Nächtliche Gondelfahrt

Am schönsten rudert sichs bei ruhigem See mit einem Ruder. Man muss ganz hinten am Heck des Bootes auf dem Sitz stehen dazu, dass die Leute am Ufer in jedem Augenblick denken, man würde gleich ins Wasser fallen. So geleitet gleitet die Gondel reglos, wie im Traum, über den Spiegel.

Es war schon sehr spät, als ich das Boot loskettete; ich hörte es nachher während des Fahrens von den Schweizer Ufertürmen Mitternacht schlagen.


Eine weite Nachtstille, die nur vom Rollen der Kette, dem Einsteigen und dem Abstoßen einen Augenblick unterbrochen wurde. Der See schlief im Mondschein. Die verschwimmende Helligkeit des Spiegels floss atmend über die Ufer, um Badehütte und Weiden.

Von den Wellenkreisen um mich ziehen zitternde geschlängelte Lichtstreifen über den Steg und das Schilf. Mein Ruder taucht fast lautlos ein, nur ganz hinten im schwarzen
Schatten der Gondel, damit der Seespiegel unzerstört bleibt, während ich langsam über ihn hingleite. Augenblicke seh' ich das Mondlicht in die grüne Tiefe einsinken, einmal den Schatten und gleich darauf das Flossenblitzen eines Fisches. Aber rasch verhüllt der Spiegelschimmer wie ein aus Licht gewobener Schleier den Abgrund, dass um mich raumloses Leuchten ist.

Ich bin aus der Bucht hinausgefahren. Die weiten Gestade liegen ganz im Licht, als ob die Ferne, in die der See nach Osten uferlos hinausschimmert, rings allen Strand, ihn entrückend, überflutet habe.

Ich wende. Wie vom Atem des Wassers leise bewegt, steigt und sinkt das runde Bild der Mondscheibe. Es bleibt mir schwebend zur Seite. Ich fühle das Gleiten des Nachens nur noch so, als ob eine unsichtbare Strömung des Sees ihn trüge. Er nähert sich einer Stelle des Ufers, an der Pappeln in den fahlblauen Himmel steigen.

Ich folge der sanften gebuchteten Uferlinie. Jetzt seh' ich durch das klare Glas des Bootschattens auf der Landseite auch den hellgrünen, von den Ruderkreisen überwellten Lehmgrund. Ein weit vorgebauter Landungssteg taucht dunkel im Dämmern auf. Die Pfähle stehen da, ohne Grenze gegen ihren langen Spiegel im See, wie ein schattenhaftes Gebilde, das ringsum in den Mondduft zergeht, das nirgends ruht, das nur im Licht schwebt.

Leise, kaum hörbar, spielen hier, wie Pulsschläge des Sees, kleine Wellchen am gerölligen Ufer. Über ihnen schimmert das zitternde Licht, als hätte sich das Spiegelbild von der glänzenden Fläche aufschwebend gelöst.

Dann fährt der Nachen an einer grauen efeuüberwucherten Terrassenmauer hin. Mein Blick geht weit in den monddurchdämmerten, lichten Park. Eine schwarze schweigende Waldbucht nimmt uns in ihre Schatten auf. Die dunklen Ufer wachsen. Gewölk umzieht langsam, in der Tiefe seine lichten Ränder spiegelnd, den Mond. Mit beiden Rudern ausgreifend, fahr' ich schnell über die nächtig verdunkelte Fläche heim.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bodensee - Wanderungen