins Haus geschickt. Ein wohl zu beachtender Beitrag zur Unterbringung der Aktien! Personen, die an ein Börsenpapier nie gedacht hatten, wie Pensionäre, alleinstehende Frauen etc., kauften jetzt Flora-Aktien wegen des freien Eintritts in das Vergnügungslokal und wegen der stolzen Unterschriften, die der Prospekt trug.

Es soll hier gleich bemerkt werden, daß gewisse Unterzeichner, wie Herr von Wurmb und Direktor Jühlke, als Mitgründer wohl kaum einen pekuniären Nutzen gezogen haben, daß sie nur um der Sache willen beitraten und an die Sache glaubten; aber immerhin ist es zu bedauern, daß sie ihre Namen hergaben und dadurch Tausende täuschen und schädigen halfen. Mit Recht brachte Ludolf Parisius die Angelegenheit im Abgeordnetenhause zur Sprache. Er tadelte, daß Herr von Wurmb, der Polizeipräsident von Berlin, zum Gründungskomité der „Flora“ gehöre, daß Herr von Brandt, der Polizeipräsident von Hannover, im Verwaltungsrate der beide Vergnügungslokale „Tivoli“ und „Bella Vista“ sitze, und Herr von Gerhard, der Polizeipräsident von Magdeburg, als Aufsichtsrat einer Bade- und Waschanstalt fungiere. Graf zu Eulenburg, der Minister des Innern, hat denn auch die drei Herren Polizeipräsidenten zum Austreten veranlasst.

Wie bei der „Berliner Nordbahn“, so hat man auch bei der „Flora“ das ganze Odium auf den Fürsten Putbus zu wälzen gewusst. Die eigentliche Schuld des Fürsten aber besteht darin, daß er bei der „Flora“ und verschiedenen Eisenbahn-Konzessionen sich vorschieben ließ, daß er sich mit Gründern und Börsianern einließ, denen er in keiner Weise gewachsen war, für die er die goldenen Äpfel herunterholte. Die eigentlichen Urheber der „Flora“ sind Herr J. A. W. Carstenn und Rittergutsbesitzer Ludwig Ebers, welche das Parkgrundstück wieder vorgekauft hatten und es der Gesellschaft zu dem kolossalen Preise von 550,000 Talern – die Quadratrute Gartenland über 100 Taler! – abtraten.

Von besonderem Interesse ist das Verzeichnis der Personen, welche am 26. September 1871 die General-Versammlung „der in Gründung begriffenen Aktiengesellschaft Flora“ bildeten. Wir finden darunter: Vereinsbank Quistorp, Bankier Jean Fränkel, Weißbierdirektor Emil Gericke, Max Meyer (Louis Pollack), Rentier Moritz Eisner, Dr. Ludwig Eisner, „Volkswirt“ David Born, „Volkswirt“ Dr. Ed. Wiß, Hofapotheker Holtz etc. –

Als ärztliche Bankiers behandelten die von Geburt an sieche „Flora“ nach- und nebeneinander: Robert Thode u. Comp., Heinrich Quistorp, Julius Grelling und, wohl zu merken! Herr Jean Fränkel, dessen Methode und dessen Honorar-Rechnung in der letzten General-Versammlung großen Anstoß erregte.

Der Lucca-Kultus, hauptsächlich betrieben von Gründern und Börsianern stand 1871 bis 1872 noch in einer Nachblüte. Das verwöhnte Theaterprinzeßchen, erbost über die ihrer Kollegin Mallinger gespendeten Beifallsbezeigungen, erlaubte sich auf offener Szene dem Publikum das Wort „Ungezogenheiten“ ins Gesicht zu werfen, und dasselbe Publikum beklatschte diese Unverschämtheit. Damals wurde die Reklame verbreitet: die göttliche Primadonna werde sich herbeilassen, in der „Flora“ regelmäßig zu singen, und so das Lokal eine außerordentliche Anziehungskraft üben. Erster Direktor wurde Herr von Rhaden, der Gemahl der Lucca, und neben ihm Dr. Martin Ebers. Erster Cassirer war Dr. Albert Jausel, später, an Stelle von David Born, Direktor des „Landerwerb- und Bauverein“.

Der Bau des Etablissements schleppte sich ungebührlich lange hin, stockte mehrfach, da die Mittel ausgingen, und verschlang unglaubliche Summen. Wahrscheinlich in Folge des schlechten Materials und der mangelhaften Arbeit, stürzte im März 1873 – in demselben Monate, in dem die Droschkenkutscher strikten – der Dachstuhl des großen Saales ein, und die unglücklichen Aktionäre sollen den ohnehin beträchtlichen Schaden noch doppelt haben bezahlen müssen. Zum Frühjahre 1873 hatte man die Eröffnung des Lokals verheißen, aber erst im Mai 1874 fand sie teilweise statt, waren die ersten Gartenanlagen fertig. Die Presse war zu einer kalten Kollation geladen, und etliche ihrer Vertreter versetzten sich, wie ein Lokalblatt ausplauderte, in stürmische Begeisterung. Im November 1874 wurde der großartig angelegte Konzertsaal eingeweiht, aber vollendet ist er noch heute nicht. Das ganze Etablissement ist noch unfertig und überhaupt unsolid aufgeführt. Überall, wo man schärfer hinblickt, Flick- und Stückwerk, Lücken und schäbige Surrogate. Die Hauptsache, der Park mit den alten hohen Bäumen, war vorhanden, und im Übrigen hat der Obergärtner, Herr Glatt, geschaffen, was er konnte. Namentlich das „Rosenparterre“ erntete allgemeinen Beifall.

Die „Flora“, im Prospekt auf 1,130,000 Taler veranschlagt, kostet den Actionären bereits über zwei Millionen. Die Prioritätsanleihen und die gekündigten Hypotheken konnten nur mit ungeheuren Verlusten angeschafft, respektive neubesorgt werden. Dazu fehlt es der Gesellschaft nicht nur immer wieder an „Betriebsfonds“ – sie befindet sich auch ewig in Wechselverlegenheiten. Der Exekutor ist ihr Hausfreund, und eine Version behauptet, daß man ihr im letzten Winter bereits die Palmen(!) abgepfändet hatte. Auch der Vorstand wechselt beständig, und ein Direktor folgt rasch dem andern. Einer der letzten, Herr Dr. med. Alexander Jacobinus, mußte sich wegen seiner Geschäftsführung, die mit einer Unterbilanz von 267,000 Talern schloss, in der diesjährigen Generalversammlung herbe Worte sagen lassen und legte, wie es im Berichte sehr lakonisch heißt, „schließlich sein Amt nieder“. Die „Flora“ schwebt täglich in der Gefahr des Konkurses, und Keiner vermag ihr zu helfen, denn nie ist ein Weib, und noch dazu eine Göttin, so rücksichtslos behandelt worden. Auch die allergrößte Theilnahme des Publikums kann sie, bei einer Passivlast von über zwei Millionen Taler, nicht wieder auf die Beine bringen; darum stehen die Aktien etwa 15 und selbst die 6procentigen Prioritäts-Obligationen nur circa 25!!

„Zentral-Bazar“ und „Öffentliches Fuhrwesen“, „Möbeltransport“ und „Spediteurverein“, „Deutsche“, „Continenta1“- und „Große Internationale Pferdebahn“, „Admiralsgartenbad“ und „Flora“ – das sind die Früchte der „großen Zeit“, und wie Jedermann sehen kann, lauter faule Früchte. Darum fragen wir: Wo sind die „großen Dinge“?