Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin. 04. Die „Prospekte“.

Das war eine fette Zeit für die Zeitungen, und sie verstanden es, das Fett abzuschöpfen.
Autor: Glagau, Otto (1834-1892) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller., Erscheinungsjahr: 1875
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Berliner Börse, Börenblatt, Gründungen und Emissionen, Gründerzeit, Entbindungszeit, Aktiengesellschaften, Guckkastenbilder, Prospekte, Farbenkleckserei
In den Jahren 1871 und 1872 sah man die Berliner und auch die größeren Provinzialzeitungen unförmlich anschwellen, nicht den politischen Teil oder das Feuilleton – die vielmehr merklich zusammenschrumpften –, wohl aber die Börsenabteilung und die Annoncen Blätter, wie die Vossische und die National-Zeitung, glichen in jeder Nummer einem dicken Aktenstücke, brachten täglich fünf bis zehn Bogen Beilagen, die von oben bis unten nur mit Inseraten bedeckt waren, und zwar in der Hauptsache mit solchen, die Gründungen und Emissionen verkündigten. Jede Nummer brachte ein paar „Prospekte“, und jeder „Prospekt“ nahm eine oder ein paar Folioseiten ein, indem er in Druckerschwärze und weißen Zwischenräumen wahrhaft schwelgte, in der denkbar fettesten Schrift und in riesigen zollhohen Buchstaben sich präsentierte. Das war eine fette Zeit für die Zeitungen, und sie verstanden es, das Fett abzuschöpfen. Sie ließen die Annoncenspalten schmäler und schmäler werden und erhöhten trotzdem die Insertionsgebühr in raschen Sprüngen um das Doppelte und Dreifache. Große Blätter mögen damals für Inserate zwei- bis fünftausend Taler täglich eingesäckelt haben. Die Berechnung ist einfach. Die Seite kostet z. B. in der National- und in der Vossischen Zeitung circa 125, der Bogen etwa 500 Taler. Vier bis sechs Bogen Inserate – während der Gründerzeit das Gewöhnliche – brachten also 2 bis 3000 Taler, und wenn es acht bis zehn Bogen waren, was an vielen Tagen vorkam, 4 bis 5000 Taler. In der „Kölnischen Zeitung“ stellen sich die Annoncen noch teurer. Aber der „Große Krach“ hat auch die Einnahmen der Zeitungen stark beschnitten. Statt der goldenen Inseratenflut von damals ist heute die kläglichste Ebbe eingetreten; es werden nicht mehr so viele Hunderte eingenommen wie früher Tausende.
Die „Prospekte“ waren Entbindungsanzeigen. Eine neue Gründung war vollbracht, eine neue Aktiengesellschaft hatte das Licht der Welt erblickt, und das liebe Publikum wurde zur Gevatterschaft eingeladen. „Prospekt“ heißt bekanntlich zunächst Anblick, Aussicht, Fernsicht, und deshalb war das Wort sehr glücklich gewählt, überaus bezeichnend. Die „Prospekte“ können nicht besser verglichen werden als mit den Guckkastenbildern, wie man sie auf Kirmessen und Jahrmärkten zeigt. Man guckt in den Kasten und glaubt ein herrliches Schloss zu sehen, oder ein Bergwerk in vollem Betriebe, oder eine paradiesische Landschaft, aber in Wahrheit ist es nur eine grobe dicke Farbenkleckserei. Die „Prospekte“ freilich waren in der ersten Zeit der Gründungen nicht solch plumpe, sondern eine weit feinere, mehr künstlerische Arbeit, so das sie sich zuweilen wie ein farbiges Feuilleton oder gar wie ein schwungvolles Gedicht lasen. Man höre z. B. den „Prospekt“ der „Ersten Altenburger Zuckerfabrik-, Kohlenabbau- und Landwirtschaftlichen Industriegesellschaft“: „Zu den gesegnetsten Fluren des deutschen Vaterlandes gehört der Ostkreis des Herzogtums Sachsen-Altenburg. Die vorzügliche Fruchtbarkeit seines Bodens ist allgemein anerkannt. Aber er birgt auch die wertvollsten unterirdischen Reichtümer – ein Braunkohlenlager von seltener Mächtigkeit, das für diese Gegend eine industrielle Entwicklung in Aussicht stellt, welche nur der weckenden und fördernden Hand wartet, um rasch eine dauernde Blüte zu erlangen. – Inmitten dieses Bezirks liegt das Rittergut Zechau, unter diesen reichen Geländen die Krone der dortigen Landgüter etc.“

Der verlockenden Schilderung des Gründungsobjekts folgte stets eine noch hinreißendere „Rentabilitäts-Berechnung“. Den Aktionären wurde ein Gewinn verheißen, der den Edelmut der Gründer in das hellste Licht stellte und es fast unbegreiflich erscheinen ließ, wie sie solch kostbares hocheinträgliches Objekt überhaupt weggeben konnten. Allermindestens wurde eine Verzinsung von zehn Prozent in Aussicht gestellt, aber in der Regel weit mehr. Das Vergnügungsetablissement „Flora“ in Charlottenburg rechnete zwölf Prozent Dividende heraus; trotzdem ist der Kurs heute nur 20. „Berlin-Charlottenburger Bauverein“, eine Schöpfung des Herrn Richard Schweder, versprach nicht bloß eine derartige Dividende, sondern stellte schon im „Prospekt“ einen Gewinn von dreizehn Prozent als vollendete Tatsache hin, weshalb die Aktien auch zum Kurse von 110 aufgelegt wurden; – merkwürdiger Weise ist dieser aber auch inzwischen bis auf 35 gesunken. Maschinenfabrik von vormals Egells versprach in den ungünstigsten Jahren fünfzehn Prozent, sonst mehr: – heutiger Kurs 28. Kattun-Manufaktur von vormals Schwerdtfeger in Eilenburg wies siebenzehnundeinhalb Prozent als frag- und zweifellos nach: – heutiger Kurs 50. Bei vielen anderen Gesellschaften ist das Missverhältnis noch weit größer; wir wollen nur einige anführen:

Joseph Beer selige Witwe in Liegnitz versprach für die „Schlesische Wollwaren-Fabrik“, welche „aus dem vorigen Jahrhundert datiert“, „eines Weltrums genießt“ und ein Warenhaus besitzt, dessen „sehr ausgedehnte Räume von Einem Punkt aus übersehen werden können“ – fünfzehn bis zwanzig Prozent Dividende. Heutiger Kurs 20.

Herr Naumann, herzoglicher Domainenpächter, rechnete für die „ Altenburger Zuckerfabrik und Kohlenabbau-Gesellschaft“ einen Gewinn von 113,000 Talern jährlich heraus, und zwar auf einen Zeitraum von einhundertzwanzig Jahren. Heutiger Kurs 4.

Herr Jean Fränkel verhieß für die „Märkische Torfgräberei“, mittelst welcher er Berlin mit billigem Brennmaterial versorgen wollte – fünfzehn Prozent Dividende. Heutiger Kurs 4 Brief.

Freiherr von Werthern versprach für die von ihm verkauften „Vereinigten Oderwerke“ eine Dividende von neunzehn Prozent. Heutiger Kurs – 0.

„Remscheider Stahlwerke“ von vormals Arntz u. Co., mit 110½ an der Börse eingeführt, ließen eine Dividende von über dreißig Prozent erwarten. Heutiger Kurs – 0.

Um dies erschreckliche Missverhältnis einigermaßen aufzuklären, wollen wir uns zu ein paar Bemerkungen verstehen: „Altenburger Zuckerfabrik“ den Aktionären mit 700,000 Taler überwiesen, kam kürzlich unter den Hammer des Subhastationsrichters. Das Meistgebot war etwa 200,000 Taler, ging aber auch nur von den Hypothekengläubigern aus, die so ihre Forderungen retten wollten. Für die Aktionäre selber ist kaum etwas zu hoffen. „Vereinigte Oderwerke“ bestanden in einem Lehmstich mit Ziegelei, welche der Gesellschaft 162,000 Taler kosteten. „Märkische Torfgräberei“, von der Börse, welche eine sehr feine Nase hat, alsbald „Märkische Totengräberei“ benannt – war gleichfalls nur eine Torfwiese, und noch dazu eine sehr fragwürdige, welche Herr Jean Fränkel den Aktionären mit 210,000 Talern in Rechnung stellte. Diese Summe war so haarsträubend, daß selbst der Vorbesitzer darob erschrak, wiewohl auch er die Torfwiese gewiss nicht billig abgegeben hatte, und in einem anonymen Inserat das auf „Märkische Totengräberei“ begierige Publikum höflichst einlud, sich nach der Moritzstraße 5, parterre, links, bemühen zu wollen, wo man ihm über die Gründung reinen Wein einschenken werde.

Herr Jean Fränkel aber, obgleich er nur zu den Gründern zweiter oder gar dritter Classe gehört, verdient etwas näher ins Auge gefaßt zu werden. Er ist nämlich ein Mann von Charakter und Konsequenz. Andere seiner Berufsgenossen haben, sei es aus Laune, sei es aus Versehen, mitunter eine mehr oder minder lebensfähige Gesellschaft in die Welt gesetzt. Das aber hat Herr Jean Fränkel, gleichsam des Prinzips wegen, nie getan. Unter den faulen Gründungen der Schwindelperiode sind die von ihm begangenen die faulsten. Sie stinken sämtlich zum Himmel. Selbst die Börse, die in solchen Dingen nicht wählerisch, nicht ekel ist, kann die Gründungsleichen des Herrn Jean Fränkel nicht handeln, ohne daß ihr eine Gänsehaut über den Rücken läuft. Neben der „Märkischen Totengräberei“ sind noch zu nennen: „Berliner Weißbierbrauerei“, vormals Gericke – heutiger Kurs 20, „Charlottenburger Baugesellschaft“, unter Mitwirkung des Bürgermeisters von Charlottenburg, Herrn Bullrich, verübt – heutiger Kurs 8, und „Nieder-Schönhausener Baugesellschaft“, die gar nicht mehr notiert wird. Der Besitz dieser Gesellschaft besteht in einem Sandplatze, der ihr für 230,000 Taler aufgehalst wurde. Während der Verkäufer des Torfbruchs von Skaby nur anonym protestierte, erhoben die Bauern von Schönhausen ein lautes zorniges Protestgeschrei, aber Herr Jean Fränkel kümmerte sich ebenso wenig um das eine wie um das andere. Und warum auch? Was die Vorbesitzer gegen ihn trieb, war sicher nicht Mitleid mit den betrogenen Actionären, sondern das Verlangen, auf den Attentäter eine Pression zu üben, zu versuchen, ob sich nicht nachträglich noch etwas von ihm herausschlagen ließe.

Da wir einmal von oberfaulen Gründungen sprechen, so verlangt die Gerechtigkeit, daß wir hier auch Herrn Robert Baumann einschalten. Allerdings rangiert er etwas höher als Herr Jean Fränkel, denn er hat etwa drei Mal so viel wie dieser gegründet, und darunter auch einige erträgliche Sachen; z. B. „Berliner Bank“, „Bank für Rheinland und Westphalen“, „Hessische Bank“, „Hessische Brauerei“ und „Zeitzer Eisengießerei“. Auch „Egells’sche Maschinenfabrik“ wollen wir ihm hingehen lassen. Aber ganz und gar nicht zu entschuldigen sind: „Allgemeine deutsche Handelsgesellschaft“ – heutiger Kurs 13, „Berliner Nord-Eisenbahn“ – heutiger Kurs 8, und vor Allem nicht der so entsetzliche, heute mit ¼ Brief notierte „Thüringer Bankverein“ in Erfurt, dessen Direktoren, Moos und Uhley, bekanntlich durchbrannten und dann im „Kladderadatsch“, unter Beifügung ihres Portraits, steckbrieflich verfolgt wurden. Auch an der „Deutschen Buchhändler-Bank“ war Herr Robert Baumann mit tätig, einer Gründung, die, obgleich hier als Geburtshelfer solch berühmte Volkswirte wie Julius Faucher und Karl Braun-Wiesbaden fungierten, dennoch tot zur Welt kam.

Endlich ist Herr Robert Baumann auch der wahre Urheber der „Altenburger Zuckerfabrik“, nur daß der hochpoetische „Prospekt“ nicht von ihm selber herrührt. Nach der „Stilprobe“ zu urteilen, die einst die „Neue Börsenzeitung“ von ihm veröffentlichte und in der er sich gegen gewisse Anschuldigungen in Sachen „Berliner Bank“ und „Nordbahn“ zu rechtfertigen versuchte, scheint er nicht gerade ein „Held der Feder“ zu sein. Um seine Gründungssünden in etwas wieder wett zu machen, vielleicht auch nur, um die Aufmerksamkeit von ihnen abzulenken, paradierte er mit dem „Invalidendank“, gab und sammelte er ostensibel zu patriotischen und wohltätigen Zwecken, suchte er mit der Aristokratie anzuknüpfen. Dessen ungeachtet blieb er titel- und ordenlos, was uns billig Wunder nimmt.

Nach dieser Abschweifung zu Gunsten der Herren Jean Fränkel und Robert Baumann kehren wir zu den „Prospekten“ zurück. In zahlreichen Fällen wurde eine Dividende nicht nur verheißen und ausgerechnet, sondern von den Vorbesitzern resp. Gründern auch garantiert. Herr Leuffgen versprach für die von ihm verkaufte Glasfabrik „Albertinenhütte“ bei Charlottenburg eine Verzinsung von 16 Prozent und garantierte eine Minimaldividende von 10 Prozent auf fünf Jahre; trotzdem ist der Kurs bis aus 19 zurückgegangen. Die Herren Schöller und von Alpen garantierten für die „Aachener Tuchfabrik“ gleichfalls 10 Procent Dividende für die ersten fünf Jahre; in Folge dessen wurden die Aktien mit 105 aufgelegt, sind aber schon lange nicht mehr auf dem Kurszettel zu finden.

Ähnliche Zinsgarantien leisteten Herr Hermann Lehl für die „Dampfmühlen-Gesellschaft in Stralsund, Joseph Beer selige Wittwe in Liegnitz für die „Schlesische Wollwarenfabrik“, Herr J. C. Harkort für die „Gesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau“ in Duisburg – lauter Aktien, deren Kursstand schon seit Jahr und Tag jeder Zinsgarantie Hohn spricht. Der schreiendste Fall ist jedoch „Bergbrauerei Hasenhaide“ in Berlin: mit 8 Prozent Dividende garantiert, ist der heutige Kurs – 1¼ Brief!! Entweder war die Zinsgarantie auch nur ein Versprechen, das man auf sich beruhen ließ, oder wenn die Verkäufer wirklich die betreffende Summe sicher stellten, gehörte diese schon zu den Gründungskosten, steckte sie eben im Aktienkapital, so daß sie tatsächlich von den Actionären selber aufgebracht wurde und es sich wieder um eine bloße Augenverblendung handelte.

Das die „Prospekte“ hinsichtlich der Rentabilitätsberechnung wie des Erwerbspreises, also in den beiden wesentlichen Punkten, fast regelmäßig arge Täuschungen und grobe Unwahrheiten enthielten, sprach die „Spener’sche Zeitung“ in ihrer Börsen-Rückschau vom 31. Dezember 1872 offen an. Es war dies um so verdienstlicher, als das Blatt damals, von Herrn Wehrenpfennig redigiert, der „Preußischen Boden-Credit-Actien-Bank“ angehörte, an deren Spitze Herr Richard Schweder stand, der Gründer par excellence. Leider wird das Verdienst der genannten Zeitung dadurch etwas geschmälert, daß sie jene freimütige Äußerung so spät tat, als der Gründungsschwindel bereits so gut wie zu Ende war.

Die „Prospekte“, gewöhnlich unter juristischem Beirat entstanden, sind mit einer wahren Meisterschaft abgefasst. Sie versprechen Alles und verpflichten zu Nichts. Nur höchst selten haben die Gründer sich im „Prospekt“ eine Blöße gegeben oder auf Grund des „Prospekts“ zur Rechenschaft gezogen werden können, und noch seltener haben die betrogenen Aktionäre wirklich etwas zurückerhalten. Nur Ein nennenswertes Beispiel schwebt uns augenblicklich vor. Es ist der Fall der „Sudenburger Maschinenfabrik“, vormals F. A. Klusemann in Magdeburg, wo die Uriane einen Teil ihres Raubes faktisch herausgeben mußten. –

Der „Prospekt“ wurde in etwa zwanzig bis dreißig Zeitungen gerückt, und zwar nicht ein Mal, sondern mehrere Male. Die Veröffentlichung des „Prospekts“ und sonstige Insertionskosten machten eine Ausgabe bis zu zehntausend Talern und mehr nöthig,1) woraus man entnehmen kann, daß die Gründungsspesen nicht klein waren. In erster Reihe erhielten das Inserat sämmtliche Börsenblätter, die damals wie Pilze emporschossen, sodann die großen politischen Zeitungen und auch wohl verbreitete Lokalblätter. Es handelte sich um die größtmöglichste Publizität; es handelte sich aber auch um Unterstützung, wenigstens um Schonung. Deshalb wurden auch solche Blätter bedacht, die keinen besonderen Leserkreis hatten, aber doch irgendwie zu fürchten waren. Alle Blätter, groß wie klein, lechzten nach Gründungs- und Emissionsanzeigen; die kleineren bewarben sich darum, oder druckten sie unaufgefordert ab und schickten Belag nebst Rechnung ein, die in der Regel auch bezahlt wurde, denn man verstreute ja das Geld. Erst als die Schwindelperiode zu Ende ging, ward man sparsamer, und da findet sich denn unter den Inseraten der für die meisten Leser gewiß rätselhafte Vermerk: „Nachdruck wird nicht honoriert.“ Blätter, die mit den Anzeigen nicht „beteiligt“ wurden, erhoben wohl ein Geschrei, griffen die Gründung versteckt oder offen an. Das war ein Wink für die Gründer. Sie holten das Versäumte nach, und nun brachte dasselbe Börsenblatt eine sehr günstige Besprechung, empfahl das Unternehmen als durchaus solide und höchst rentabel.

Das bloße Inserat genügte nicht, die Gründung mußte auch im redaktionellen Teil erwähnt, der „Prospekt“ hier teilweise übernommen oder umschrieben werden. Kleinere Blätter besorgten das schon um des Inserats willen, die größeren aber nur gegen besonderes Honorar, und dieses betrug in der Regel weit mehr als die Insertionsgebühr. Ohne Rücksicht auf das Inserat wurde in den tonangebenden Börsenblättern manche Gründung erbarmungslos angegriffen und erst hinterher, nachdem sie sich ihrer Schuldigkeit bewusst geworden, zu Gnaden angenommen. So hatte, um ein Beispiel für hundert anzuführen, ein sehr bekanntes Börsenblatt zunächst „Berliner Weißbier, vormals Gericke“, nach Gebühr verarbeitet, aber ein paar Tage später legte sie dieser Tochter des Herrn Jean Fränkel, diesem Monstrum, die Hände segnend auf das Haupt und sprach mit denn Grafen von Savern:

Dies Kind, kein Engel ist so rein,
Lasst’s Eurer Huld empfohlen sein!


Weit geschickter verfuhr in solchen Fällen die „Neue Börsen-Zeitung“, ja nicht ohne Humor und Schalkhaftigkeit. So schrieb sie. „Wir finden in verschiedenen Blättern eine Aufzählung der Leistungen der Maschinenfabrik ‚Berliner Vulkan‘. Wir können es uns um so mehr versagen, auf die Einzelheiten näher einzugehen, als denselben durch die übereinstimmende Reproduktion in den übrigen Blättern eine mehr als hinreichende Publizität gegeben ist. Unsere Aufgabe dürfen wir als erfüllt betrachten, wenn wir darauf hinweisen, daß die Leistungen der Fabrik für uns die gute Verzinsung des nur 450,000 Taler betragenden Aktienkapitals außer Zweifel stellen.“ – Nur 450,000 Taler!! Fürwahr eine Kleinigkeit! Und auch mit der „guten Verzinsung“ hatte die „Neue Börsenzeitung“ Recht. Im „ersten Geschäftsjahr verteilte der von Herrn Leopold Hadra aus der Michalkowsky’schen Fabrik komponierte „Vulcan“ wirklich sieben Prozent Dividende, seitdem aber keinen Heller mehr. Deshalb notiert ihn die Börse auch heute mit 16; wir fürchten sogar, daß er sich auf dieser Höhe nicht lange erhalten, sondern noch tiefer, viel tiefer sinken wird.




1) Wieder eine kleine Berechnung. Nahm der „Prospect“ nur eine Folioseite ein und wurde er nur in zwanzig Zeitungen, in jeder drei Mal abgedruckt, so kostete das circa 7500 Taler. Erging er sich aber über zwei Seiten, so betrugen die Insertionskosten das Doppelte.

Opernhausplatz nach dem Stich von Fünck, 1743

Opernhausplatz nach dem Stich von Fünck, 1743